Der Bundesgerichtshof hat den Schuldspruch gegen einen Vergewaltiger aus Siegburg aufgehoben. Der Fall muss neu verhandelt werden.
BGH hebt Schuldspruch aufVergewaltiger aus Siegburg muss erneut auf die Anklagebank

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe muss das Verfahren gegen einen Vergewaltiger aus Siegburg neu aufgerollt werden.
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Vor zweieinhalb Jahren hatte das Bonner Landgericht einen damals 42-jährigen Siegburger, der wiederholt junge Frauen vergewaltigt hatte, zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Richter ordneten auch wegen der Gefährlichkeit des Sexualstraftäters eine Sicherungsverwahrung an, um die Allgemeinheit vor ihm zu schützen. Die Verteidigung jedoch focht das Urteil an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Schuldspruch jetzt aufgehoben und vor allem die Richtigkeit der Sicherungsverwahrung bezweifelt. Begründung: Der Angeklagte sei nicht ausreichend psychiatrisch begutachtet worden. Auf dieser Grundlage sei eine Sicherungsverwahrung nicht zu verhängen.
Vor einer anderen Kammer des Bonner Landgerichts wird das Verfahren neu aufgerollt. Acht Verhandlungstage hat die 11. Große Strafkammer angesetzt, um den Fall des heute 45-Jährigen erneut zu prüfen. Dabei spielt die Vorgeschichte des Mannes eine entscheidende Rolle: Denn im Oktober 2009 bereits war er vom Landgericht Wuppertal zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. In Solingen hatte der damals 29-Jährige eine 16-jährige Schülerin auf dem Schulweg überfallen, sie in seinem Elternhaus ans Bett gefesselt und vier Tage lang vergewaltigt. Die junge Frau war im vierten Monat schwanger. Die Schülerin konnte sich retten, weil er das Haus einmal verlassen und zuvor ihre Fesseln gelockert hatte.
Das höchste Schmerzensgeld für ein Vergewaltigungsopfer in Deutschland
Der Angeklagte, ein arbeitsloser Verkäufer, hatte im Prozess damals die Vergewaltigung gestanden, ein Gutachter bezeichnete ihn als „schizoiden Einzelgänger“ und erklärte ihn für voll schuldfähig. Später verurteilte ihn eine Zivilkammer zudem zu einer Zahlung von 100 000 Euro Schmerzensgeld, die er auch selbst zahlen musste. Seine Eltern sollen vermögend sein, er selbst soll Immobilien besitzen. Das verhängte Schmerzensgeld war seinerzeit das bislang höchste in Deutschland für ein Vergewaltigungsopfer.
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Im Oktober 2021 wurde der Angeklagte aus der Solinger Haft mit Auflagen entlassen: Er stand unter Führungsaufsicht und musste eine elektronische Fußfessel tragen. Zunächst landete er in einer Obdachlosenunterkunft in Siegburg, lernte Weihnachten 2021 eine 19-Jährige kennen, mit der er nach zwei Monaten zusammenzog. Als die Beziehung fünf Monate später endete, wollte die Kripo von der jungen Frau wissen, wie das Zusammenleben mit dem Mann gewesen sei. Sie gab an, dass der Sex durchaus einvernehmlich gewesen sei, doch habe er sie zweimal zu Praktiken gezwungen, die sie nicht gewollt habe und die schmerzhaft gewesen seien.
Nach dieser Aussage landete der 42-Jährige erneut vor Gericht: Da der Angeklagte sich zunächst nicht befragen lassen wollte, hatte der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten auf Grundlage der Gerichtsverhandlung erstellt. Als der geständige Angeklagte am Ende des Verfahrens bereit war, sich doch noch begutachten zu lassen, hielt die Kammer das nicht mehr für erforderlich und verurteilte ihn – nach 13 Verhandlungstagen – wegen wiederholter Vergewaltigung zu der Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Nach Ansicht des 2. Senats des BGH haben die Bonner Richter zwar den Richtigen verurteilt, aber mit dem Verzicht auf ein weiteres Gutachten einen „Fehler in der Rechtsfolge“ gemacht.

