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Größtes NRW-RenaturierungsprojektDie Verlegung der Erft zwischen Erftstadt und Kerpen hat begonnen

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist ein Fluss im Grünen. 

So sieht die Erft bei Kerpen aus.

Aus bisher zwei Kilometern Flusslauf sollen 5,5 Kilometer werden. Ende kommenden Jahres sollen die Arbeiten beendet sein.

Wer vom Aussichtsturm im Naturparkzentrum Gymnicher Mühle schaut, bekommt eine Vorstellung davon, wie sich dort die Erft durch die Aue schlängeln soll. Im Moment allerdings kann von Idylle keine Rede sein, Bagger und Planierraupen bestimmen das Bild.

Ende August haben die Erdarbeiten begonnen für die Verlegung der Erft zwischen Erftstadt und Kerpen. Sie ist nicht nur das bisher größte Renaturierungsprojekt des Erftverbandes, sondern das größte in Nordrhein-Westfalen. Aus bisher zwei Kilometern Flusslauf sollen 5,5 Kilometer werden. Ende kommenden Jahres sollen die Arbeiten beendet sein, sagt Projektleiterin Ruth Haltof – das klingt nach einem ambitionierten Zeitplan. Denn mit dem Ausheben des neuen Betts für den Fluss ist es nicht getan.

Erst einmal wird die oberste Bodenschicht abgetragen. Sie wird später genutzt, um Wälle zu modellieren oder auch um den dann verfüllten Flutkanal abzudecken. Abtransportieren darf der Erftverband das Material nicht, weil es mit Schwermetallen belastet ist. Als Nächstes wird der Schluff ausgehoben. Schluff ist eine Bodenart aus fein verwittertem Gestein. Die Körnchen sind kleiner als bei Sand, aber größer als bei Ton. Und dann wird die Kiesschicht abgebaggert.

Risiko der Versickerung: Schluff dichtet gewissermaßen Flussbett ab

Wieder eingebaut wird beides in umgekehrter Reihenfolge. Erst der Schluff, der verdichtet wird. „Wir haben unter der Fläche kein Grundwasser, da besteht das Risiko, dass das Wasser der Erft einfach versickert“, erklärt Ruth Haltof. Der Schluff dichtet also gewissermaßen das neue Flussbett ab. Darauf kommt dann wieder der Kies als neues Bett der Erft. Die darf ihren Lauf darin selbst gestalten, Kiesbänke zusammenschieben oder sich stellenweise tiefer eingraben.

Wenn das Wasser in die neue Aue geleitet ist, wird der bisherige, schnurgerade Flusslauf – genauer gesagt: der Flutkanal – leergepumpt. Das Wasser landet wieder in der Erft, wie auch die Fische, die vorher herausgefangen werden. Der Kanal wird aufgefüllt, wie gesagt, mit dem ausgehobenen Boden abgedeckt und begrünt. Die alten Sperranlagen bleiben erhalten, nahe des Abzweigs der Kleinen Erft wird eine neue gebaut, der Abzweig selbst wird in die Wiese dort verschoben.

Dort entsteht zudem ein Raugerinne. Was das ist und wie es funktioniert, erklärt die Expertin. Die Kleine Erft liege höher, daher ergebe sich relativ starkes Gefälle auf kurzer Strecke in den neuen Flusslauf. Das Raugerinne seien mehrere Riegel mit Minibecken, in denen sich bei niedrigem Stand Wasser sammele. Bei höherem Pegelstand könnten sie aber auch komplett überflutet sein. Sie ermöglichen es Fischen, im Fluss auf- oder abzusteigen. Haltof: „Meist werden mit solchen Gerinnen Sperranlagen umgangen, hier legen wir sie mitten im Fluss an.“

Zu sehen ist der neue Lauf eines Flusses.

Schon jetzt ist der neue Flusslauf zu erkennen.

Spaziergänger und andere Naturinteressierte werden die neue Aue, die sich entwickeln soll, erstmal nicht betreten können, sie wird eingezäunt. Erst einmal solle die Erft sich dort entwickeln können, sagt Ruth Haltoff. Beispiele, wie der Fluss sein Gesicht verändert und wie viele neue Lebewesen er dann anzieht, kann man bei Bergheim oder auch bei Neuss anschauen. In Euskirchen liegt ein Stück Renaturierung mitten in der Stadt, dort ist ein Wasserpark entstanden, den vor allem Familien gern besuchen.

Die Renaturierung nahe der Gymnicher Mühle hat eine lange Vorgeschichte. 2019 hatte der Erftverband die Pläne, den Flutkanal aus seiner Zwangsjacke zu befreien, vorgestellt. Rhein-Erft-Kreis und Erftverband hatten zwischen der Gymnicher Mühle und dem Wehr bei Kerpen-Brüggen eine Fläche von 85 Hektar gekauft. Geplant war dort vorher ein Golfplatz. Im nächsten oder übernächsten Jahr werde mit dem Bau begonnen, hieß es damals.

Doch es sollte bis April 2022 dauern, bis die Bezirksregierung Köln den Planfeststellungsbeschluss erließ. Da hatten erste Arbeiten bereits mit einer vorläufigen Genehmigung begonnen. Aber erst mit dem grünen Licht aus Köln der Ausführungsplan erstellt werden, dann mussten die Arbeiten ausgeschrieben und die Aufträge vergeben werden.

Ruth Haltof ist optimistisch, dass der neue Zeitplan jetzt eingehalten wird. Samt Verfüllen des Flutkanals. Und neue Brücken sollen bis dahin auch gebaut sein.