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Ost-West-AchseNun liegen die Fakten für die Ost-West-Achse auf dem Tisch

Lesezeit 5 Minuten

So könnte die Aachener Straße aussehen, wenn die dort die Stadtbahn durch den Tunnel führe.

Von einer historischen Chance und einem Jahrhundertprojekt spricht Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Bekommt Köln nun einen Stadtbahntunnel zwischen Heumarkt und Aachener Straße?

Es dürfte eine der umfangreichsten Vorlagen sein, die dem Kölner Stadtrat in den vergangenen Jahrzehnten vorgelegt wurden. Passend dazu spricht Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker von einer „historischen Chance“, einem „Jahrhundertprojekt“. Der sogenannte „Variantenentscheid“ für die Ost-West-Achse liegt vor. Die Grundlage für die Antwort auf die Frage, ob auf dem Abschnitt zwischen Heumarkt und Aachener Straße ein Stadtbahntunnel gebaut werden soll, oder diese Verkehrsachse oberirdisch ertüchtigt wird. Damit geht ein Projekt in die entscheidende Phase, das offiziell bereits sechs Jahre Vorlauf hat. Ende 2018 nämlich haben die Bündnispartner CDU und Grüne bekannt gegeben, dass sie in eben dieser Frage uneins sind und darum Planung für beide Varianten wollen.

Wie ist die Ausgangslage?

Vor allem die Stadtbahnlinie 1 der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) fährt jenseits der Kapazitätsgrenze. Sie könnte mehr Menschen transportieren, wäre sie leistungsfähiger. Um das zu erreichen, wollen die KVB dort künftig Langbahnen (90 Meter) einsetzen und das vorzugsweise in einem Tunnel.

Wie positionieren sich Gegner und Befürworter?

Die Befürworter sehen in dem Tunnel nicht nur eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, sie betonen auch die Chance, den Neumarkt und den Heumarkt neu gestalten und aufwerten zu können. Die Gegner befürchten durch den Tunnel eine Großbaustelle auf Jahrzehnte hinaus, die enorme Kosten erzeugt. Die stadtplanerische Aufwertung der Achse mit ihren Plätzen ließe sich auch mit einer oberirdischen Bahntrasse realisieren.

Was kostet die jeweilige Variante?

Für den Tunnel werden in einer der zahlreichen Anlagen zum Variantenentscheid rund eine Milliarde Euro angegeben, für den oberirdischen Ausbau rund 200 Millionen Euro. Wobei die Kosten in der jetzigen Planungsphase und bei den Entwicklungen auf dem Baumarkt wohl kaum verlässlich beziffert werden können. Eher sind wohl die Planungskosten absehbar. Die liegen für den Tunnel bei rund 61 Millionen Euro. Für den oberirdischen Ausbau werden Planungskosten in Höhe von rund 13 Millionen Euro angegeben. Bereits für die Vorbereitung des Variantenentscheids hat der Stadtrat 29,4 Millionen Euro freigegeben, die KVB steuern 3,9 Millionen Euro bei. Förderfähige Kosten werden bis zu 95 Prozent übernommen.

Wie schneiden die Varianten im Vergleich ab?

Die Vorlage benennt keine „Vorzugsvariante“. Sie beinhaltet im Prinzip zwei Beschlussvorschläge – einen für den Tunnel, einen für den oberirdischen Ausbau. Allerdings gibt es vor allem zwei Kriterien, durch die beide Varianten miteinander verglichen werden. Da ist zum einen der Kosten-Nutzen-Faktor. Der liegt für den Tunnel bei 1,4 und für den oberirdischen Ausbau bei 1,3. Ein knapper Vorsprung für den Tunnel. Den baut der Tunnel allerdings bei den „Kriterien“ aus. An 33 dieser Kriterien mussten sich beide Varianten messen lassen, wie beispielsweise „Schnelligkeit der Verbindung“ oder auch „Kosten“. 20 der Kriterien sprechen für den Tunnel, nur zehn für „Oben bleiben“. Bei drei Kriterien hatte keiner die Nase vorn.

Wie groß ist der Aufwand für den Tunnel?

Die Kosten sind zum jetzigen Zeitpunkt wohl höchstens Annäherungswerte. Doch die Beschreibung des Projekts gibt einen Eindruck von den Ausmaßen. „Es werden insgesamt circa 2,7 Kilometer Bohrtunnel, 0,8 Kilometer Rampenbauwerke und drei neue Haltestellen gebaut“, ist in der Vorlage zu lesen. Der größte Aufwand für die neuen Haltestellen dürfte an dem Stadtbahn-Knotenpunkt Neumarkt entstehen: „Die neue Haltestelle ist direkt unter dem bestehenden Innenstadttunnel geplant und wird in offener Bauweise hergestellt. Daher wird hier ein Teilabriss des Bestandstunnels erforderlich“, schreibt die Verwaltung. Vom Neumarkt biegt die Linie 9 ab, auch sie soll dann unter die Erde gelegt werden: „Einige Bestandsgebäude werden im Abzweig der Linie 9 unterfahren“, heißt es dazu.

Wie positioniert sich die Verwaltung?

In der Vorlage gar nicht, bei der Vorstellung deutlich: OB Reker hielt ein flammendes Plädoyer für den Tunnel. „Wollen wir europäische Metropole sein oder deutsche Provinz“, gewichtet sie den Tunnel. Auch Baudezernent Markus Greitemann lässt keinen Zweifel aufkommen: „Der Mensch kann sich die Stadt zurückerobern“, sagt er zu dem Raumgewinn durch den Tunnel. Mobilitätsdezernent Ascan Egerer will sich nicht positionieren: „Die Fakten liegen nun auf dem Tisch, das ist nicht die Zeit für ein weiteres Plädoyer.“ KVB-Chefin Stefanie Haaks sagt: „Ich kann mich Frau Reker nur anschließen.“


Reaktionen aus dem Rathaus

Am 27. Juni soll der Stadtrat entscheiden, ob auf der Ost-West-Achse die Tunnellösung oder die oberirdische Variante zum Zug kommt. Bekanntlich ist das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt in dieser Frage gespalten. Für die CDU ist klar: „Der Tunnel führt in die Zukunft, die oberirdische Variante aufs Abstellgleis“, CDU-Verkehrsexpertin Teresa De Bellis. „Wenn wir wirklich Großstadt sein wollen, dann führt an dem unterirdischen Ausbau definitiv kein Weg vorbei.“ CDU-Ratsherr Niklas Kienitz sagte, ein Tunnel könne „unfassbar viele Energien für die Stadtentwicklung freisetzen“ und mache „den Weg frei für eine neue, attraktive Flaniermeile vom Heumarkt bis zur Moltkestraße“.

Dagegen sind die Grünen weiterhin für den oberirdischen Ausbau. „Diese Variante ist – bei vergleichbarem verkehrlichem Nutzen – deutlich günstiger, nachhaltiger und kann schneller umgesetzt werden als der unterirdische Ausbau“, so Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer. „Köln braucht diesen Tunnel nicht, dessen Bau jahrzehntelange Baustellen im Herzen der Stadt verursacht und obendrein über eine Milliarde Euro kostet.“ Die Grünen betonen: Während die oberirdische Variante mit einer geschätzten Bauzeit von drei bis 5 Jahren zwischen 2032 und 2034 abgeschlossen wäre, würde der Tunnel mit einer geschätzten Bauzeit von zehn bis zwölf Jahren erst 2039 bis 2041 fertig. Außerdem verursache der Tunnel einen mehr als viermal höheren CO2-Ausstoß. Die schlechte Klimabilanz des Tunnels stehe damit „in keinem Verhältnis zu seinem Nutzen“.

Die FDP sieht im Tunnel „eine Jahrhundertchance für Köln“. Fraktionschef Ralph Sterck: „Die Ost-West-U-Bahn wäre ein Segen für die Kölnerinnen und Kölner. Der Tunnel ist die einer Metropole angemessene Lösung, um eine echte Entlastung in der hochverdichteten Innenstadt zu schaffen. Der ÖPNV wird damit leistungsfähiger, sicherer und zuverlässiger.“ Der Tunnel sorge für mehr Aufenthaltsqualität und verhindere, „dass die geplanten 90-Meter-Bahnen im Minutentakt ihre Barrierewirkung erzeugen“.

Lukas Lorenz (SPD) sagt: „Nach vielen verlorenen Jahren liegen nun endlich zwei Alternativen für die Ost-West-Achse vor. Doppelte Kosten, doppelten Zeitaufwand und viel Frust auf allen Seiten hätte man sich sparen können.“ Die SPD werde sich „die beiden vorgeschlagenen Varianten kritisch anschauen und schlussendlich die beste Lösung für die Mobilität in Köln wählen.“ Entscheidend sei, dass in Zukunft „mehr Menschen die Ost-West-Achse schneller und besser nutzen können“.

Die Volt-Fraktion äußerte sich zunächst nicht. Sie will erst die Verwaltungsvorlage prüfen. (fu)