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InterviewEx-Kölner Marcel Schuhen über den Aufstieg mit Darmstadt 98

Lesezeit 6 Minuten
19.05.2023, xtvx, Fussball 2.Bundesliga, SV Darmstadt 98 - 1.FC Magdeburg emspor, emonline, v.l. nach dem Spiel, after the match Jubel Torwart Marcel Schuhen SV Darmstadt 98 DFL/DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and/or QUASI-VIDEO Darmstadt *** 19 05 2023, xtvx, football 2 Bundesliga, SV Darmstadt 98 1 FC Magdeburg emspor, emonline, v l after the match, after the match cheering goalkeeper Marcel Schuhen SV Darmstadt 98 DFL DFB REGULATES PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and or QUASI VIDEO Darmstadt

Anführer, Einheizer und Fanliebling: Torwart Marcel Schuhen erlebt beim SV Darmstadt 98 die erfolgreichste Zeit seiner Karriere.

Darmstadt 98 hat nach sechsjähriger Abstinenz die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga geschafft. Einer der Garanten war der frühere Kölner Marcel Schuhen. Tobias Carspecken sprach mit dem Torhüter über dessen besonderen Werdegang und die Dominanz der „Lilien“.

Herr Schuhen, wie haben Sie die Feierlichkeiten erlebt?

Es waren ganz, ganz tolle Tage. Die schönsten Tage meiner Karriere, voller positiver Gedanken. Und natürlich haben wir auch das ein oder andere Kaltgetränk zu uns genommen.

Wie war die Aufstiegstour nach Mallorca?

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Es war eine sehr, sehr gute Zeit mit Momenten, die man nicht so schnell vergisst. Als wir im vergangenen Jahr den Aufstieg knapp verpasst hatten, sind wir ebenfalls mit einer großen Gruppe auf die Insel geflogen. Dadurch entstand eine Jetzt-erst-recht-Mentalität.

Was bedeutet Darmstadt die Bundesliga-Rückkehr?

Ich glaube schon, dass die Leute ein bisschen darauf gewartet haben – ohne es aber offensiv auszusprechen. Diese Bescheidenheit zeichnet unseren Verein aus. Als es dann geschafft war, hat man gespürt, wie wertvoll dieser Erfolg für die Menschen in Darmstadt ist. Ich habe gefühlt 100.000 Umarmungen und Dankeschön-Bekundungen erhalten.

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, dass das Ziel eines jeden Zweitliga-Spielers sein sollte, in die Bundesliga aufzusteigen – weil es persönlich der nächste Schritt ist.
Marcel Schuhen

Was haben Sie gefühlt, als Sie nach dem entscheidenden Heimsieg gegen Magdeburg auf der Tribüne Ihre Kinder in den Arm genommen haben?

Mein erster Gedanke war: Ich muss irgendwie zu meiner Frau, meinen Kindern und meinen Eltern. Die größte Unterstützung als Sportler erfährt man durch seine Familie. Ohne sie geht es und funktioniert es nicht. Deshalb wollte ich diesen Moment unbedingt mit meiner Familie teilen. Sie ist das Allerwichtigste für mich.

Ist mit dem Bundesliga-Aufstieg für Sie ein Traum in Erfüllung gegangen?

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, dass das Ziel eines jeden Zweitliga-Spielers sein sollte, in die Bundesliga aufzusteigen – weil es persönlich der nächste Schritt ist. Das habe ich auch in Phasen gesagt, in denen es nicht so gut lief. Deswegen geht für mich nun ein Traum in Erfüllung. Ich freue mich sehr auf die Aufgaben, die auf uns und auf mich zukommen.

Beim 1. FC Köln haben Sie den Durchbruch einst verpasst. Wie ernsthaft haben Sie sich zwischenzeitlich noch mit dem Thema Bundesliga beschäftigt?

Tatsächlich immer. Mein Werdegang ist stufenweise verlaufen. Erst habe ich Regionalliga gespielt, dann 3. Liga, dann 2. Liga. Natürlich ist es von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, den nächsten Schritt zu schaffen. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass die Art und Weise, wie ich arbeite, irgendwann belohnt wird. Wenn man sich selbst keine Grenzen setzt, kann man alles erreichen. Ich bin stolz, es nun in die Bundesliga geschafft zu haben.

Torsten (Lieberknecht/Trainer von Darmstadt 98, Anm. d. Red.) ist hierhin gekommen und hat von Anfang an sein Herz in der Kabine gelassen. Das ist bei der Mannschaft sehr gut angekommen, weil es auch schon anders war. Er ist authentisch, emphatisch und hat ein außerordentlich gutes Gefühl für Situationen.
Marcel Schuhen

Dort wartet nun unter anderem Ihr Ex-Club 1. FC Köln. Wie blicken Sie den beiden Spielen entgegen?

Mein erstes Spiel gegen den FC war sehr besonders (1:3-Niederlage mit dem SV Sandhausen in Köln in der Saison 2018/19, Anm. d. Red.). Ich habe es damals sehr genossen, in meinem alten Wohnzimmer zu spielen. Es werden besondere Spiele mit besonders vielen Kartenanfragen.

Darmstadt ist 21 Spiele in Folge ungeschlagen geblieben. Auf welchen Faktoren basierte diese Dominanz?

Auf harter Arbeit und auf großem Respekt den Gegnern gegenüber. Das war entscheidend dafür, dass wir jede Woche den vollen Fokus hatten und solch eine Serie hinlegen konnten.

Torsten Lieberknecht gilt als Vater des Erfolgs. Warum ist die Beziehung zwischen Mannschaft und Trainer in Darmstadt so besonders?

Weil Torsten immer Mensch ist. Das ist für mich das absolut Entscheidende. Torsten ist hierhin gekommen und hat von Anfang an sein Herz in der Kabine gelassen. Das ist bei der Mannschaft sehr gut angekommen, weil es auch schon anders war. Er ist authentisch, emphatisch und hat ein außerordentlich gutes Gefühl für Situationen. Torsten passt mit seiner Art sehr gut ans Böllenfalltor. Er besitzt großen Anteil an unserem Erfolg.

Ich war noch nie jemand, der sich verstellen kann und will. Ich sage das, was ich denke. In Darmstadt kann ich so sein, wie ich bin. Dadurch bin ich imstande, gute Leistungen zu bringen.
Marcel Schuhen

In welchem Bereich hat die Mannschaft den entscheidenden Schritt gemacht?

Wir waren auf die Situation vorbereitet. Die vergangene Saison war die perfekte Vorbereitung auf diese Saison.

Noch im Moment der Enttäuschung über den verpassten Aufstieg 2022 hatten Sie angekündigt, dass Darmstadt wieder aufstehen werde. Was hat Sie da so sicher gemacht?

Die erfolgreiche vergangene Saison wurde genutzt, um Verträge frühzeitig zu verlängern. Dadurch war klar, dass sehr, sehr viele Jungs bleiben werden. Das Gefühl, es nicht geschafft zu haben, haben wir positiv nutzen können, indem wir neue Energie geschöpft haben. Ich war vom ersten Moment an überzeugt, dass wir wieder eine gute Rolle spielen würden.

In Darmstadt sind Sie Anführer, Einheizer und Fanliebling. Warum liegen Ihnen diese Rollen?

Ich war noch nie jemand, der sich verstellen kann und will. Ich sage das, was ich denke. In Darmstadt kann ich so sein, wie ich bin. Dadurch bin ich imstande, gute Leistungen zu bringen. Die Leute hier haben mich sehr gut akzeptiert, weil sie gemerkt haben: Der Kerl meint die Dinge, die er sagt, wirklich ernst.

Wir müssen die positive Energie mitnehmen und geschlossen bleiben. Das heißt: Wir müssen Darmstadt 98 bleiben. Das ist unser Weg. Der hat uns bis hierhin gebracht, und der wird uns auch in den nächsten Jahren voranbringen.
Marcel Schuhen

Als Sie 2019 aus Sandhausen kamen, waren Sie nicht unumstritten. Nun sind Sie notenbester Torwart der 2. Liga. Wie kommt’s?

Meine ganze Karriere basiert auf harter Arbeit. Ich habe nie etwas geschenkt bekommen und bin auch nie vor irgendeiner Aufgabe weggelaufen. Ich bin immer den ehrlichsten Weg gegangen, für den ich nie Lorbeeren erhalten habe. Und: Mit Dimo Wache habe ich in Darmstadt einen hervorragenden Torwarttrainer, der mich nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben hat.

Wie groß wird die Umstellung auf die Bundesliga?

Wir werden nicht nervös. Wir freuen uns auf die Bundesliga und auf neue Herausforderungen. Natürlich wartet eine andere Qualität auf uns. Wer einen Aufstieg geschafft hat, braucht sich aber nie zu verstecken. Wir werden auch in der Bundesliga probieren, die Spiele zu ziehen. Wir müssen die positive Energie mitnehmen und geschlossen bleiben. Das heißt: Wir müssen Darmstadt 98 bleiben. Das ist unser Weg. Der hat uns bis hierhin gebracht, und der wird uns auch in den nächsten Jahren voranbringen. Wir werden auch mal einen auf den Deckel bekommen, das ist ganz normal. Aber dann gilt es ruhig und positiv zu bleiben und weiterzuarbeiten.

Zur Person 29 Gegentore in 33 Spielen: Marcel Schuhen (30) vom SV Darmstadt 98 hat in der nun zu Ende gehenden Zweitliga-Saison am seltensten hinter sich greifen müssen. Der in Kirchen (Sieg) geborene Torhüter war 2019 vom SV Sandhausen zu den „Lilien“ gewechselt. Schuhen stammt aus der Jugend des 1. FC Köln. Für Aufsehen sorgte er im März 2011 mit dem „Tor des Monats“, das ihm für die U19 des FC per Abschlag gelang. 2012 wurde Schuhen als dritter Keeper hinter Timo Horn und Thomas Kessler in den Profikader berufen. Zum Einsatz kam er ausschließlich im Regionalliga-Team. 2015 wechselte Schuhen zu Hansa Rostock, 2017 weiter nach Sandhausen. In seiner Vita stehen 177 Zweitliga- und 91 Drittligaspiele. (tca)

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