EngelskirchenDas Hochwasser der Leppe zerstörte ein Lebenswerk

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Ein kleiner Teil des Schadens in Engelskirchen.

Ein kleiner Teil des Schadens in Engelskirchen.

Engelskirchen – Die Leppe habe nicht weniger als sein Lebenswerk vernichtet, sagt Dr. Olaf Mensler. 2014 hat der Mediziner am Engelskirchener Lepperhammer eine gastroenterologische Gemeinschaftspraxis eingerichtet, am Freitag tragen der Mediziner und seine Helfer aus dem zerstörten Gebäude, was noch eben zu retten ist. Zwei Tage nach der Flut offenbart das große Aufräumen erst das Ausmaß der Schäden. In der Nacht zu Donnerstag ist ein etwa 100 Jahre alter Teil des Hauses eingestürzt, mitgerissen von der Leppe. Sie fließt unterhalb des medizinischen Zentrums und ein Stück weit auch darunter hindurch. Drei Arztpraxen teilen sich darüber 2000 Quadratmeter. „Wir helfen uns gegenseitig“, betont Mensler. „Und auch die Unterstützung aus dem Rathaus und von Nachbarn ist groß.“

„Wenn man plötzlich selbst betroffen ist, geht einem das besonders nahe“

Den Schaden bisher schätzt Eigentümer Ralf Rother auf zwei Millionen Euro sicher. Doch das sei eher vorsichtig. „Denn ob auch andere Bereiche so stark beschädigt sind, dass sie ebenfalls einstürzen könnten, ist noch nicht abzusehen.“ Rother zückt das Handy, zeigt einen Film: Krachend versinkt das rote Mauerwerk im einst schmalen Fluss. Er hat den Einsturz festgehalten, als er mit Sohn Tim telefonierte. Der ist Feuerwehrmann und nur wenige Minuten später mit dem Löschzug Engelskirchen genau dort im Einsatz: „Wenn man plötzlich selbst betroffen ist, geht einem das besonders nahe.“ Jetzt warten Vater und Sohn auf den Gutachter.

Lage hat sich entspannt

Strecke der RB 25 freigegeben

Die Strecke der Regionalbahn 25 zwischen Köln und Lüdenscheid ist nach Angaben der Deutschen Bahn seit dem späten  Freitagnachmittag wieder frei. Die Unwetterschäden seien beseitigt, allerdings könne es noch zu Verspätungen kommen. Bis zur Reparatur waren Ersatzbusse im Einsatz gewesen.

Entspannung an Talsperren

Die Lage an den Talsperren des Aggerverbands entspannt sich zusehends. Der Überlauf der Genkel reduzierte sich von 25 auf 15 Zentimeter. Das überschießende Wasser fließt in die Aggertalsperre, die noch ein Stauvolumen von 2,9 Millionen Kubikmetern hat. Laut Wetterradar soll es am Wochenende nicht zu neuen nennenswerten Niederschlägen kommen. Notfallteams bleiben aber in Bereitschaft. Starkregen und Hochwasser haben an Kläranlagen und Pumpwerken entlang von Agger, Leppe und Sülz erhebliche Schäden angerichtet, alle Klärwerke sind aber seit Freitagmorgen, 5 Uhr, wieder in Betrieb. Nach wie vor werden Durchlässe gesäubert und Gewässer von Schlamm und Geröll befreit.

Evakuierung aufgehoben

Die Stadt Hückeswagen hat am Freitagmorgen die Evakuierung der Wohnbereiche unterhalb des Beverdamms aufgehoben. Die Bewohner konnten in ihre Häuser zurückkehren. Der Damm gilt wieder als standsicher, ein Bruch sei nicht mehr zu befürchten. Wupperverband und Kreisverwaltung werden seinen Zustand aber weiter überprüfen.

THW auf der Heimreise

Die letzten Kräfte des Technischen Hilfswerks aus Bremen und Hannover konnten Freitagmittag die Heimreise antreten. Das DRK Oberberg hatte für sie eine Unterkunft im Franz-Dohrmann-Haus in Marienheide eingerichtet und sie versorgt. (kn)

Am rot-weißen Flatterband hat Menslers Mitarbeiterin Heike Frings gerade viel damit zu tun, Patienten und Impfwilligen zu erklären, dass die Praxen bis auf weiteres geschlossen sind. „Wir suchen nach Räumen, die wir nutzen können“, sagt sie. Etwa 100 Impftermine muss allein Mensler absagen, seine Kolleginnen bekommen nicht jeden ans Telefon. Und wer am Lepperhammer erscheint, der wird nach Gummersbach verwiesen. Aber Frings muss noch ganz andere wegschicken – Gaffer. „Die Schaulustigen kümmern sich wenig um die Absperrbänder, sie laufen weiter bis ans Wasser“, sagt sie und schüttelt den Kopf.

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Keine zwei Kilometer die Leppe aufwärts stehen die vergangenen Nächte auch Daniel Ueberberg und seiner Schwester Diana Olbrisch ins Gesicht geschrieben. Die Stunden Schlaf seither sind an wenigen Fingern abgezählt. Auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Firmengelände in der Blumenau haben Ueberberg und seine Mitarbeiter bereits ganze Arbeit geleistet: „Gute 40 Zentimeter tief hat es den Boden weggespült.“ Ueberberg verkauft Holzhäuser, Pavillons, Schuppen und Möbel für den Garten sowie Carports aus Metall. Das Gelände ist frisch geebnet. „Muss sein, neue Ware kommt“, sagt der Unternehmer knapp und ergänzt mit Blick auf die insgesamt schwierige Lage der Branche: „Zum Glück gibt’s überhaupt Ware für uns.“

Vieles hat die Leppe meterweit davongetragen oder ganz weggespült, beschädigt oder kaputtgemacht. Daniel Ueberberg: „Wir wissen nicht, was wir noch verkaufen können.“ Eine Baumgruppe ist vom Ufer verschwunden, eine alte Brücke zu einer der Hallen in sich zusammengebrochen. „Die stand wohl schon, als mein Opa hier eine Schmiede hatte.“ Jetzt muss sie weg. Und einen Schafstall hat das Wasser angehoben und um einen guten Meter verrückt. Diana Olbrisch wirft derweil den Hochdruckreiniger an, spült Bänke und Tische ab. Sie ahnt: „Es hätte am Ende viel, viel schlimmer können.“

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