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Interview
„Edelgard“ entstand nach der Kölner Silvesternacht 2015

3 min
Schutz für Frauen, Mädchen und Queers bietet die Kölner Initiative „Edelgard“

Schutz für Frauen, Mädchen und Queers bietet die Kölner Initiative „Edelgard“

Mitbegründerin Marina Walch spricht im Interview mit der Rundschau über das Projekt „Edelgard“ und die Kölner Initiative gegen Sexualisierte Gewalt.

Marina Walch koordiniert den Gewaltschutz und die Geflüchtetenhilfe in der Diakonie Michaelshoven. Sie ist Mitglied der Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt und Mitbegründerin des Projektes Edelgard.

Frau Walch, warum hat sich die Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt nach der Silvesternacht 2015/2016 gegründet?

Es gibt in Köln seit vielen Jahren den Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern. Hier sind eine Vielzahl an Institutionen vertreten, unter anderem Beratungsstellen für Frauen und Mädchen, die Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser, das Amt für Gleichstellung und die Polizei. Wenige Wochen nach der Silvesternacht haben wir uns getroffen und darüber gesprochen, was vorgefallen ist und wie darüber berichtet wurde. Wir haben festgestellt, dass schnell nur in die eine Richtung argumentiert wurde: Junge, männliche Migranten haben deutsche Frauen angefasst. Es ist aber nicht der fremde Mann, der Frauen in der Nacht angreift, Übergriffe geschehen genauso durch deutsche Männer – auch aus dem sozialen Umfeld.

Das Thema hat zu dieser Zeit in der Gesellschaft große Aufmerksamkeit erfahren.

Gerade diese Aufmerksamkeit für das Thema wollten wir nutzen, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um ein Problem in einer Nacht handelt. Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen kommt jeden Tag vor, zu jeder Zeit an vielen Orten. Uns ging es vor allem darum, das gesamtgesellschaftliche Problem von sexualisierter Gewalt aufzuzeigen. Wir gründeten deshalb die Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt und starteten im Februar 2017 eine große Plakatkampagne mit dem Titel „Die Würde von Frauen und Mädchen ist unantastbar, in Köln und überall“.

Was waren die weiteren Schritte der Initiative nach der Silvesternacht?

Im nächsten Schritt haben wir uns mit den Großveranstaltungen beschäftigt, wo Frauen in Köln zusätzlichen Schutz bekommen sollten. In den ersten Silvesternächten nach den Vorfällen hatten wir eine Hotline und Beratungsmöglichkeiten organisiert. An Karneval sind wir zusätzlich mit einem Beratungsbus verschiedene Stellen abgefahren. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass ein einzelner Ort zum Schutz nicht ausreichend ist. Aufgrund dieser Überlegung haben wir schützende Orte in der Stadt gesucht.

Marina Walch

Koordiniert wird die Organisation dieser Orte seit 2018 unter dem Namen „Edelgard“.

Mit Edelgard bekam die Initiative ein Gesicht. Die Schutzorte sind durch einen Sticker mit dem Logo kenntlich gemacht, das können Kneipen, Läden oder Apotheken sein. Mittlerweile sind es rund 350 Orte auf die ganze Stadt verteilt. Das Personal in diesen sicheren Räumen wurde für die „erste Hilfe“ in Akutsituationen geschult. Diese schützenden Orte waren und sind in Köln sehr wichtig für Frauen, Mädchen und queere Personen.

Ist es denkbar, dass es in Köln erneut eine Situation wie in der Silvesternacht vor zehn Jahren gibt?

Komplett ausschließen man das vermutlich nicht. In den sozialen Medien gibt es antifeministische Haltungen und Bewegungen, die gefährlich sind. Und die Vernetzung als Gruppe ist sicher durch das Internet noch einfacher geworden. Die Polizei ist aber meiner Meinung nach heute besser auf solche Szenarien vorbereitet. Wir als Initiative finden es vor allem wichtig, dass sich die Gesellschaft verantwortlich für das Thema sexualisierter Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Queers fühlt. Wenn eine Frau belästigt wird, müssen wir eingreifen und dürfen nicht wegsehen. Wir müssen uns fragen: Was kann ich selbst tun? Wen kann ich zur Hilfe rufen?


Zur Person

Marina Walch koordiniert den Gewaltschutz und die Geflüchtetenhilfe in der Diakonie Michaelshoven. Sie ist Mitglied der Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt und Mitbegründerin des Projektes Edelgard. Zur Kölner Initiative gegen Sexualisierte Gewalt gehören unter anderem das Amt für Gleichstellung, Polizei, Diakonie Michaelshoven, Frauenberatungszentrum, HennaMond, Lobby für Mädchen, der Notruf und der Sozialdienst katholischer Frauen.