Aufbau an anderem OrtGladbacher rettet Fachwerkhäuser vor der Abrissbirne

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Fachwerkensemble in Sand: Rechts das Wohnhaus der Familie, links ein wiederaufgebautes Bauernhaus aus Hebborn.

Fachwerkensemble in Sand: Rechts das Wohnhaus der Familie, links ein wiederaufgebautes Bauernhaus aus Hebborn.

Bergisch Gladbach – Markus Hetzenegger liebt Puzzles – aber nur, wenn sie mindestens haushoch sind. Die Leidenschaft des Kaufmanns aus Sand gehört alten Fachwerkhäusern. Wenn irgendwo eines vom Abbruch bedroht ist, dann kann es sein, dass er auch schon mal spontan mit seinen Mitstreitern anrückt, um es vor der Abrissbirne zu bewahren.

Fragil ist die Holzkonstruktion des Fachwerks in Kürten-Keller nach dem Abbau der Wände.

Fragil ist die Holzkonstruktion des Fachwerks in Kürten-Keller nach dem Abbau der Wände.

Damit der Aufbau an einem neuen Ort, das Fachwort dafür ist translozieren, auch gelingt, werden alle Balken und Träger vor dem Abbau fein säuberlich nummeriert. Zusätzlich fotografiert Hetzenegger, wie was vor dem Abtragen aussah, welche Tür wo eingehängt war, welche Wand welche Tapete hatte. „Es ist mir wichtig, so viel wie möglich originale Bausubstand zu erhalten“, sagt er. Aber auch die Geschichten der Bewohner, alte Familienfotos, Chroniken sammelt er. Für jedes seiner abgebauten Häuser hat er eine eigene Box angelegt, in der sich Informationen über Gebäude und die Menschen, die darin gelebt haben, befinden.

Zwei Kühe im Haus

Das soll auch beim Fachwerkhaus, das derzeit an der Herkenrather Straße wieder aufgebaut wird, so sein. Sein aktuelles Projekt stand bis 2015 noch in Kürten-Dürscheid, im Keller 1. Die heutige Besitzerin Marianne Schütze hat ihm die Balken und Steine geschenkt. Wie alt das Haus Keller 1 ist, kann niemand sagen, es gibt keinen Türsturz, an dem man das ablesen könnte. „Die letzte Bewohnerin des Hauses, Anna Meier, hielt bis in die 80er-Jahre hinein noch zwei Kühe in dem im Haus liegenden Kuhstall“, berichtet Hetzenegger. Das, was früher im Bergischen normal war, klingt heute kurios. Entsprechend sahen jedoch die Steine im ehemaligen Kuhstall aus.

Das Fachwerk dort war schon lange vor dem Abbruch durch gemauerte Wände ersetzt worden. Beim Wiederaufbau konnte man die durch die Kuhausscheidungen in Mitleidenschaft gezogenen Mauern nicht mehr nutzen. Stattdessen sind dort Steine aus dem Backsteinhaus verbaut, das bis vergangenes Jahr in Bensberg am Markt das Reisebüro Orzel beherbergte. „Mein Schwiegervater und einige Helfer haben die Steine mit der Hand vom alten Putz befreit, bevor wir sie wiederverwenden konnten“, berichtet Hetzenegger.

Derart emsige Helfer hat er einige, „denn ich kann ja nur an meinem freien Tag oder in den Ferien mitmachen“. Norbert Stark, Hans-Josef Berger, Hanno Berger, Jozef Koslowsky und Holger Gunia gehören zu dieser Gruppe. „Damit wir auf eine heute übliche Deckenhöhe von 2,4 Metern kommen, haben wir das Fundament aus Bruchsteinen durch die Steine aus dem abgerissenen Gewölbekeller ergänzt“, erklärt der Bauherr. Aus dem alten Schweinestall vor dem Haus wird künftig ein Abstellraum für Fahrräder oder Mülltonnen. Der ehemalige Kuhstall kann bald als Wohnraum genutzt werden. Das Haus wird er nach der Fertigstellung vermieten.

Puzzle zusammensetzen

Am Gebäude ist derzeit der Kürtener Zimmermann Ralf Koch mit seinen Leuten dabei, das Puzzle wieder zusammenzusetzen, die Holzbalken wieder an ihren ursprünglichen Ort zu stellen. Schadhafte Balken hat Zimmermann Koch durch andere ersetzt. „Alte Eichenbalken verändern sich nicht mehr, die sind sehr hart, jüngeres Holz arbeitet noch. Dadurch kann es zu Setzrissen kommen, deshalb versuchen wir, das möglichst zu vermeiden“, erklärt der 50-Jährige, der im Lauf der Jahre ein ganzes Lager an alten Balken und Ziegeln angesammelt hat. So werden einige Balken der abgebrochenen Lerbacher Mühle künftig einen Teil des Hauses an der Herkenrather Straße tragen. Die Hohlziegel, die demnächst das Dach schmücken, sind ebenfalls historisch, sie sind vom Bauernhof Gut Schiff. Danach werden die Lücken im Holzskelett nach alter Manier ausgefacht, also mit Stroh und Lehm verschlossen. Darauf kommt ein Lehmunterputz, eine Dämmung aus Holzfaser, und dann erst folgt der Oberputz, auf den die Lehmfarbe aufgetragen werden kann.

„Die Leute sagen manchmal, ich sei bekloppt. Wirtschaftlich gesehen haben sie sicherlich auch Recht. Mir geht es aber nicht darum, möglichst viel Geld mit den Häusern zu machen, mir ist es wichtiger, ein Stück Heimatgeschichte zu erhalten“, erklärt der Vater von bald vier Kindern seine Motivation. Auch wenn die Häuser, die er vor dem Abbruch gerettet hat, nicht unter Denkmalschutz gestellt werden können, weil sie transloziert wurden, er hat sie zumindest für die Nachwelt erhalten. So wie an seinem Privathaus ein Stück des 2009 abgerissenen Hauses Kradepohl weiterlebt: die ehemalige Schwelle des alten Fachwerkhauses, an dessen Stelle in Gronau jetzt eine Waschanlage steht. Hetzenegger: „Ich würde mich freuen, wenn jemand noch alte Fotos oder andere Dokumente vom Keller 1 hat, wenn er mir diese zur Verfügung stellen könnte.“

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