17 Jahre abgetauchtEntführung vor 20 Jahren führte auch nach Waldbröl

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Mehr als 20 Jahre nach einer Entführung wurde der Fall erneut in Bonn verhandelt.

Mehr als 20 Jahre nach einer Entführung wurde der Fall erneut in Bonn verhandelt.

17 Jahre war der Angeklagte abgetaucht. Dass er vor 20 Jahren bei einer Entführung mitmachte, sollte ihm jetzt nachgewiesen werden.

Mehr als 20 Jahre nach der Entführung eines Troisdorfer Geschäftsmannes ist jetzt ein 52-jähriger Tatverdächtiger vor der 10. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht vom Vorwurf des erpresserischen Menschenraubs freigesprochen worden.

Beteiligung konnte dem Angeklagten aber nicht mit der genügenden Sicherheit nachgewiesen werden

Die Tat spielte sich in Teilen auch in Waldbröl ab. „Wir sind weit davon entfernt, dem Mann auf der Anklagebank einen Heiligenschein zu attestieren“, sagte der Vorsitzende Richter Mark Eumann in der Begründung der Kammerentscheidung. In einem demokratischen Rechtsstaat gelte aber nun einmal der Grundsatz „In dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – und die Strafkammer habe eine Beteiligung des 52-Jährigen an der Entführung im September 2003 nicht mit der genügenden Sicherheit feststellen können.

Direkt nach der Verkündung des Freispruchs und der damit verbundenen sofortigen Entlassung aus der Untersuchungshaft versuchte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Haftbefehls zu verhindern. Nach einem Hinweis der Kammer, dass die Rechtslage dies nicht zulasse, zog sie den entsprechenden Antrag allerdings wieder zurück. Der Freigesprochene war 17 Jahre lang untergetaucht und wurde erst im vergangenen Jahr verhaftet. Er hatte unter falschem Namen weiterhin in Troisdorf gelebt; seine falsche Identität war erst nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin ans Licht gekommen.

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Zwei andere Männer waren bereits vor Jahren zu Haftstrafen verurteilt worden

Zwei andere Männer waren für die Tat bereits am 1. September 2004 und am 27. April 2006 ebenfalls vor dem Bonner Landgericht zu Haftstrafen von fünf beziehungsweise sieben Jahren verurteilt worden. Das Verfahren gegen einen dritten war eingestellt worden, nachdem der Mann in den Niederlanden wegen weiterer Verbrechen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Die Entführung hatte sich im Jahr 2003 zugetragen: Am Abend des 7. September 2003 hatten die beiden 2004 und 2006 Verurteilten den Geschäftsmann in dessen Troisdorfer Wohnung besucht: Sie wüssten, dass er viel Geld mit illegalen Geschäften und Prostitution russischer Frauen verdiene, ließen die Männer den Mann wissen, der seinen Lebensunterhalt zumindest offiziell mit dem Betrieb eines kleinen Transportunternehmens bestritt.

Mit einem in die Hüfte gedrückten waffenähnlichen Gegenstand nötigten die beiden ihr Opfer, mit ihnen zu einem Wagen zu gehen, in dem der dritte Beteiligte wartete. Die Fahrt ging zum Allner See im nahe gelegenen Hennef, wo man anhielt, um zu telefonieren. Dass es sich bei dem Mann am anderen Ende der Leitung um den nun Freigesprochenen handelte, hatte dieser gegen Ende des Verfahrens zugegeben. Für die Annahme der Anklage, dass der heute 51-Jährige seine mutmaßlichen Komplizen am Telefon weiter instruiert haben könnte, fand die Strafkammer aber keine Belege.

Fahrt ging weiter nach Waldbröl

Weiter ging die Fahrt Richtung Waldbröl. An einem Waldweg verlangten die Erpresser nun massiv Geld. Der Entführte erklärte, er sei in der Lage, kurzfristig 10 000 Euro zu beschaffen und organisierte telefonisch die Übergabe der Summe auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Spich. Von der Beute will alleine der Fahrer 3000 Euro abbekommen haben, wie der Mann, der seine Strafe in den Niederlanden mittlerweile abgesessen hat, als Zeuge in dem aktuellen Verfahren ausgesagt hatte. Das lasse es tatsächlich unplausibel erscheinen, dass der 52-Jährige, wie von der Staatsanwaltschaft angenommen, als Drahtzieher hinter der Entführung gesteckt habe, führte Eumann die Begründung des Freispruchs weiter aus.

Dass der Troisdorfer ein Unschuldslamm sein könnte, glauben die Richter allerdings nicht: Man halte eine Beteiligung des Freigesprochenen an der Tat mindestens für so wahrscheinlich wie seine Unschuld, so Eumann. Für eine Verurteilung reiche das aber nicht aus. Für die Untersuchungshaft ist der Mann nun zu entschädigen.

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