Bilder und BerichteSo jeck feiert der Rhein-Sieg-Kreis bei den Zügen am Karnevalssonntag

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Eine Gruppe Frauen ist verkleidet als Heißluftballon.

Vor 45 Jahren war der Freundeskreis um Karin Wagner zum ersten Mal im Rheidter Zug dabei - und immer ein Blickfang: In diesem Jahr als Fesselballons.

Tausende Jecke nehmen am Sonntag die Straßen des Rhein-Sieg-Kreises ein. Wir sind in der Region unterwegs und zeigen, was bei den Zügen los ist.

Tausende Jecke sind am Karnevalssonntag auf den Straßen des Rhein-Sieg-Kreises unterwegs. Die vielen Züge mit ihren bunt geschmückten Wagen dominieren das Straßenbild – toll verkleidete Karnevalistinnen und Karnevalisten feiern den Karneval und das Leben. Unsere Reporter sind in der Region unterwegs und sammeln Eindrücke von den verschiedenen Zügen.

Gäste aus dem alten Ägypten beim Zug in Ruppichteroth

Die Frauen mit den pinkfarbenen Rollern setzten beim Hänscheider Zug auf einen ganz besondere Treibstoffmix aus Wein und Schnaps. Sie trotzen so dem Benzin-Problem: „Ob Benzinpreisbremse oder Tankrabatt, dieses Chaos haben wir satt!“ Die Brölecker Schafherde schlug in die gleiche Kerbe, ihr machte die Entwicklung auf dem Energiemarkt ebenfalls nichts aus. Sie setzte auf das Nächstliegende im Wortsinn, auf das wärmende Schaffell.

Herrliche Kostüme prägten den jecken Zug, der sich von Schönenberg aus auf den Weg machte. Die Hänscheider Truppe hatte sich dem alten Ägypten verschrieben. Sie verbog sogar den Plural für ihre charmante Losung: „Cleopatras und Pharaos/mir fiere widder abstandslos.“ Reichlich Sympathien erntete der Elferrat des TV Ruppichteroth für seine Kamelle-Großzügigkeit. Die Blue Girls wurden ihrem Namen bezüglich der Farben gerecht. Das gilt auch für die Tanzgruppe Hänscheid allerdings in Rot-Weiß. Diese Farben setzten den grandiosen Schlusspunkt am Zugende nebst Kinderprinzenpaar Tyler I. (Höffgen) und Greta I. (Loshse).

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Nach 35 Jahren Zugteilnahme immer noch „prickelnd“ gaben sich die Holenfelder, die in riesige Softgetränkedosen steckten. Das Schottenkaro hatte es dem Bürgerverein Schönenberg angetan, während die „Gondola Aquagym“ ihre venezianischen Boote aus der Bröl geholt hatte und sich damit per pedes auf den Weg machten.

Für den Frieden warb der 3K-Club: „Fleegt met uns en’t All zum Fiere, Danze, Lache, ohne Kreech un Bombenknall.“ Dieser Aufforderung kamen die Feierwilligen seht bereitwillig nach bei der großen After-Zoch-Party in Hänscheid-Mitte mit mitreissender Partymusik von „Mir Zwei, die Zwei“,

Zoch in Birk: Feiern bis der ganze Wagen wackelt

Ohrenbetäubend laut ist die Musik auf dem Wagen der „Aggertaler“. Als Hippies verkleidet rollen sie auf der Franzhäuschenstraße zum Birker Bürgerzentrum. Während „Der Zug hat keine Bremsen“ die Jecken beschallt, hüpft die Gruppe auf und ab und bringt den ganzen Wagen zum Wackeln, bis die Jacken aus den Ablagefächern über ihren Köpfen fallen.

Viele Birker Vereine und Aktive sind dabei im Umzug: Die Jugendfeuerwehr läuft in ihren Uniformen auf, die Fußballerinnen des TuS Birk sind mit ihren männlichen Begleitern als Ananas und Erdbeeren verkleidet. Auch Maus, Ente und Elefant aus der Sendung mit der Maus gehen mit. Mehrere große Wagen rollen durch die Straßen, auf dem Land ist schließlich immer ein Traktor aufzutreiben. Der Birker Zug ist das Vorprogramm für die auch in diesem Jahr ausverkaufte After-Zoch-Party im Bürgerzentrum.

Viele Menschen entlang des Zugwegs haben aber schon etliche Stunden vorher mit dem Feiern begonnen. In ihren Garagen und Einfahrten haben sie Bierbänke aufgebaut, die Pittermännchen angezapft und Berliner gestapelt. Die Kamelle landen so im Vorgarten und der Weg zur Toilette ist schön kurz. Mitten unter den Feiernden sind Jana Thöne und Lena Rackwitz, die sich aus dem Reitstall kennen. Dem Zug schenken sie nur zeitweise Beachtung. Stattdessen gibt es noch eine Runde Schnaps für alle und die Wagen werden mit einer Salve aus Konfettikanonen begrüßt.

„Ich will unbedingt Blumen haben!“, ruft Rackwitz, als der Wagen des Birker Dreigestirns vorbeifährt. Die erhaschen tatsächlich mehrere Strüßjer. Und schon ist die Kehrmaschine des Bauhofs da. Die Party in der Einfahrt ist aber noch lange nicht zu Ende.

Märchenwald und andere ferne Welten beim Zug in Hennef-Bröl

Die Bürgermeisterrunde mit Mario Dahm an der Spitze des Bröler Zugs erfüllte den Paragraf 6 des Prinzenpaares und schob als Kühe verkleidet ein Lastenrad vornweg, quasi als Zugleitung. Das bescherte dem Bröler Zug einen neuen Wunschruf, statt „Kamelle!“ schallte den Politikern an einigen Stellen lauthals „Kindergartenplätze!“ entgegen.

17 Gruppen mit 357 Teilnehmern schickte Zugleiter Justin Flügel auf den Weg. Mit fünf Leuten war die Heisterschosser Bitzenbande zwar die kleinsten Truppe, aber sie präsentierte eine komplette Misswahl – gendergerecht m/w/d. Die Muuzeböggele hatten gleich einen ganzen Märchenwald mitgebracht. Sie feierten ein jeckes Jubiläum, drei Mal elf Jahre. Die zweiten im Zug, die einen ähnlichen Geburtstag begingen, waren die Happerschosser Murre-Büch.

Die Reitsportanlage am Brölbach zog mit einer ganzen Armee von Einhörnern auf. Ebenso in eine ferne Welt, vielleicht um allen Krisen zu entgehen, entführten die Kallenkönige mit ihrer „Mammutation“ mit Original-Mammut. Die „Kunterbunten“ machten ihrem Namen alle Ehre. Ein ungewohntes Bild bot die Abordnung des SC Uckerath, erstmals in Bröl. Die Jugendabteilung zog mit, weil Prinz Sebastian II. gute Verbindungen dorthin hat.

Die Karnevalsfreunde waren die einzigen, die sich mit der Pandemie auseinandergesetzt hatte. Als Vogelscheuchen wollten sie Corona verjagen. Trotz Regens strahlten der Prinz und seine Prinzessin Natalja I. um die Wette. Sie werden wohl mit Muskelkater in den Rosenmontagszug gehen, so kräftig warfen sie Kamelle und Süßes in ihr närrisches Volk, das ihnen begeistert zujubelte.

Selbstbewusste Dörfler beim Zug in Siegburg-Kaldauen

Als Aufwärmprogramm für den großen Rosenmontagszug in Siegburg kann der Kaldauer Veedelszoch am Sonntagmittag durchgehen. Zugleiter Herbert Kreuser, der auf einem Lastenfahrrad unterwegs ist, erkennt aber in jedem Fall Unterschiede. „Der Kaldauer Zoch ist ganz klar der bessere. Der Kaldauer ist ja an sich schon mal der bessere Siegburger“, findet er.

Womöglich ist er da etwas voreingenommen. „Bei uns ist alles etwas dörflicher, aber wir sind füreinander da“, fügt er hinzu. „Leider ist während der Corona-Zeit viel kaputt gegangen, viele Vereine haben weniger Mitglieder als früher. Aber wie man sieht: Die Leute nehmen es dankbar an und freuen sich, dass wir wieder unterwegs sind.“ Er hoffe, dass in der kommenden Session wieder mehr Teilnehmende mitmachten und dann auch größere Wagen dabei seien. Tatsächlich prägen viele Fußgruppen das Bild des Kaldauer Zugs. Elf Gruppen mit rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind am Start.

Fester Bestandteil sind die Kaldauer Fischköpp, die mit ihren blau-weiß gestreiften Kostümen schon seit 13 Jahren dabei sind. Noch länger gehen die Siegburger Musikanten mit, die als Clowns verkleidet Gassenhauer spielen. Als Engel und Teufel haben sich „Oberdörfler“ verkleidet, die alle oberhalb der Hauptstraße leben. Eine besondere Botschaft haben die „Querjeck“: Sie laufen mit einer Regenbogen-Flagge durch die Straßen. Stefan Rosemann ist nicht nur Erster Bürger der Kreisstadt, sondern auch Präsident der KG Rot-Weiß Kaldauen, die mit 25 Teilnehmenden im Zug mitfährt.

Klimawandel ist beherrschendes Thema beim Hangelarer Zoch

Mit dem Klima haben sich in Hangelar gleich mehrere Zugteilnehmer beschäftigt. Die aus der katholischen Jugend herausgewachsene „ewige Jugend“ wollen als Weltraumtouristen den Müll und die Katastrophen auf der Welt hinter sich lassen. Gut 60 Aktive der Vereinigung hatten sich mit Astronautenhelm ausgestattet und auf den Raumanzügen stand statt Nasa kurzerhand „Anna-Space“ als Emblem.

Am Steuer des Raumschiffs lotsten Alex Grafschaft und Thorsten Frank die Gruppe sicher durch die Hangelarer Straßen. Und für den 1. Politischen Karnevalsverein Hangelar ist jetzt schon klar: „Et wit arsch wäärm“, und so sieht die Gruppe die Kirche St. Anna 2050 unter Palmen. Norbert Knecht, der erst 2019 das Amt übernommen hatte und somit erst seinen dritten Zug anführte, jubelte den Närrinnen und Narren am Wegesrand zu, und er machte sich mit Polizei und Ordnungsamt pünktlich auf den Weg.

Bei 750 Teilnehmer aus 15 Gruppen sowie insgesamt elf Fahrzeugen zeigte er sich erleichtert, dass nur ein Auto abgeschleppt werden musste. Mit 150 Teilnehmern stellten die Fußballer des VfR Hangelar die größte Gruppe, die in diesem Jahr ihr 111-jährigen Bestehen feiern.

Zugleiter feiert Premiere beim Birlinghovener Zug

Die Bewohner und Freunde der Schloßstraße in Birlinghoven haben sich ihr eigenes Monopolyspiel gebastelt. Ihre Straße ist natürlich die teuerste und auf der Besitzrechtskarte gehen die Mieten durch die Decke. Da liegt der Grundstückpreis auch schnell mal bei vier Millionen und die Miete für ein Hotel beläuft sich auf 20 Millionen Euro. Klar, dass die Zugteilnehmer auf die immens gestiegenen Immobilienpreise aufmerksam machen wollten.

Der Zusammenschluss war eine von elf Gruppen im Birlinghovener Karnevalszoch und Zugleiter Robin Olligschläger hatte bei seiner Premiere alles im Griff. „Ich bin vor einem Jahr hier hingezogen“, sagt er mit der Kladde in der Hand.

Der Bürgerverein übte als Zwerge verkleidet den Zwergenaufstand. „Wir fordern die Bierpreisbremse“, sagte ein Teilnehmer. Werbung für ihr 75-jähriges Bestehen machten die Kicker des SV Birlinghoven und so trugen alle Teilnehmer die Rückennummer 75. Vom 16. bis 18. Juni wird im Sommer groß gefeiert mit Galaabend, Einlagespiel, Kindertag, Frühschoppen und „Kölscheovend“.

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