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KonzertWedeln statt klatschen - Applaus für gehörlose Künstler

Lesezeit 3 Minuten

Frechen – „Sula, suna, ja na su.“ In der voll besetzten Königsdorfer Kulturkirche hörte das Publikum zuerst nur Stimmübungen von hinten zum Auftakt der Konzertreihe „Musik in Sebastianus“. Aber der vielstimmige Gesang klang schon richtig gut, als der Chor Brückenschlag einzog. Kaum im Altarraum aufgereiht, grüßten die Sängerinnen und Sänger mit „Hello Bonjour“ von Spearhead-Frontmann Michael Franti.

Toleranz-Hymne der Bläck Fööss

„Das war eine recht zünftige Einleitung“, meinte Veranstalter Christof Schumacher zur Eröffnung des besonderen Konzerts. Die etwa 30 Sängerinnen und Sänger setzten schwungvoll mit dem Spiritual „Somebody’s Knocking at Your Door“ nach. So stieg die Neugier auf den angekündigten Auftritt des Kölner Gebärdenchores St. Georg noch ein bisschen mehr. Im Querschiff machte sich das ungewöhnliche Ensemble von ausschließlich gehörlosen Interpreten bereit für die kölsche Toleranz-Hymne der Bläck Fööss „Unsere Stammbaum“.

Eine Welle für Nudeln

Wenn Dr. Juliane Mergenbaum den Gebärdenchor St. Georg dirigiert, hat sie viel mehr zu tun, als nur den Takt vorzugeben. Die Diözesanreferentin für die Gehörlosenseelsorge im Erzbistum Köln ist zugleich Übersetzerin von Texten und musikalischem Ausdruck. Und sie alleine trägt die Verantwortung, dass Besucher von gemeinsamen Konzerten mit hörenden Chören die gebärdete und die gesungene Musik gleichzeitig wahrnehmen.

Zu Poesie für Ohr und Auge entwickelte sich das Konzert auf diese Weise. „Wie unser Chor sang und der Gebärdenchor dazu mit den Händen den Dom und seine Glocken formte, das war Tonfülle in Kombination mit schönen Gesten“, schwärmte Schumacher.

Dass ein Gebärdenchor für eine Konzertaufführung einen singenden Chor als Partner braucht, ist keineswegs ein Manko. Im Gegenteil wird das Gesangsensemble um Ausdruckskraft in Gestik und Mimik bereichert.

Gebärden für Spaghetti

Das harmonische Zusammenspiel funktioniert am besten, wenn Erzähllieder auf dem Programm stehen. So nennen Gebärdenchöre Lieder mit Handlungen, in denen markante Figuren und bekannte Orte und Dinge vorkommen. Wie zum Beispiel die „Stääne“ in dem gleichnamigen Heimweh-Lied der Klüngelköpp.

Weil sich die Liebe zur rheinischen Heimat so herzergreifend schön in Gesang und Gestik ausdrücken lässt, gab es den kölschen Stammbaum der Bläck Fööss noch einmal als Zugabe. „Bevor wir zum ersten Mal miteinander musizierten, versuchte ich mir vorzustellen, wie die Gebärden für Spaghetti, Weihnachtsbaum und den Silvesterwunsch aussehen“, berichtet Brückenschlag-Leiter Hubert Vendel. Da er sich bei bisher drei Auftritten ein bisschen Gebärdensprache abgeguckt hat, kann er die lange Welle für die Nudeln, die Zacken einer Tanne und eine Rutschbewegung mit der flachen Hand in die Luft malen.

Wedeln statt klatschen

Eingangs hatte Hubert Vendel kurz erklärt, dass ein Publikum gehörlosen Künstlern Applaus spendet, indem es, statt in die Hände zu klatschen, die Arme hoch in die Luft streckt und mit den Händen wedelt. Das klappte auf Anhieb gut in Königsdorf. Amüsiertes Lachen von allen Seiten begleitete die ungewohnte Kundgebung des Gefallens, und die Gebärdenchormitglieder bedankten sich mit strahlenden Gesichtern. Im Wechsel bekam der hörende Chor nicht minder großen geklatschten Beifall.