GerichtZwangsarbeit, Essensentzug, Schläge – Windeckerin soll Pflegetochter misshandelt haben

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Zwei Hände halten das Strafgesetzbuch.

Ein Richter im Gerichtssaal hält das Strafgesetzbuch (StGB) in der Hand.

Die heute 20-Jährige habe als Kind um fünf Uhr aufstehen müssen, um für ihre Pflegemutter zu arbeiten. Das Verfahren wurde vorläufig eingestellt.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Bonn vor dem Waldbröler Schöffengericht ließ ein hartes Schicksal vermuten: Zwangsarbeit, Essensentzug und in fünf Fällen auch Schläge sollen die sieben Jahre geprägt haben, die ein 2003 geborenes Mädchen von 2009 bis 2017 bei einer Pflegefamilie in Windeck verbrachte.

Die Pflegemutter, die inzwischen weggezogen ist, aber nach wie vor in der Erziehungs- und Jugendhilfe außerhalb des Rhein-Sieg-Kreises arbeitet, stand jetzt vor dem Schöffengericht. Fünfmal soll die heute 57 Jahre alte Windeckerin zwischen 2010 und 2017 die bei ihr untergebrachte Pflegetochter geschlagen haben, zweimal mit einem Holzlöffel. Ein blaues Auge und eine blutende Wunde seien Folgen gewesen, führte die Staatsanwältin in der Hauptverhandlung aus.

Anklage: Pflegekind habe um fünf Uhr aufstehen und arbeiten müssen

Die inzwischen 20 Jahre alte Pflegetochter habe damals um 5 Uhr aufstehen, Pferde versorgen und anschließend für die Pflegemutter das Frühstück richten müssen. Zum Schulbus habe sie es manchmal gar nicht mehr geschafft. Nachmittags habe sie weiter arbeiten müssen. Schaffte sie das nicht, habe sie nicht an den Familienmahlzeiten teilnehmen dürfen, schilderte die Staatsanwältin.

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Wenn sie sich dann etwas zu essen holte, sei sie als Diebin beschimpft worden. Auch für Hausaufgaben sei manchmal keine Zeit geblieben. Als sich die Pflegeeltern trennten, vertraute sich das Mädchen 2017 in der Schule einer Lehrkraft an.

Ob die Vorwürfe der Staatsanwältin gegen die Mutter dreier eigener, inzwischen erwachsener Töchter stichhaltig sind, wird wohl nie geklärt werden. Nach längerem Rechtsgespräch gleich nach dem Verlesen der Anklageschrift und weiteren Beratungen des Gerichts bot der Vorsitzende Richter Carsten Becker der 57-Jährigen an, das Verfahren gegen die Zahlung von 1500 Euro an den Verein „Die Windecker Jugend“ einzustellen.

Richter verzichteten im Prozess gegen Windeckerin auf Zeugenaussagen

Ohrfeigen gegenüber einer Jugendlichen seien möglicherweise als Straftat zu werten, sagte Becker. Allerdings seien zwischen sechs und 14 Jahren vergangen. Mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens – die endgültige Einstellung erfolgt erst nach der Zahlung der 1500 Euro – verzichtete das Gericht auch auf die Zeugenaussagen der Betroffenen und einer weiteren Pflegetochter.

Der Anwalt der jungen Frau, die als Nebenklägerin aufgetreten war, stimmte der Entscheidung des Gerichts ebenso zu wie die Staatsanwältin und der Rechtsanwalt der Angeklagten. Diese muss auch ihren Anwalt und zum Teil den der Nebenklägerin bezahlen.

Im Fall einer Verurteilung wären die Kosten für sie womöglich noch höher gewesen. Außerdem hätte es einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis gegeben.

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