Abo

„Musste dringend aufs Klo“Overather muss nach Raserei 18 Monate nach Rösrath zur Arbeit radeln

Lesezeit 3 Minuten
Archivaufnahme vom Radweg zwischen Untereschbach und Hoffnungsthal.

Die Landstraße durch das Sülztal nutzte ein Overather Autofahrer als Rennpiste. Danach hieß es für ihn 18 Monate radeln.

An der Polizeiwache vorbei durchs Sülztal gerast war ein junger Overather. 18 Monate waren Lappen und Auto weg, jetzt stand er vor Gericht.

Seine Höllenfahrt durch das Sülztal zwischen Hoffnungsthal und Untereschbach würde der 24-jährige Overather heute gewiss nicht noch einmal unternehmen. Denn der Facharbeiter hatte zwar das Glück, nicht aus der Kurve zu fliegen und auch sonst keinen Unfall zu bauen, aber das Pech, dass ihn die Fahrt über die Landstraße an einem schmucklosen Zweckbau in Untereschbach vorbeiführte, in dem das Auge des Gesetzes residiert — und zum Glück der schwächeren Verkehrsteilnehmer niemals schläft.

144 Kilometer pro Stunde in Papas Passat

Jetzt stand Ömer G. (Namen geändert) wegen seiner Tour von September 2022 vor dem Bensberger Amtsgericht. Die Anklage warf dem gebürtigen Gladbacher ein Kraftfahrzeugrennen mit sich selbst vor: Er habe mit seinem VW Passat rücksichtslos die höchstmögliche Geschwindigkeit erzielen wollen und sich kein bisschen um den Rest der Welt gekümmert.

Bis zu 144 Kilometer schnell sei der Overather am Abend des 23. September 2022 unterwegs gewesen, als Beamte der Polizeiwache Untereschbach gegen 23.35 Uhr die Verfolgung aufnahmen. Wo Tempo 70 erlaubt war, fuhr er 112, er überholte im baustellenbedingten Überholverbot, kam von der eigenen Spur ab und wäre fast mit dem Wagen eines entgegenkommenden Polizisten kollidiert, bis er dann nach 1,4 Kilometern endlich an einer roten Ampel stoppte.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Strafverteidiger tappt in die doppelte Bensberger Parkplatzfalle

Mit seinem Fahrstil habe er bewiesen, dass er zum Autofahren ungeeignet sei, schrieb die Kölner Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Den Führerschein hatten die Behörden schon unverzüglich nach der Tat auf Beschluss des Kölner Amtsgerichtes einkassiert, ebenso den Wagen.

Vor Gericht wirkte der junge Mann ganz klein mit Hut und war nervös. Sein Vater saß im Zuschauerraum. Sein Verteidiger geriet zunächst in die aktuelle doppelte Bensberger Parkplatzfalle: Durch die Großbaustelle an der Schloßstraße sind die Parkplätze ohnehin schon knapp, gleichzeitig hat aber die Stadt einen weiteren Teil ihrer bisher öffentlichen Tiefgaragenparkplätze in der Schlossberggarage gegenüber vom Gericht an Privatunternehmen vermietet.

Er wollte kein Rennen mit sich selbst fahren. Vielmehr kam er von der Spätschicht und musste ganz dringend aufs Klo.
Strafverteidiger erklärt die Raserei seines Mandanten

Als der verspätete Verteidiger dann endlich auch da und die Anklage verlesen war, machte er deutlich, dass der Prozess kurz werden könne, weil sein Mandant die Raserei zugebe. Der Jurist: „Er wollte allerdings kein Rennen mit sich selbst fahren. Vielmehr kam er von der Spätschicht und musste ganz dringend aufs Klo.“

Auf diese Einlassung reagierte Richterin Simona Sünnemann erst einmal sehr skeptisch und bezog sich auf Videoaufnahmen, die Polizei während der Verfolgungsfahrt gefertigt hatte: „Den Eindruck einer drängenden Notdurft hat man aber nicht, wenn man das Gehopse und Gehampel im Auto sieht.“ Die Staatsanwältin wies den jungen Raser darauf hin, dass er enormes Glück gehabt habe, dass nichts weiter passiert sei.

„Sie haben wohl Glück, dass da niemand so unterwegs ist, wie Sie es waren.
Staatsanwältin zum täglichen Arbeitsweg des jetzt radelnden Angeklagten

Seit der Fahrt und der folgenden Führerschein-Beschlagnahme hatte Ömer G. intensiv und häufig Gelegenheit, die Verkehrssituation auf der Landstraße aus neuer Perspektive zu betrachten: Er fährt täglich mit dem Rad nach Rösrath zur Arbeit, nur wenn mal ganz stark regnet, bringt ihn der Vater.

„Sie haben wohl Glück, dass da niemand so unterwegs ist, wie Sie es waren“, merkte die Staatsanwältin an, um das Verfahren dann abzukürzen: Anderthalb Jahre ohne Führerschein seien für den bis dahin nicht vorbestraften jungen Mann genug. Wenn er auf etwaige Entschädigungsansprüche verzichte, könne er die Fahrlizenz zurückbekommen – das Auto, das offiziell seinem Vater gehört, allerdings nicht, denn das werde als Tatwerkzeug eingezogen. Zudem forderte sie 3000 Euro Geldstrafe.

Die letzten anderthalb Jahre auf dem Fahrrad waren echt hart.
Angeklagter in seinem letzten Wort

Der Verteidiger fand den Vorschlag so gut, dass er sich anschloss, und der Angeklagte bekundete im letzten Wort: „Ich habe aus jedem Fall daraus gelernt. Die letzten anderthalb Jahre auf dem Fahrrad waren echt hart.“

Richterin Sünnemann verkündete schließlich die allseits geforderte Strafe für die Tat, die gesetzlich eben doch ein verbotenes Wettrennen mit sich selbst war, und händigte dem Verteidiger die Führerschein-Karte des Angeklagten zurück.     Der wiederum nahm das Urteil sofort an.

Rundschau abonnieren