Abo

Fünf Jahre Arbeit Ein Bergneustädter engagiert sich für Bildung

3 min
Das Foto zeigt zwei Männer, einer von ihnen zeigt auf einer Deutschlandkarte auf Oberberg

Sie engagieren sich seit 2020 im Bürgerrat Bildung und Lernen (v.l.): Joachim Kottmann und Hartmut Schaafs.

In Berlin läuft gerade die Abschlusskonferenz des bundesweiten Bürgerrats Bildung und Lernen. Mit Joachim Kottmann ist auch ein Oberberger dabei. 

Ob Lehrermangel, praxisferner Unterricht oder mangelnde Chancengleichheit: Am deutschen Bildungssystem gibt es vieles auszusetzen. Ideen, wie man diese Missstände beseitigen oder zumindest abmildern könnte, sind vorhanden. An diesem Wochenende findet in Berlin die abschließende Konferenz des bundesweit tätigen Bürgerrats Bildung und Lernen statt.

Einer der rund 120 Teilnehmer ist ein Oberberger: Joachim Kottmann aus Bergneustadt. Als Kulturagent für Schulen der Stadt Gummersbach setzt er sich für die Vermittlung von Projekten und Künstlern an Schulen ein, außerdem leitet der 54-Jährige die Musikschule Bergneustadt und arbeitet zudem als Komponist, Songwriter und Darsteller.

Teilnehmer wurden per Zufall ausgewählt

Über 700 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland haben sich im Bürgerrat fünf Jahre lang intensiv mit den Problemen von Bildung in Kitas, Schulen und Berufsschulen beschäftigt. Sie haben einen 19 Punkte umfassenden Katalog mit Empfehlungen erarbeitet. Ob und wie sich diese auch umsetzen lassen, darüber wollen die Konferenzteilnehmer zwei Tage in Berlin mit Politikern und Vertretern der Wirtschaft diskutieren. Auch viele Bildungsexperten sind dabei.

„2019 erhielt ich einen Anruf“, erinnert sich Kottmann. Er sei gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, in einem Bürgerrat Bildung ehrenamtlich mitzuarbeiten. „Bildung ist ohnehin mein Ding, ich habe sofort zugesagt.“ Ihm gefalle, dass der Bürgerrat einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilde und auch Kinder und Jugendliche Gehör finden. Zudem seien die Treffen ergebnisoffen, sie seien nicht von einer Behörde beauftragt und würden professionell moderiert. Wegen der Corona-Pandemie fanden die Arbeitstreffen zunächst online statt, später gab es sechs Präsenztreffen in verschiedenen Städten. Die Kosten für Fahrt, Hotel und Verpflegung wurden übernommen, mehr nicht.

Schule soll besser aufs Leben vorbereiten

Bei der Frage, „was soll wie gelernt werden“ gilt es zweierlei zu beachten. Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch Grundkenntnisse in Naturwissenschaften sind unabdingbare Grundlagen, die jedes Kind lernen muss. Gleichzeitig gilt: Bildung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf die individuellen Fähigkeiten und Interessen Rücksicht nimmt. Lernen braucht Freiräume – das ist eine der zentralen Erkenntnisse, die der Bürgerrat sich erarbeitet hat. Und damit liegt er genau auf der Linie mit dem, was Bildungsforscher fordern und was in Nachbarländern zum Teil schon umgesetzt wurde.

Die Schule soll Kinder und Jugendliche besser auf das Leben nach der Schule vorbereiten – so lautet eine der zentralen Empfehlungen des Bildungsrates. Ferner sollen Mädchen und Jungen die Lerninhalte ein Stück weit mitgestalten dürfen, weil das die Motivation fördere. Klare Position bezieht der Bildungsrat auch bei den Reizthemen Noten und Hausaufgaben. Rund dreiviertel der erwachsenen Teilnehmer und fast 90 Prozent der Jugendlichen wollen Noten durch individuelles Feedback ergänzen und Hausaufgaben durch Vertiefungsstunden ersetzen.

Joachim Kottmann ist klar, dass die Empfehlungen nicht sofort umsetzen lassen. Aber die Schulen hätten in den vergangenen Jahren mehr Freiräume erhalten, wie sie sich aufstellen und Unterricht gestalten. „Schulen und Schulleitungen sind auf dem richtigen Weg“,sagt er.


Kontroverse Themen wie etwa gesunde Ernährung, Verkehr oder Bildung nicht nur Spezialisten zu überlassen, sondern auf einer breiten Basis zu diskutieren und daraus Handlungsempfehlungen zu erarbeiten – das ist die Grundidee von Bürgerräten. Entscheidungen treffen sie aber nicht. Die Räte können sowohl auf kommunaler Ebene, aber auch auf Landes- oder Bundesebene arbeiten. In Deutschland werden die Mitglieder per Losverfahren bestimmt, um so in den Bürgerräten möglichst einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden.

Befürworter sind überzeugt, dass Bürgerräte dazu beitragen können, Demokratie zu erleben und sie aktiv mitzugestalten. Kritiker befürchten, dass Bürgerräte die Bedeutung von Parlamenten und ihren gewählten Vertretern unterminieren könnten. Kritik gibt es außerdem am Losverfahren.