AboAbonnieren

Umstrukturierung bei Talententwicklung1. FC Köln benennt Standpunkt zu möglichem Drittliga-Aufstieg

Lesezeit 5 Minuten

17 Scorerpunkte in 15 Einsätzen: Der bei den FC-Profis aussortierte deutsche U20-Nationalspieler Justin Diehl sorgt in der Regionalliga West für den Unterschied.

Der 1. FC Köln führt seine Talente seit dieser Saison noch früher an den Herrenbereich heran. Sportchef Christian Keller erklärt die Ziele mit der U21, die in der Regionalliga um die Herbstmeisterschaft kämpft.

Im Schatten der Profi-Krise droht fast ein wenig unterzugehen, welch erfolgreichen Fußball die U21 des 1. FC Köln in dieser Saison spielt. Die älteste Ausbildungsmannschaft des selbsterklärten Ausbildungsclubs darf vom Gewinn der Herbstmeisterschaft in der Regionalliga West träumen, dessen Meister am Saisonende in die 3. Liga aufsteigt – ohne den Umweg über die umstrittene Relegation gehen zu müssen. Vor dem letzten Hinrunden-Heimspiel am Samstag (14 Uhr, Franz-Kremer-Stadion) gegen den FC Gütersloh belegt das Team um Topscorer Justin Diehl einen kaum für möglich gehaltenen zweiten Rang und verweist dabei Traditionsclubs wie den Wuppertaler SV, Alemannia Aachen und RW Oberhausen auf die Plätze.

Der Wandel nach dem letztjährigen Abstiegskampf ist das Resultat einer Umstrukturierung, die FC-Sportchef Christian Keller in Zusammenarbeit mit dem Nachwuchsleistungszentrum in die Wege geleitet hat. „Wir haben die Ausrichtung der U21 komplett verändert – und dementsprechend das Trainerteam und die Mannschaft zusammengestellt. In den Jahren zuvor war unter anderem nicht klar definiert: Ist es die älteste Nachwuchsmannschaft oder ist es die zweite Herrenmannschaft? Was ist die Ambition dieser Mannschaft? Spielen wir einfach in der Regionalliga mit oder wollen wir vielleicht auch mal mehr? Diese und noch viel mehr Fragen haben wir nun klar für uns beantwortet. Der personelle Schwerpunkt liegt jetzt auf Spielern in den ersten beiden Herrenjahren sowie Spielern im zweiten U19-Jahr“, erläutert Keller im Gespräch mit der Rundschau.

Meine Grundhaltung ist: Du musst so hoch wie möglich spielen, egal mit welcher Mannschaft. Wenn die U21 irgendwann aufsteigen sollte, nehmen wir das natürlich mit – wir könnten unsere Talente dann auf noch höherem Niveau fördern.
Christian Keller, Sportchef des 1. FC Köln, über einen möglichen Drittliga-Aufstieg der U21

Der FC-Sportchef verspricht sich von der Profilschärfung des U21-Teams eine noch gezieltere Heranführung der Talente: „Es ist empirisch belegt, dass die Übergangsphase entscheidend ist, ob es ein Talent tatsächlich in den Profifußball schafft. Ein wesentliches Problem in Deutschland ist, dass die Spieler zu spät Spielerfahrung im Herrenbereich sammeln – mindestens ein Jahr zu spät im internationalen Vergleich. In Ländern mit qualitativ schwächeren Ligen kommen junge Spieler tendenziell früher im Herrenbereich zum Einsatz, weil die Konkurrenz dort nicht so groß ist“, erläutert Christian Keller.

Nach dem Umbau bildet Stefan Ruthenbecks viel gelobte letztjährige U19 das Grundgerüst der neuen Kölner Regionalliga-Mannschaft. Regelmäßige Verstärkung erhält das Team des ebenfalls neuen Trainers Evangelos Sbonias (41/zuvor SG Sonnenhof Großaspach) durch Jungprofis wie Max Finkgräfe und Damion Downs, die im Bundesliga-Abstiegskampf bislang nur sporadisch zum Zug kommen. Bei den externen Zugängen Jonas Saliger (Dynamo Dresden) und Joao Pinto (VfL Wolfsburg) wurde Wert darauf gelegt, dass Potenzial für den nächsten Schritt vorhanden ist. Die fehlende Erfahrung fängt Marco Höger (34) auf. Der 159-fache Bundesligaprofi wurde als neuer Leitwolf für die U21 zurückgeholt und füllt seine Rolle hervorragend aus.

Auf der Gegenseite wird wie etwa bei den nun aufblühenden Marvin Obuz (RW Essen) und Maximilian Schmid (Roda Kerkrade) verstärkt mit Leihgeschäften gearbeitet. „Leihmodelle sind einerseits wichtig, um für Spieler, denen wir keine Bundesliga-Spielzeit bieten können, die Chance auf regelmäßige Spielpraxis oberhalb der Regionalliga zu erhöhen. Zum anderen sind sie Teil unseres Geschäftsmodells. Schaffen verliehene Spieler nicht den Sprung nach ganz oben, so können Transfers in die zweite oder dritte Liga beziehungsweise ins Ausland für einen Return on Investment für unsere Nachwuchsausbildung sorgen“, hofft Christian Keller, über die exzellente Jugendarbeit am Geißbockheim mehr Einnahmen zu generieren.

Verhandlungen um Verbleib von Toptalent Justin Diehl scheinen festgefahren

Der FC-Sportchef zeigt sich erfreut, dass der Neuaufbau der U21 früher als gedacht Früchte trägt: „Ich bin sehr zufrieden, wie die Mannschaft und der Trainerstab arbeiten – auch wenn die Saison noch lang und die Tabelle zweitrangig ist“, erklärt Keller. An erster Stelle steht für ihn die Ausbildung: „Es geht primär darum, dass die Spieler an die Spielintensität und das Spielniveau des Profifußballs herangeführt werden. Wenn ich dann sehe, dass regelmäßig sechs bis sieben Spieler aus dem Jahrgang 2004 in der Startelf stehen, ist es genau das, worauf wir hinauswollen.“

Und dennoch: Sollte tatsächlich die Rückkehr in die 3. Liga gelingen, in der die Kölner Zweitvertretung letztmals zwischen 2002 und 2006 vertreten war, würde sich der FC nicht dagegen wehren. Zumal ein möglicher Abstieg der Profis in die Zweite Liga mit einem Aufstieg der U21 in die 3. Liga regeltechnisch vereinbar wäre. „Meine Grundhaltung ist: Du musst so hoch wie möglich spielen, egal mit welcher Mannschaft. Wenn die U21 irgendwann aufsteigen sollte, nehmen wir das natürlich mit – wir könnten unsere Talente dann auf noch höherem Niveau fördern“, betont Christian Keller. Nach erst 15 von 34 absolvierten Spieltagen warnt er jedoch davor, „Luftschlösser zu bauen“.

Hinzu kommt: Die Kölner Aussichten im Regionalliga-Aufstiegskampf dürften davon abhängig sein, ob Justin Diehl auch in der Rückrunde noch für die U21 auf Torejagd geht. Mit 17 Punkten (9 Tore/8 Vorlagen) in 15 Spielen ist der deutsche U20-Nationalspieler Topscorer der Staffel West. Auch, weil er sein Mitwirken in der vierten Liga nicht als Degradierung auffasst, sondern unbeschwert drauflos spielt. Ein Talent aus dem eigenen Stall mit dieser Torquote wäre im Normalfall eine Option für die lahmende Offensive der FC-Profis. Doch weil Diehl sich weigert, seinen auslaufenden Vertrag zu verlängern, wurde er im Sommer aus der Bundesliga-Mannschaft verbannt. Ein halbes Jahr später scheinen die Verhandlungen festgefahren. Dem FC droht der nächste schwerwiegende Verlust eines Toptalentes nach Florian Wirtz. Es ist die Schattenseite auf dem bemerkenswerten Wandel der Kölner U21.