Benjamin Henrichs von RB Leipzig im Interview„In Turnschuhen der Mutter gespielt“

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Fußball 1. Bundesliga 17. Spieltag FC Schalke 04 - RB Leipzig am 24.01.2023 in der Veltins Arena in Gelsenkirchen Torjubel / Jubel / Tor zum 0:2 durch Benjamin Henrichs  Leipzig  DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video. *** Soccer 1 Bundesliga 17 Matchday FC Schalke 04 RB Leipzig on 24 01 2023 at the Veltins Arena in Gelsenkirchen Goal celebrations Goal to 0 2 by Benjamin Henrichs Leipzig DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video xHDx

Der Leipziger Rechtsverteidiger Benjamin Henrichs freut sich über sein erstes Saisontor, das er in der Partie am 24. Januar auf Schalke erzielt hat.

Benjamin Henrichs, Rechtsverteidiger von RB Leipzig, spricht im Interview über seine Anfänge bei der SpVg Porz und die Partie am Samstag beim 1. FC Köln.

Wenn RB Leipzig am Samstag (15.30 Uhr, Rhein-Energie-Stadion/Sky) beim 1. FC Köln gastiert, hat Benjamin Henrichs (25) ein Heimspiel. Der Rechtsverteidiger der „Roten Bullen“ wuchs auf der Schäl Sick auf und wurde bei Bayer 04 Leverkusen zum Fußballprofi. Tobias Carspecken unterhielt sich mit dem Deutsch-Ghanaer, der auf eine Rückkehr in die Nationalelf hofft.

Herr Henrichs, wie viel Rheinländer steckt noch in Ihnen?

Schon extrem viel. All meine Freunde außerhalb des Fußballs kommen aus der Region. Ich bin in Porz aufgewachsen und in Leverkusen zur Schule gegangen. An freien Tagen versuche ich, meine Familie im Rheinland zu besuchen.

Kommt es am Samstagnachmittag dann also zu einem großen Familientreffen in Müngersdorf?

Natürlich (schmunzelt). Die Nachfrage ist so groß, dass ich wohl einige Karten kaufen werde.

Ihre ersten Schritte als Fußballer haben Sie bei der SpVg Porz getätigt. Welche Erinnerungen haben Sie?

Porz, das war damals der Ascheplatz am Stadtgymnasium. Dort hatte ich auch mein erstes Spiel. Das werde ich nie vergessen. Ich habe übrigens in Turnschuhen meiner Mutter gespielt.

Sie haben der SpVg Porz bei einem Besuch vor einem Jahr eine Spende in Höhe von 10 000 Euro überreicht. Was waren Ihre Beweggründe?

Auch wenn ich nicht lange bei der SpVg Porz gespielt habe, habe ich dem Verein einiges zu verdanken. Ich wurde damals als Siebenjähriger von Bayer 04 Leverkusen bei einem Hallenturnier gesichtet. Die Erlaubnis, zum Probetraining gehen zu dürfen, konnte ich als Kind noch nicht richtig einordnen. Mit Mitte 20 ist das natürlich anders. Als ich dann davon erfahren habe, dass es der SpVg Porz während der Corona-Pandemie nicht so gut ging, bin ich eingesprungen. Wenn ich helfen kann, ist das selbstverständlich.

RB Leipzig kommt nach dem 3:1-Sieg gegen Hoffenheim als frischgebackener DFB-Pokal-Viertelfinalist nach Köln. Ist die Titelverteidigung mehr als nur ein Traum?

Als wir in der vergangenen Saison den Pokal gewonnen haben, habe ich das beste Gefühl meiner bisherigen Karriere verspürt. So ein Gefühl wünscht man sich wieder. Mit dem Einzug ins Viertelfinale haben wir einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Leipzig ist seit 17 Pflichtspielen ungeschlagen. Warum ist RB im Vergleich zum holprigen Saisonstart nicht wiederzuerkennen?

Das ist das Ergebnis harter Arbeit. Wir sind eine Einheit, bei der jeder für den anderen spielt. Das ist extrem wichtig. Wenn man Erfolg haben möchte, muss jeder seine eigenen Interessen hintenanstellen. Der Erfolg des Teams steht über allem.

Ist Leipzig die derzeit beste Mannschaft im deutschen Fußball?

Rein von den Zahlen her kann aktuell nur der FC Bayern eine derart lange Serie vorweisen. 17 ungeschlagene Spiele in Folge hatte ich noch nie in meiner Karriere. Im Fußball kann sich so etwas aber schnell wieder ändern. Wir müssen dranbleiben.

Marco Rose hat im September die Nachfolge des entlassenen Domenico Tedesco angetreten. Wie stark ist Roses Handschrift zu erkennen?

Er hat großen Einfluss. Wenn es zwischen dem Trainerteam und der Mannschaft nicht passen würde, käme eine solche Serie gar nicht zustande. Die Resultate sprechen für sich.

Wie erleben Sie Marco Rose in der Zusammenarbeit?

Er ist ein sehr offener Trainer, der viel das Gespräch mit seinen Spielern sucht und ehrlich zu ihnen ist. Er sagt, was er fordert. Als Spieler weißt du immer, woran du bei ihm bist.

Durch den Münchner Durchhänger nach der Winterpause ist RB auf zwei Punkte an die Tabellenspitze herangerückt. Ist Leipzig in der Lage, den FC Bayern bis zum Ende zu attackieren?

Das liegt an uns. Aktuell stehen wir wirklich gut da. Abgerechnet wird aber am Saisonende. Der derzeitige Erfolg ist eine Momentaufnahme, auf der wir uns nicht ausruhen dürfen. Zwischen Platz eins und sechs geht es ganz eng zu. Auf uns warten mehrere Englische Wochen und wir müssen ans Maximum gehen.

Wie groß ist in Leipzig die Sehnsucht nach einer Wachablösung im deutschen Fußball?

Wir haben im vergangenen Jahr mit dem DFB-Pokalsieg den ersten Titel der Vereinsgeschichte geholt. Das hat der ganzen Stadt gutgetan und eine riesige Euphorie in Leipzig ausgelöst. Bei einer Meisterschaft wäre das sicherlich nicht anders. Aber wie gesagt, abgerechnet wird am Saisonende.

Könnte die Installation von Max Eberl als neuem Sportchef einen zusätzlichen Schub geben?

Na klar. Max ist auch schon länger in diesem Geschäft dabei und hat in Mönchengladbach sehr gute Arbeit geleistet. Er macht einen offenen Eindruck und spricht viel mit uns. Es ist wichtig, einen solchen Ansprechpartner im Club zu haben.

Nun geht es zum 1. FC Köln, der jüngst bei den Bayern ein 1:1 erreicht hat. Wie groß ist der Respekt?

Gegen Köln ist es nie einfach. Das zeigt auch das Hinspiel, das 2:2 ausgegangen ist. Wir reisen aber in einer sehr guten Form an, durch die auch der Gegner Respekt vor uns haben wird. Klar ist, dass uns ein brutal intensives Spiel erwartet. Köln läuft extrem viel. Das müssen wir annehmen.

In der Bundesliga sind Sie Stammspieler, in der Champions League kommen Sie von der Bank. Wie beurteilen Sie Ihren Status?

Ich habe starke Konkurrenten auf meiner Position. Mohamed Simakan ist französischer U21-Nationalspieler, Lukas Klostermann ist deutscher A-Nationalspieler. Wir pushen uns gegenseitig. Genau das macht uns als Mannschaft so stark. Wir alle geben immer Gas, um uns zu empfehlen und dem Trainer die Entscheidung so schwer wie möglich zu machen.

Kaum ein Verein polarisiert so stark wie RB Leipzig. Der Club wird von weiten Teilen der deutschen Fanszene abgelehnt, weil er als Marketing-Maßnahme von Red Bull betrachtet wird. Wie erleben Sie es vor Ort?

Ich fühle mich hier sehr wohl. Man merkt, dass die Menschen in Leipzig froh sind, dass es den Verein gibt. Als Spieler wird man in der Stadt häufig angesprochen und erfährt viel Anerkennung. Und was den Club betrifft: RB Leipzig ist der professionellste Verein, den ich bislang erlebt habe. Wie hier gearbeitet und was hier gemacht wird zum Beispiel in Sachen Infrastruktur – das findet auf einem ganz hohen Level statt.

Die Nicht-Nominierung für die WM haben Sie als „Schock“ bezeichnet. Wie lange haben Sie gebraucht, um die Enttäuschung abzuschütteln?

Ich habe ein bisschen gebraucht. Aber jetzt ist die WM vorbei und das Thema raus aus meinem Kopf. Ich konzentriere mich auf die Aufgaben, die mit RB Leipzig anstehen, und will hier meine Leistung bringen. Wenn es dann in Zukunft wieder mit der Nationalmannschaft klappt, freue ich mich natürlich. Und wenn nicht, spornt mich das an, im Verein noch bessere Leistungen zu bringen.

Ist die Heim-EM 2024 ein zusätzlicher Anreiz für Sie?

Das schon. Ich will mich jedoch nicht in die Nationalmannschaft reden, sondern einzig und allein mit Leistungen überzeugen.

Gab es denn nochmal einen Austausch mit Bundestrainer Hansi Flick?

Vor der WM gab es einen Austausch, bei dem der Bundestrainer mir die Gründe für die Nicht-Nominierung erklärt hat. Danach bisher noch nicht.


Zur Person

1997 wurde Benjamin Henrichs in Bocholt geboren. Der Sohn eines Deutschen und einer Ghanaerin wuchs in Porz auf und legte 2015 in Leverkusen das Abitur ab. Über die SpVg Porz schaffte der Außenverteidiger 2004 den Sprung zu Bayer 04 Leverkusen, wo er 2015/16 sein Profi-Debüt feierte.

Nach 76 Einsätzen für die Werkself wechselte Henrichs im Sommer 2018 für 20 Millionen Euro Ablöse zur AS Monaco. 2020 zog es ihn zunächst für ein Jahr auf Leihbasis weiter zu RB Leipzig, das Henrichs später per Option für 15 Millionen Euro Ablöse bis 2025 fest verpflichtete. Sein bislang größter Erfolg war der Gewinn des DFB-Pokals 2022. 113 Bundesliga-Einsätze (4 Tore/9 Vorlagen) stehen in seiner Vita. Hinzu kommen u.a. sieben Einsätze für die Nationalelf. (tca)

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