Aufgewachsen in ReichshofHans-Gert Braun schreibt Buch über Kindheit im Krieg

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Damals und heute: In seinem Buch beschreibt Professor Dr. Hans-Gert Braun seine ersten elf Lebensjahre.

Damals und heute: In seinem Buch beschreibt Professor Dr. Hans-Gert Braun seine ersten elf Lebensjahre.

Reichshof – Er ist gut herumgekommen, hat viel von der Welt gesehen. Asien zum Beispiel, Lateinamerika etwa und besonders Afrika. Seine Wurzeln aber liegen in Denklingen, heute ein Ort der Gemeinde Reichshof. Da ist Professor Dr. Hans-Gert Braun aufgewachsen, geboren wurde der nun 78-Jährige in Waldbröl. Aber seine ersten elf Jahre haben ihn so stark geprägt, dass der frühere Chefvolkswirt einer international agierenden Entwicklungsbank und Professor der Volkswirtschaftslehre allein ihnen ein Buch gewidmet hat. Es trägt den nüchtern-pragmatischen Titel „Vor zwölf“.

Als eine Art Biografie will Braun, der heute im Kölner Stadtviertel Lindenthal lebt, sein Werk nicht verstanden wissen, sondern eher als ein Dokument der Zeitgeschichte: „Es soll jungen Menschen vor Augen führen, wie es war, im Zweiten Weltkrieg aufzuwachsen“, erklärt Hans-Gert Braun, der in Waldbröl das Hollenberg-Gymnasium besucht hat. Und den Eltern und Großeltern jüngerer Generation sollen seine Schilderungen helfen, noch einmal in die Jahre von 1942 bis 1953 einzutauchen, sie sollen Erinnerungen wecken und auch bei der Auseinandersetzung mit jener schwierigen Zeit im Bergischen helfen. Nach dem Abitur hat Braun Oberberg verlassen und ein Leben mit vielen Reisen und Ortswechseln begonnen.

Wohlbehütet und frei von Sorgen

In Denklingen aber steht das Elternhaus. Sein Vater Otto war als Rentmeister (Kämmerer) bei der damaligen Gemeinde Denklingen beschäftigt, seine Mutter Elise war Hausfrau. Sein Aufwachsen beschreibt Braun, der zudem als Berater auf dem gebiet der Entwicklungspolitik für die Bundesregierung gearbeitet hat, als wohlbehütet und durchaus frei von Sorgen: „Nur von anderen Kindern und Familien hörten wir, dass Menschen Not litten“, blickt Braun zurück.

Damals und heute: In seinem Buch beschreibt Professor Dr. Hans-Gert Braun seine ersten elf Lebensjahre.

Damals und heute: In seinem Buch beschreibt Professor Dr. Hans-Gert Braun seine ersten elf Lebensjahre.

Das mag auch daran gelegen haben, dass der Junge Hans-Gert seinen eigentlichen Mittelpunkt in Sterzenbach hat: Dort führen die Großeltern Clara und Eduard Jaeger einen Bauernhof, auf dem das Kind viel Zeit verbringt. Dieser Hof steht heute noch in dem Reichshofer Weiler, bewirtschaftet wird er von Helmut Benderscheid und seiner Frau Marlene, eine Cousine Brauns.

Beste Freunde

Dort findet Braun auch die ersten Freunde seines Lebens – Niklas, Senta und Rosa. Senta ist eine Jagdhündin, Rosa ein Pferd. „Niklas aber war ein Soldat aus der Ukraine, ein Kriegsgefangener, der den Großeltern als Zwangsarbeiter zugeteilt worden war“, schildert Braun. „Aber er gehörte zur Familie, wie eben alle anderen auch, die dort auf dem Hof arbeiteten.“

Er sei dem Ukrainer auf Schritt und Tritt gefolgt. Niklas sei vielleicht 30 Jahre alt gewesen, überlegt Braun, als dieser plötzlich verschwand, kurz vor dem Ende des Krieges sei er „abgeholt“ worden. „Ich hoffe, Niklas hat überlebt, meine vielen Fragen zu seinem Verbleib blieben ohne Antwort.“ Sein Opa Eduard sei ihm in jener Zeit übrigens ein Vater gewesen, da der richtige Vater sechs Jahre lang im Krieg war und dann auch in Gefangenschaft geriet. „Meine Oma starb leider als ich sieben war, das hat mich sehr berührt.“

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Bei der Gliederung der Kapitel hat vielleicht der Mathematiker aus dem Wissenschaftler Braun gesprochen, als er diese schrieb: Sie folgen zunächst den Jahren, dann orientieren sie sich an Orten, die dem Autor wichtig sind, der evangelischen Volksschule in Oberdenklingen gehört im Buch gleich ein ganzes Kapitel.

Buch soll bei Lesungen vorgestellt werden

Brauns ist Stil ist schnörkellos, eher dokumentarisch und dennoch liebevoll im Blick aufs Detail, zum Beispiel bei der Geschichte rund um das „Thrönchen“ und seine Benutzung als Kleinkind: Das wohltuende Lob für die tägliche Erfolge habe alsbald nachgelassen. „Tatsächlich habe ich kein Buch so flott geschrieben wie dieses“, sagt der Professor. Von Weiberfastnacht bis Karfreitag habe die Arbeit gedauert. Und sei die Corona-Pandemie vergangenen, will Hans-Gert Braun sein Buch auch bei Lesungen in Oberberg vorstellen. „Der Denklinger Heimat- und Verschönerungsverein hat bereits Interesse bekundet.“

Hans-Gerd Braun: „Vor zwölf – Kindheitserinnerungen an die ,schlechte Zeit’ im Oberbergischen“, Verlag Bücken-Sulzer (Overath), 183 Seiten, Preis: 12,50 Euro.

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