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SPD-Frau sorgt für EklatJudenvergleich in Wesseling – Antisemitismus fängt im Kleinen an

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Auf dem Foto ist der Eingang des Wesselinger Rathauses zu sehen.

In der Wesselinger Ratspolitik hat eine Äußerung von Ute Meiers (SPD) Wellen geschlagen.

Ute Meiers nannte die Bezahlkarte für Geflüchtete einen „digitalen gelben Stern“. Dafür hat sie sich entschuldigt. Die Gefahr solcher Äußerungen greift um sich.

Die schleichenden Prozesse sind es, die sich unmerklich zu gesellschaftlichen Gefahren auswachsen können. So verhält es sich mit dem Antisemitismus in Deutschland. Über viele Jahre hinweg wähnten wir uns in dem Glauben, dass wir als Gesellschaft verstanden haben, dass von unserem Boden aus der Holocaust an den Juden mit mehr als sechs Millionen Toten geplant und vollzogen wurde – und die Bundesrepublik demzufolge eine besondere Verantwortung für die Juden und für den Staat Israel hat.

Dieser Konsens ist nach und nach aufgeweicht worden. Was zunächst nur getuschelt oder in vermeintlich geschützten Räumen gesprochen wurde, ist bedenklicherweise kein Tabuthema mehr – nicht zuletzt weil AfD und linke Parteien Antisemitismus ein Stück weit salonfähig gemacht haben. Da sagt man dann mal Sachen, die man früher nicht gesagt hätte – unter welchen Beweggründen und mit welcher Intention auch immer.

Davidstern war Zwangskennzeichen für Personen, die als Juden galten

Einen solchen Satz hat die SPD-Frau Ute Meiers aus Wesseling gesagt. In der Debatte um die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete – so wie sie in allen Stadträten geführt worden ist – verstieg sich die erfahrene Politikerin zu dem Vergleich, dass diese Karte einem „digitalen gelben Stern“ entspreche.

Der Davidstern war ein vom nationalsozialistischen Regime am 19. September 1941 durch Polizeiverordnung für das Gebiet des Deutschen Reichs und des Protektorats Böhmen und Mähren eingeführtes öffentliches Zwangskennzeichen für Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Juden galten – „Jude“ stand darauf.

Dass ausgerechnet eine Sozialdemokratin diesen Vergleich wählte, zeugt von mangelndem Instinkt und womöglich auch von fehlenden historischen Kenntnissen: Die Sozialdemokratie wurde 1933 von den Nazis verboten, zahlreiche Mitglieder waren schweren Repressalien ausgesetzt, nicht wenige wurden in Gefängnissen eingesperrt.

Auf dem Bild ist eine ältere blonde Frau zu sehen.

Ute Meiers spendet regelmäßig die Aufwandsentschädigungen für ihre politische Arbeit.

Nun darf man Ute Meiers, die in Wesseling bisher für ihr soziales Engagement bekannt war – unter anderem spendet sie seit Beginn der Wahlperiode ihre Aufwandsentschädigungen an Vereine –, zugutehalten, dass sie sich für ihren Vergleich „ausdrücklich und ohne Einschränkung“ entschuldigt hat. Auf ihrem Facebook-Account schrieb sie weiter: „Er war historisch und politisch vollkommen unangemessen und falsch. Er relativiert das Leid der Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus – das war niemals meine Absicht, und ich bedaure zutiefst, dass dieser Eindruck entstanden ist.“

Dies tat die SPD-Politikerin offenbar vor allem, weil am vorigen Wochenende Fragen aufgekommen waren, weshalb sie beim 1. Tag der kulturellen Vielfalt nicht als Vorsitzende des Ausschusses für Sport, Freizeit, Kultur und Partnerschaften eine Ehrung vorgenommen habe. Und sie brauchte für ihre Erklärung mehr als zwei Monate seit dem völlig unangemessenen Vergleich der Bezahlkarte mit dem Davidstern.

Ute Meiers hat größeren Schaden von der SPD abgewendet

Fakt ist: Mit ihrem Rückzug vom Ausschussvorsitz hat Ute Meiers sich, ihrer Fraktion und der SPD Unangenehmeres erspart. CDU und Grüne hatten beantragt, dass der Stadtrat die Politikerin vom Vorsitz entbinden möge.

Man kann trefflich drüber streiten, wie schwer ihr der Verzicht auf diesen Posten gefallen ist. Bis zur Kommunalwahl im September sind es nur noch wenige Wochen, danach werden die Karten im Rat ohnehin neu gemischt. Ute Meiers bewirbt sich erneut um ein Ratsmandat — das sie seit 2004 innehat.