Analyse gegen SchalkeÄngstlicher Start und groteske Spielphasen beim FC

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schalke gegen FC

 Schalkes Matthew Hoppe und Kölns Ondrej Duda kämpfen um den Ball.

Köln – Egal wie, egal von wo und überhaupt egal. Jan Thielmann gab am Mittwochabend nach seinem bislang größten Moment im Trikot des 1. FC Köln freudetrunken das Motto vor: „Die Hauptsache ist, der Ball war drin.“ Ein Satz des 18-jährigen Siegtorschützen, der in seiner Schlicht- und Klarheit den glücklichen 2:1-Erfolg beim FC Schalke 04 nicht besser hätte beschreiben können. Niemand sollte mehr fragen, wie der wichtige Erfolg im Kellerduell der Fußball-Bundesliga zustande gekommen war. Was zählte, waren die drei Punkte im Abstiegskampf und die Tatsache, dass der FC zum Abschluss der Hinrunde nicht nur dem immensen Druck Stand gehalten, sondern auch acht Punkte zwischen sich und die direkten Abstiegsplätze gelegt hatte.

Für die Fehleranalyse des Trainerteams um Markus Gisdol mag es eine Rolle spielen, dass die Kölner die Partie beim Tabellenletzten derart ängstlich angingen, dass sie 20 Minuten lang die einfachsten Dinge mit Ball außer Acht ließen. Für das Hier und Jetzt war es aber ebenso belanglos wie die groteske Phase zwischen der 57. und 72. Minute, als der Auftritt des FC zur Karikatur eines Fußballspiels geriet. Wenn am Ende der Saison der Klassenerhalt geschafft ist, werden sie beim FC lachen können über den Slapstick beim 1:1-Ausgleich von Matthew Hoppe (57.) und die anschließenden Schwimmübungen am eigenen Strafraum. Die Kölner kamen nicht einmal mehr aus ihrer Hälfte heraus.

In solchen Momenten entscheiden Kleinigkeiten

Horst Heldt wird mitlachen. Der FC-Sportchef weiß aus eigener Erfahrung als ehemaliger Bundesliga-Profi nur zu gut, was bei solchen Spielen in den Köpfen und Beinen der Akteure abgeht. „Das ist Abstiegskampf. Ich kann nachvollziehen, dass es außen betrachtet verwunderlich ist, mag es verwunderlich sein, dass das Spiel in der zweiten Hälfte kippt, aber den Bayern ist es in Augsburg passiert und ich habe es in meiner Karriere auch erlebt“, erklärte der 51-Jährige. Er ergänzte, dass es die Kleinigkeiten sind, die in solchen Momenten im Sport entscheiden: „Wenn wir das 2:0 gemacht hätten, wäre das Spiel wohl nicht gekippt“. Heldt meinte vor allem die Szene, in der Schalkes Ozan Kabak eine Flanke von Marius Wolf an den Pfosten lenkte (54.). Am Ende zählten auch für Heldt der Sieg und der Fakt, dass der FC im Gegensatz zum 0:5 in Freiburg mit der richtigen Einstellung bei der Sache war: „Der Druck war vor diesem Spiel für beide Seiten groß. Es war ein Sieg des Charakters. Die Jungs haben auf diesem schwer zu bespielenden Platz Mentalität gezeigt.“

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Lob an Markus Gisdol ausgesprochen

Ein dickes Lob des Sportchefs ging auch an Cheftrainer Markus Gisdol: „Er hat gut gewechselt, frische Spieler gebracht und dann kurz vor Schluss mit Thielmann und Arokodare zwei Offensive und damit ein Zeichen gesetzt.“ Mit Balleroberer Salih Özcan und Passgeber Elvis Rexhbecaj bereiteten zwei von Gisdols Jokern Thielmanns Kontertor in der dritten Minute der Nachspielzeit vor. „Mein Kopf war komplett ausgeschaltet. Ich habe nicht groß nachgedacht, mich voll auf den Schuss konzentriert“, beschrieb der Abiturient.

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Die Unbekümmertheit bei seinem zweiten Bundesligatreffer fußt wohl auf seiner Torpremiere Anfang Dezember beim 2:2 gegen Wolfsburg. Nur wer weiß, wie es geht, muss nicht mehr nachdenken. „Jan ist ein absoluter Arbeiter und hat super vollstreckt“, lobte 1:0-Torschütze Rafael Czichos, der zu Pause mit muskulären Problemen in der Kabine bleiben musste. Marius Wolf hatte sogar eine Vorahnung: „Ich habe Jan vor dem Spiel gesagt, dass er sich ordentlich warm machen soll und auch nach Einwechslungen das Spiel entscheiden kann. Das hat geklappt.“

Thielmanns Tor war extrem kostbar. Der FC hat seinen Vorsprung gegenüber Mainz und Schalke auf acht Punkte ausgebaut und vor den Partien in Hoffenheim und gegen Bielefeld als 16. Anschluss an die fünf Teams des unteren Tabellenmittelfelds gefunden. „Das war ein toller Sieg, der der Mannschaft richtig guttun wird“, freute sich Markus Gisdol. Ein Sieg, der auch etwas Druck von seinen Schultern nehmen wird. „Es ist gar kein Ballast abgefallen“, entgegnete der FC-Coach und warnte: „Wir haben erst die Hinrunde gespielt. Es ist nur ein Zwischenergebnis und wir dürfen die Tabelle nicht überbewerten.“ Ihm wäre es am liebsten, wenn es nach dem ersten Sieg des Jahres so weiter geht – egal wie.

Kommentar zum Spiel: Applaus für mentale Stärke

Wenn es Punkte für einen „Kopf aus der Schlinge ziehen“-Wettbewerb in der Bundesliga geben würde, wären Markus Gisdol und der 1. FC Köln ganz vorne mit dabei. Es folgt schon einem bemerkenswerten Muster, wie der Trainer und sein Team sich in schwierigen Situationen zu Leistungen aufraffen, die ihnen kaum jemand zugetraut hätte. Das war im Winter 2019/20 zu bewundern und  ist es  ein Jahr später wieder. Erst das 2:1 in Dortmund nach 18 sieglosen Spielen und nun vier Punkte aus den beiden Partien nach der 0:5-Abreibung in Freiburg und 516 Minuten ohne Tor. Den Applaus für mentale Stärke haben sich Gisdol und seine Spieler verdient. Zumindest der Trainer muss sich aber gleichzeitig die Frage nach der Perspektive gefallen lassen.

Im Abstiegskampf   ist es wahrscheinlich der entscheidende Faustpfand, den Rücken durchdrücken  und Widerstände überwinden zu können.  Gisdol hat bewiesen, dass  er das kann – in Hoffenheim, Hamburg und nun in Köln.   Das mental starke 2:1 des FC auf Schalke belegt, dass das Team dem Schwaben folgt. Fruchtbarer kann die  Basis für die Arbeit eines Trainers kaum sein. Gelingt Gisdol erneut unter schwierigsten Bedingungen der Klassenerhalt, ist er aufgefordert, sich weiterzuentwickeln.  Das fängt bei der Vermittlung einer attraktiveren Spielidee an und setzt sich in der öffentlichen Bewertung von Spielen fort. Gisdol hat es nicht nötig einen  schützenden Schleier über die Leistungen zu legen. Die FC-Profis sind alt genug, um zu wissen, dass sie in Freiburg nicht ihr Bestes gegeben und auf Schalke glücklich gewonnen haben. Die Spieler werden mit einer solchen Einordnung umgehen können und ihr Trainer glaubhafter. Es wäre ein erster Schritt  auf der Suche nach einer Perspektive. 

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