Die 56-Jährige wollte erneut zur Wahl antreten, ihre Partei stellte kurzfristig Gerd Koslowski auf. Sie zeigt sich tief enttäuscht über die CDU Frechen.
InterviewBürgermeisterin Susanne Stupp (CDU): „Ich war fassungslos und maßlos verletzt!“

03.05.2023 Frechens Bürgermeisterin Susanne Stupp wünschte sich eine dritte Amtszeit, um weiterhin ihre Heimatstadt zu vertreten und voranzubringen. Die CDU Frechen entschied sich gegen sie.
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Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?
Der 31. Oktober. Und meine letzte Amtshandlung wird um 16 Uhr eine Trauung sein. Das ist ein schöner Verwaltungsakt, mit dem ich das Haus verlassen kann.
Sie hatten ganz deutlich öffentlich kommuniziert, für eine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen. Wie haben Sie die überraschende Entscheidung der CDU erlebt, sich für einen anderen Kandidaten, Gerd Koslowski, zu entscheiden?
Ich war fassungslos. Aber ich möchte vorwegschicken, dass es völlig in Ordnung ist, wenn eine Partei ihre Strategie ständig überprüft und auch korrigiert. Und dazu hat auch die CDU Frechen nicht nur das Recht, sondern auch die verdammte Pflicht. Bei Strategieveränderungen gibt es Gewinner und Verlierer, auch das ist klar. Und: Verlierer sein ist nicht so schön wie Gewinner sein.
Ich habe natürlich ganz tief drinnen den Traum geträumt, dass ich bis zu meiner Rente auf diesem Platz sitze. Es ist mir aber völlig klar, dass in der Kommunalpolitik alle fünf Jahre alles komplett auf den Prüfstand kommt.
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Was mich aber maßlos verletzt hat, ist, dass man eben nicht gesprochen hat. Ich habe genau eine Woche vor der Nominierungsveranstaltung das erste Mal vom Parteivorsitzenden Thomas Okos Andeutungen gehört. Es hieß, es könnte Diskussionen geben, das war für mich völlig ok, denn eine Partei soll diskutieren.
In dem Gespräch gab es auch die ersten Hinweise, dass es eventuell auch andere Kandidaten geben könnte. Das hat mich natürlich unheimlich überrascht, weil ich ja vorher mehrfach gefragt worden bin und mehrfach gesagt habe: „Ich stehe zur Verfügung.“
Damals fiel auch erstmals der Name Gerd Koslowski und ich habe versucht, ihn zu erreichen – ich kenne ihn auch schon sehr lange. Wir haben dann telefoniert und er hat er mir gesagt, was er vorhat. Da ist man dann natürlich auch an dem Punkt zu sagen: „Na und, dann kämpfe ich.“ Aber es gab an dem Tag noch weitere Anrufe aus der CDU. Mir war relativ schnell klar, das ist schon alles geregelt. Dann habe ich erklärt, dass ich nicht mehr antrete.
Die Geschichte lief wohl schon länger, das habe ich in der letzten Zeit durch Gespräche erfahren und ich bin so enttäuscht, dass man sich nicht einfach zusammengesetzt hat. Und mir dann die Frage zu stellen: „Willst du ernsthaft nach wie vor kandidieren?“ Die Entscheidung hat man mir halt genommen. Genau das hat mir weh getan.
Ich erwarte nicht, dass man mir jeden Tag Blumenkränze umhängt vor lauter Dankbarkeit. Aber ich habe zehn Jahre lang einen harten Job gemacht, auch unter sehr harten persönlichen Bedingungen. Das wenigste, was ich erwartet hätte, wäre Respekt. Vielleicht ist das aber auch mein eigener Anspruch an Menschen.
Die Art und Weise hat mich sehr verletzt.
Wie waren die Reaktionen Ihrer Parteikollegen?
Da war kein Aufschrei der Empörung. Es gibt einen sehr großen Kreis, der dazu geschwiegen hat. Vier haben angerufen und ihr Bedauern ausgedrückt, denen ich das auch glaube. Aber gemessen an all denen, die nicht angerufen haben, spricht das jetzt halt auch dafür, dass sich unsere Wege nun trennen müssen.
Bleiben Sie denn CDU-Mitglied?
Ja, ich bin vor 40 Jahren nicht in die CDU eingetreten, weil es die CDU Frechen gibt, sondern weil es die CDU gibt, von deren Grundwerten ich nach wie vor überzeugt bin.
Wollen Sie weiter in Frechen politisch aktiv sein?
Ich möchte überhaupt nicht mehr Politik machen. Auch wenn ich wahrscheinlich mein Leben lang ein „political animal“ bleibe.
Sie haben sich in einem sehr emotionalen Schreiben nach dem Rückzug Ihrer Kandidatur von den städtischen Mitarbeitern verabschiedet. Wie waren da die Reaktionen?
Die waren toll. Das war besonders. Ich habe auch, über alle Parteien hinweg, viele tolle Reaktionen von Bürgermeisterkollegen erhalten. Und ich hatte ein ganz tolles Telefonat mit meinem Ex-Chef Jürgen Rüttgers. Er hat mir ganz deutlich gesagt, dass er so etwas noch nie erlebt hätte. Er hat mir geraten: „Jetzt gehen Sie raus und verkriechen sich nicht zu Hause. Auch wenn die Partei Sie vielleicht nicht mehr will, die Leute da draußen, wollen Sie noch gerne sehen.“ Das hat mir sehr gutgetan.
Wie sehen Sie die Chancen für Gerd Koslowski?
Dazu sage ich nichts.
Und wen wünschen Sie sich als Ihren Nachfolger?
Auch dazu sage ich nichts. Ich habe natürlich lange darüber nachgedacht. Am 14. September stehe ich dann da mit den Stimmzetteln und ich kann ganz deutlich erklären, dass ich Frank Rock (CDU-Landratskandidat) wähle. Bei allen anderen Stimmzetteln (Bürgermeister- und Ratswahl) weiß ich es noch nicht.
Gab es in den vergangenen Jahren Lieblingsprojekte von Ihnen?
Meine zehn Jahren waren ja eher so, dass ich eine Krise nach der anderen zu bewältigen hatte. Also von dem großen Paket der Ideen und Planungen, die ich vor zehn Jahren mal mitgebracht habe, habe ich ganz schnell lassen müssen. Aber: ich bin menschlich total bereichert worden. Es gab Tausende von Begegnungen mit Menschen, da habe ich viel gelernt.
Haben Sie schon Pläne für die Zeit ab November?
Nein, ich gebe Gas, etwas Berufliches zu finden, noch habe ich nichts. Alle sagen, mit deinen Kontakten ist das leicht und sehen mich dann in Aufsichtsräten sitzen. Die Realität ist nicht so. Noch ist alles offen.
Ich wünsche mir von Herzen, dass ich nochmal etwas finde, was mich in der Sinnhaftigkeit so ausfüllt wie das Bürgermeisteramt. Bürgermeisterin war wirklich mein Lieblingsberuf. Nichts erfüllt so sehr wie Kommunalpolitik, sie ist ganz nah am Menschen dran.
Wie sehen Ihre letzten Arbeitswochen aus?
Ich habe für mich den Anspruch, meinem Nachfolger möglichst nicht allzu viele offene Themen hier noch liegen zu lassen. Das ist nicht immer möglich, aber ich sage jetzt nicht, das interessiert mich doch alles nicht mehr, soll der andere damit klarkommen.
Gehört dazu auch die Unterzeichnung des Pachtvertrags für die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Königsdorf?
Ganz offen und ehrlich kann man ja sagen, ich dachte, wir wären da schon längst weiter. Mit dem zeitlichen Druck, den man uns von Seiten der Bezirksregierung gemacht und uns immer wieder gedrängt hat, dass wir das ganz schnell machen müssen und ich diese zeitliche Herausforderung ja auch an den Rat weitergegeben habe, erlebe ich jetzt eine Phase, wo wir alles getan haben, aber der nächste wichtige Schritt fehlt: Gutachten, zum Beispiel zum Thema Naturschutz und Waldbrandgefahr, um den Menschen Sorgen und Ängste zu nehmen. Es können dann ja erst alle Fragen beantwortet werden, wenn hier im Haus der entsprechende Bauantrag vorliegt. Im Moment können wir nichts tun. Wir hoffen auf eine Benehmensherstellung zum Ende der Sommerferien.
Was liegt Ihnen noch am Herzen?
Ich wünsche mir eine klarere Haltung aller Fraktionen zur AfD, da bin ich doch noch zu sehr Politikerin. Keiner hier äußert sich dazu oder hält dagegen. Völlig unfassbar. Ich erlebe immer nur, als müsste man sich da politisch nicht mit auseinandersetzen. Das macht mich ein Stück fassungslos.
Und ich wünsche mir von dem neuen Rat mehr Haltung. Der alte Rat, auch die letzten zehn Jahre, hatte ein völlig falsches Rollenverständnis. Der Rat ist die oberste Instanz hier, er sagt, was in der Stadt passiert, und die Verwaltung kümmert sich dann um das Wie. Hier ist das ja völlig auf den Kopf gestellt. Hier wird erstmal gezweifelt, kritisiert und vertagt anstatt zu entscheiden. Der neue Rat soll der Verwaltung einfach mal wieder vertrauen und die Haltung bewahren, Entscheidungen durchzuziehen.
Haben Sie das auch bei der CDU Frechen in den letzten Monaten vermisst?
Ja, klar. Ich habe dieser Fraktion immer gesagt, jede Entscheidung, die wir jetzt treffen werden, wird eine schwierige Entscheidung sein. Man braucht einfach eine Politik, die eine gewisse Flughöhe hat, die sagt, das ziehen wir jetzt aber auch durch. Wir haben uns aber, wie man in einer Beziehung sagen würde, auseinander gelebt.
Was bleibt von Ihrer Arbeit?
Ich habe hier meinen Job gemacht, das gerne und ich werde ihn vermissen. Aber ich habe hier nichts gemacht, um mir ein Denkmal zu setzen. Ich habe eine fantastische Aufgabe gehabt, das war mein Beruf und meine Berufung.