- Bei welchem Wasserstand wird es kritisch?
- Wie reagiert der Verband auf das Niedrigwasser?
- Was ist mit Plänen für die neue Talsperren?
- Wir klären alle relevanten Fragen zum Thema Niedrigwasser
Oberberg – Am Donnerstag war es soweit: Am Tag, an dem der Aggerverband seine Bilanz für das zu Ende gehende Wasserwirtschaftsjahr vorstellte, ist der Füllstand der Wiehltalsperre erstmals in diesem Jahr unter 50 Prozent gesunken. Ein außergewöhnliches Wasserwirtschaftsjahr, das einige Fragen offen lässt.
Warum ist nach diesem trockenen Sommer noch Wasser in den Talsperren?
Weil es vorher mehr geregnet hat als sonst üblich. Mit Ausnahme von Februar und März seien die Monate von November bis April im langjährigen Vergleich sogar zu nass gewesen, erklärt Aggerverband-Vorstand Prof. Dr. Lothar Scheuer. Vor allem der Regen im April sei noch einmal wichtig gewesen, damit die Talsperren gut gefüllt waren: „So hatten wir eine relativ gute Ausgangsposition.“
Warum sind die Verantwortlichen beim Aggerverband immer noch entspannt?
Sie setzen auf den Winter. „Eigentlich ist das jedes Jahr so: Im Herbst sind die Talsperren leer, im Winter werden sie wieder voll“, sagt Verbandsvorstand Scheuer. Das liege auch daran, dass der Niederschlag, anders als im Sommer, nicht im Boden versickert, sondern in die Talsperren fließt.
Bei welchem Wasserstand wird es kritisch?
In der Wiehltalsperre befanden sich laut Aggerverband – Stand Mittwochmorgen – noch 15,93 Millionen Kubikmeter Wasser (Füllstand da noch 50,01 Prozent). In der Genkel- waren es 3,79 (46,24), in der Aggertalsperre, die nicht der Trinkwassergewinnung dient, 8,23 (48,27). Die Trinkwasserversorgung sei nach wie vor gesichert, betont Scheuer. Kritisch werde es erst, wenn der Füllstand unter ein Drittel sinke: „Dann gibt es in der Tiefe der Talsperre kein kaltes klares Wasser mehr, das wir für die Wasserversorgung verwenden können.“ Wärmeres Wasser, das vor allem im Sommer an der Oberfläche aufgeheizt wird, könne biologisch reagieren und sei anfällig für Bakterienwachstum. „Wenn wir daraus Trinkwasser gewinnen müssten, wäre der Aufwand zur Aufbereitung deutlich größer.“
Wie reagiert der Verband auf das Niedrigwasser?
Mit einem Antrag bei der Bezirksregierung: Nachdem der Füllstand unter 50 Prozent gesunken ist, möchte der Aggerverband jetzt die eigentlich vorgeschriebene Mindestabgabemenge der Wiehltalsperre unterschreiten – das heißt weniger Wasser als vorgesehen an die Wiehl abgeben. Darüber hinaus beteiligt sich der Verband an einem Forschungsprojekt, durch das neue Spielregeln bei Niedrigwasser festgelegt werden sollen. „Es soll ein zusätzlicher Parameter eingeführt werden, der es uns ermöglicht, unsere Talsperren bei niedrigeren Wasserständen besser zu bewirtschaften“, erklärt Scheuer. Das würde heißen: weniger Wasser für die Flüsse hinter den Trinkwassertalsperren.
Was bedeutet das für die Flüsse?
Wenn die Talsperren weniger Wasser abgeben, kann der Fluss als Lebensraum in Gefahr sein, weil der Pegel sinkt. Ein Beispiel aus dem Sommer sind jene Flussläufe, die anders als Agger oder Wiehl nicht an eine Talsperre angeschlossen sind. Sie waren wie die Dörspe zwischen Bergneustadt und Derschlag ausgetrocknet. Ein Problem, das auch der Verband sieht. Im Zweifel, sagt Scheuer, gehe aber die Sicherung der Trinkwasserversorgung vor.
Was ist mit Plänen für neue Talsperren?
In der Landesentwicklungsplanung ist nach wie vor der umstrittene Bau einer Naafbachtalsperre zwischen Neunkirchen-Seelscheid, Lohmar und Overath vorgesehen. Das Gelände, in dem der Aggerverband die notwendigen Grundstücke besitzt, ist aber europarechtlich als FFH-Gebiet geschützt. Selbst wenn die Talsperre trotzdem gebaut werden sollte, würde das mindestens 20 Jahre dauern. Die Idee einer Steinaggertalsperre ist sogar aus der Planung verschwunden. Stattdessen steht dort ein bis zu eine Million Kubikmeter fassendes Rückhaltebecken, das nur dem Hochwasserschutz dienen soll. Ohnehin, sagt Vorstand Scheuer, seien neue Talsperren nicht seine erste Idee zur besseren Trinkwasserversorgung.
Was ist die Alternative, um zukünftig mehr Wasser zur Verfügung zu haben?
Scheuer nennt bessere Verbindungsleitungen zu anderen Wasserverbänden: „Zum Beispiel über den Wahnbachtalverband bis zur Rheinenergie oder durch den Ausbau in Richtung Rhein-Wupper.“ Auch das Märkische mit einer großen Talsperre wie der Verse sei ein Reservoir: „Wir beliefern schon Meinerzhagen und Lüdenscheid. Da könnten wir auch Wasser in Gegenrichtung pumpen.“