1. FC Köln agiert zu bravTimo Schultz will keinen Fairplay-Preis gewinnen

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Schwer angeschlagen: Die Spieler des 1. FC Köln um Torwart Marvin Schwäbe (l.) nach der Demütigung gegen Leipzig.

Schwer angeschlagen: Die Spieler des 1. FC Köln um Torwart Marvin Schwäbe (l.) nach der Demütigung gegen Leipzig.

Nach dem 1:5-Heimdebakel gegen RB Leipzig kritisiert der Trainer das Abwehrverhalten des 1. FC Köln. Besserung soll das am Montag beginnende Trainingslager in Spanien bringen.

Timo Schultz (46) aus Ostfriesland gilt als ruhiger und besonnener Fußballlehrer, der sich nicht so leicht aus der Fassung bringen lässt. Umso bemerkenswerter war es, in welch schonungsloser Deutlichkeit der Trainer des 1. FC Köln den Zusammenbruch seiner Mannschaft beim 1:5-Heimdebakel gegen RB Leipzig kritisierte. Grund dafür war die indiskutable Kölner Zweikampfquote, mit der sich im Abstiegskampf der Bundesliga nicht bestehen lässt. „Auch wenn ich von Statistiken nicht viel halte, aber 42 Prozent gewonnene Zweikämpfe – das ärgert mich besonders. Das war eigentlich das Motto des Spiels“, sagte Schultz.

Anders ausgedrückt bedeutete dies, dass der FC-Trainer seiner Mannschaft mit auf den Weg gegeben hatte, der spielerischen Übermacht des Champions League-Teilnehmers mit Härte zu begegnen. Doch davon war in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen. Nachdem die Kölner ein 1:1 in die Pause gerettet hatten, waren sie durch drei Gegentore zwischen der 63. und 70. Minute auseinandergefallen. „Wir haben es nicht geschafft, stabil zu bleiben und haben weitere Gegentreffer kassiert. Das ging definitiv zu einfach, das müssen wir ansprechen und abstellen“, monierte Schultz, bei dem Erinnerungen an das 0:4 gegen Dortmund hochkamen.

Wenn ich hier die Möglichkeit habe, einen an der Seitenlinie auch mal in die Bande zu drücken, dann muss ich das machen.
Timo Schultz, Trainer 1. FC Köln

Exemplarisch für das zaghafte Abwehrverhalten stand die Entstehung des dritten Gegentreffers, bei dem sich Rasmus Carstensen an der Seitenlinie von David Raum düpieren ließ. Der Nationalspieler konnte problemlos auf Loïs Openda flanken, der mit einem Kopfball für die frühe Entscheidung sorgte. „Wenn ich hier die Möglichkeit habe, einen an der Seitenlinie auch mal in die Bande zu drücken, dann muss ich das machen. Das haben wir nicht gemacht, und sowas bestraft dann eine Mannschaft wie Leipzig auch mal mit fünf Gegentoren“, ärgerte Timo Schultz die Bravheit seiner Elf, die sich wie ein roter Faden durch die Saison zieht.

„Wir waren lange Zeit Zweiter in der Fairplay-Tabelle. Ich möchte aber keinen Fairplay-Preis gewinnen. Es geht nicht darum, jemanden umzutreten, aber wir brauchen eine gesunde Härte und viel mehr Power und Überzeugung im Zweikampf mit und gegen den Ball“, forderte Schultz. „Da müssen wir schärfer werden.“ Und zwar schon bald. „Das wird sicherlich ein Kernmerkmal für die restlichen Spiele der Saison werden, weil dann Gegner kommen, die sich über Kompaktheit und Zweikampfstärke definieren. Da müssen wir mindestens ebenbürtig sein“, mahnte der FC-Trainer.

Wir machen zu viele individuelle Fehler in den entscheidenden Situationen. Wenn wir solche Fehler machen, dann reicht es nicht.
Christian Keller, Sportchef 1. FC Köln

Auch sein Sportchef legte den Finger in die Wunde. „Wir haben zu viele entscheidende Zweikämpfe verloren. Entsprechend sind wir am Schluss zurecht abgeschossen worden“, bilanzierte Christian Keller eine gerechtfertigte Demütigung, die nach dem 0:6 in der Hinrunde die Zahl der kassierten Saisontreffer gegen Leipzig auf sage und schreibe elf steigen ließ. Als weiteres Beispiel für die Defensivdefizite führte Keller das 1:4 durch Amadou Haidara (70.) an. „Es ist wieder einmal ein schlecht verteidigter Eckball, wo wir den Rückraum nicht besetzen. Das ist zu billig“, schimpfte der Sportchef. Adressat war Youngster Denis Huseinbasic, der bereits das späte Gegentor beim 1:1 in Hoffenheim mitverschuldet hatte. Auch das 1:5 durch Yussuf Poulsen (82.) habe„so nicht fallen dürfen“.

Keller sieht darin ein grundsätzliches Problem: „Wir machen zu viele individuelle Fehler in den entscheidenden Situationen. Wenn wir solche Fehler machen, dann reicht es nicht“, sprach der Sportchef eine deutliche Warnung aus. Was kurzfristig Abhilfe schaffen kann? „Indem alle Spieler es schaffen, 90 Minuten auf Sendung zu sein.“ Doch momentan weisen die Kölner überall Probleme auf. „Wir machen in beide Spielrichtungen aktuell zu wenig, um die Spiele gewinnen zu können“, meinte Keller.

Trainingslager in Spanien als Einstimmung auf die Endphase

Trotz des Abrutschens auf einen direkten Abstiegsplatz hält der Kölner Sportchef selbst eine direkte Rettung weiterhin für möglich. „Wir müssen einfach mal zwei Spiele in Folge gewinnen, dann sieht die Welt schon wieder anders aus. Ich würde den ersten Nichtabstiegsplatz noch nicht aufgeben wollen“, sagte Keller, der die bisherige Rückrunde wie folgt zusammenfasste: „Wir waren in vielen Spielen auf Augenhöhe. Im Endeffekt haben wir es aber nicht geschafft, nach Frankfurt ein weiteres Spiel zu gewinnen. Wenn dir immer ein Ticken fehlt, ist es am Schluss auch kein Zufall mehr.“

Für Besserung soll das fünftägige Trainingslager in Algorfa sorgen, das die Kölner ab Montag beziehen. „Wir wollen noch mal einen Cut machen und uns gemeinsam für den Rest der Saison einstimmen“, erklärte Timo Schultz, der von der ungewöhnlichen Maßnahme während der Länderspielpause überzeugt ist: „Das brauchen wir, wir müssen in allen Bereichen an uns arbeiten. Danach geht es für uns in die Crunchtime mit einigen entscheidenden Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe, wo wir einen Dreier holen müssen.“ Als Schwerpunkte nannte der FC-Trainer: „An Details arbeiten, Kernthemen mit der Mannschaft besprechen und das ein oder andere neben dem Platz unternehmen.“

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