Streit um Masken in TroisdorfGehören die Täter zur Reichsbürgerszene?
Lesezeit 4 Minuten
Das Kaufland in Troisdorf, der Ort des Geschehens
Copyright: Rohrmoser-von-Glasow
ANZEIGE
ANZEIGE
In einem Supermarkt in Troisdorf sind Beamte am Wochenende körperlich angegriffen und verletzt worden.
Vermutet wird, dass es sich um eine gezielte Falle gehandelt haben könne.
Zudem prüft die Polizei nun, ob es einen Zusammenhang zu der Reichsbürgerszene gibt.
Troisdorf/Bonn – Beamte einer Einsatzhundertschaft aus Köln haben zusammen mit der Bonner Staatsanwaltschaft am Dienstagmittag zwei Wohnungen in Bonn und Troisdorf durchsucht. Hintergrund ist die Prügelei zwischen zwei Polizisten und zwei Maskenverweigerern im Kaufland in Troisdorf. Dabei erlitt eine Einsatzkraft mehrere Frakturen im Gesicht. Auch der andere Beamte wurde so schwer verletzt, dass er vorläufig dienstunfähig ist. Ein Video, das einer der Tatverdächtigen, ein 35-Jähriger mit bulgarischer Staatsangehörigkeit aus Bonn, gedreht hat, kursiert im Netz. Der Verdacht besteht, dass das Duo den Vorfall inszeniert hat und weitere, ähnlich geartete Filme drehen wollte.
Faustschläge und Tritte
„Wir prüfen, ob einer von den beiden zu den Reichsbürgern gehört“, sagte Simon Rott, Pressesprecher der Bonner Polizei, auf Anfrage. Der 35-Jährige ist in der Vergangenheit ein Verdachtsfall gewesen, eine konkrete Zugehörigkeit hätte ihm nicht nachgewiesen werden können.
Die Sprache in dem Video indes könnte auf eine gewisse Nähe hinweisen. Bei der Überprüfung durch den Beamten sagt er: „Ich bin Mensch, ich brauche keinen Personalausweis.“ Sein Begleiter, der später den Faustschlag ins Gesicht des schwer verletzten Polizisten setzte, ergänzt: „Der wird sich verteidigen, falls sie versuchen, ihm Schaden zuzufügen.“ In dem Video ist kurz eine Krankenkassenkarte zu sehen, mit der sich der Bulgare ausweisen will.
Laut Ermittlerkreisen ist man sich inzwischen sicher, dass die Beamten im Supermarkt in eine Falle gelockt wurden. Demnach hätten die beiden Verdächtigen (35/38) die Situation absichtlich provoziert. Einer der beiden hatte den Ablauf mit einer an seinem Körper befestigten Kamera gefilmt. Dass die Aufnahme direkt nach dem Vorfall im Internet landete sowie weitere Indizien ließen die Polizei vermuten, dass es sich um eine geplante Aktion gehandelt haben könnte.
Vorfall aus mehreren Perspektiven gefilmt
Nach dpa-Informationen hatten die beiden Verdächtigen offenbar Komplizen: Der Vorfall sei unter anderem aus mehreren Perspektiven gefilmt worden, hieß es. In dem Video ist eine Frau zu hören, die sich als Ehefrau eines der Angreifer zu erkennen gibt. Ob auch gegen sie oder andere ermittelt wird, blieb zunächst unklar.
Die Beamten waren am Samstagnachmittag zu dem Supermarkt gerufen worden, weil die beiden Verdächtigen sich mit Mitarbeitern gestritten hatten: Die Männer hatten keinen Mund-Nase-Schutz nutzen wollen. In dem Internetvideo ist zu sehen, wie der Verdächtige mit der Kamera mit der Polizei in mehreren Sprachen diskutiert, weil er seinen Ausweis nicht zeigen will. Der zweite Mann - inzwischen mit einem Tuch vor dem Mund - gibt sich als Übersetzer aus und mischt sich ein. Letztlich eskaliert die Situation und der „Übersetzer“, bereits zu Boden gebracht, schlägt einem der Beamten ins Gesicht.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat einer der beiden Verdächtigen eine doppelte Staatsbürgerschaft – deutsch-osteuropäisch.
Verdächtiger betreibt Kneipe in Troisdorf
Während bei der Razzia in Bonn keiner von den Verdächtigen zu Hause war, ist bei der zweiten Durchsuchung in Troisdorf jemand angetroffen worden, „den wir in Bonn vermutet hätten“, so Rott. Tatsächlich wurden beide Verdächtige zur weiteren erkennungsdienstlichen Behandlung mitgenommen und zur Polizeiwache nach Siegburg gebracht. Inwieweit belastendes Material sichergestellt werden konnte, war noch nicht bekannt. Nach Informationen dieser Zeitung betreibt der 38-Jährige in Troisdorf eine Gaststätte. Es gibt wohl ein laufendes Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Gegen die Männer wird wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte ermittelt. Sie kamen wegen fehlender Haftgründe zunächst wieder auf freien Fuß.
„Dieser Vorfall ist ein Skandal“
Der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, Michael Maatz, sagte der dpa am Mittwoch: „Dieser Vorfall ist ein Skandal. Dass die beiden Polizeibeamten offensichtlich in eine Falle gelockt und schwer verletzt wurden von Menschen, die die Corona-Krise politisch ausschlachten wollen, ist nicht tolerierbar.“
Vor dem Kaufland in Troisdorf ist die brutale Attacke nahezu jedem Kunden bekannt. „Die haben es einfach provoziert, die wollten Ärger haben“, sagt eine Frau, die wie selbstverständlich eine Maske trägt. Die Meisten verurteilen die Tat, Gewalt gegen Polizisten verurteilen fast alle. Nur ein junger Mann, der gleichwohl auch außerhalb des Gebäudes einen Mund-Nasen-Schutz aufgezogen hat, glaubt, dass es so weit nicht hätte kommen müssen und die Beamten es so eskaliert hätten.
Kaufland selbst äußert sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu dem Vorfall in Troisdorf. „Um die Verbreitungsrate zu reduzieren und die Gesundheit unserer Kunden in den Filialen zu schützen, weisen wir die Kunden, die keinen Mundschutz tragen, freundlich auf die Verordnung hin“, schreibt Anna Münzing von der Unternehmenskommunikation, „Die Kontrolle der Maskenpflicht ist eine Gratwanderung.“
Die beiden Verletzten sind weiter dienstunfähig. Während der eine inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte der andere zwar kurzfristig nach Hause. Er muss sich aber einer Operation unterziehen und wird dafür erneut stationär aufgenommen. (mit dpa)