Zum 42. Mal ungeschlagenLeverkusener stehen kurz vor historischem Bundesliga-Titel

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Jubel nach dem Dosenöffner: Leverkusens Einwechselspieler Jonas Hofmann nach seinem Treffer zum 1:0 gegen West Ham United.

Jubel nach dem Dosenöffner: Leverkusens Einwechselspieler Jonas Hofmann nach seinem Treffer zum 1:0 gegen West Ham United.

Nach einem weiteren ungeschlagenen Spiel in dieser Saison, steht Bayer 04 Leverkusen vor der ersten Deutschen Meisterschaft der Clubgeschichte, dank einem 2:0 Sieg gegen West Ham United.

„Man gewinnt Spiele mit Spielern“, begann Granit Xhakas seinen Satz gewöhnlich. Nach dem 2:0 (0:0) über West Ham United endete er aber pathetisch: „Und als Mannschaft gewinnt man Titel.“ Damit traf der 31-jährige Mittelfeldstratege von Bayer 04 Leverkusen den Nagel auf den Kopf. Schließlich war die vom Schweizer erneut präzise und zuverlässig geführte Werkself im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League zum 42. Mal in dieser Saison ungeschlagen geblieben und hatte so die letzten Argumente entkräftet, warum am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN), im Bundesliga-Heimspiel gegen Werder Bremen, nicht die erste Deutsche Meisterschaft der Clubgeschichte folgen sollte.

In einer Saison, die den Eindruck vermittelt, als würde der Fußballgott alles Positive, das bisher verwehrt geblieben ist, auf einmal über den Rheinländern ausgießen, zeigten Xhaka und Co. nämlich genau das. Dass sie keine Ansammlung von Individualisten sondern eine echte Einheit sind. Diese stand auch am Donnerstag, gegen den extrem defensiv eingestellten Siebten der englischen Premier League füreinander ein, glaubte geduldig an das Erreichen des gemeinsamen Ziels und durfte unter ihrem neuen Spitznamen „Laterkusen“ spät über die nahezu perfekte Ausgangslage für das Rückspiel, in Ostlondon, jubeln.

„Einmal mehr kommen Spieler von außen und entscheiden das Spiel“, hob Xhaka den Einfluss der beiden Joker Jonas Hofmann und Victor Boniface hervor. Ersterer hatte in sechs Pflichtspielen im März nur 165 Spielminuten bekommen und weder mit Toren, noch mit Vorlagen für sich geworben. „Jonas hatte keine einfache Situation, deswegen freut es mich für ihn brutal“, sprach sein gleichaltriger Kollege, ebenfalls mit Gladbacher-Vergangenheit, über Hofmann.

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Dass dieser Xabi Alonsos Anweisungen sieben Minuten nach seiner Einwechslung mit dem „Dosenöffner“ zum 1:0, umsetzen konnte, ließ nicht nur Leverkusens Coach aufatmen. „Xabi hat mir vor allem taktische Anweisungen gegeben“, verriet der Führungstorschütze, „ich sollte versuchen, ein bisschen mehr in der letzten Linie zu sein, vielleicht sogar mehr als zweiter Stürmer zu spielen, um uns mehr Tiefe zu geben“, merkte Hofmann die unzureichende Strafraumbesetzung in den vorherigen 82 Minuten an. „Beim Eckball bin ich irgendwie mit in den 16er rein und dann hat alles gepasst“, war er nach über fünf Monaten ohne Treffer erleichtert.

Dass ihm im Oktober 2023, gegen Freiburg, das letzte Tor gelungen war, verwunderte alle Zuschauer, die Hofmanns technisch hochwertigen Volley-Linksschuss nach einem geblockten Versuch von Victor Boniface sahen (83.). „Wir haben einen Kader, in dem jeder in die Startelf gehört“, nannte Xhaka einen weiteren Grund für den historischen Höhenflug. Beim Treffer zum Endstand tauschten die beiden Joker die Rollen. Der vier Monate an den Adduktoren verletzte Boniface köpfte eine Hofmann-Flanke gekonnt ein.

Xabi Alonso: „Unsere Vorfreude könnte nicht größer sein“

„Ich spreche aus Erfahrung“, ordnete der ehemalige Arsenal-Spieler Xhaka das 2:0 in der Nachspielzeit ein. „Ich habe sieben Jahre lang gegen West Ham gespielt und weiß wie schwer es dort ist, mit 60 oder 70.000 Zuschauern im Rücken. Das wird eine andere Mannschaft sein, die höher presst. Da müssen wir konzentriert und geduldig bleiben und versuchen ein Tor zu machen. Dann sieht es gut aus“. Also anders machen als der SC Freiburg, der im Achtelfinale nach einem 1:0 im Hinspiel in London 0:5 unterging.

Ähnlich dürfte die Marschroute auch für das Heimspiel gegen Werder Bremen lauten. „Unsere Vorfreude könnte nicht größer sein“, nahm Xabi Alonso den wahrscheinlich letzten Schritt zum ersten Titel in der Bundesliga ins Visier: „Wenn wir gewinnen, sind wir Meister. Wir haben 90 Minuten, um etwas sehr Spezielles zu erreichen“. Wenn die Ticketpreise auf dem Schwarzmarkt in exorbitante Höhen steigen, das Vereinslied von Peter Lorenz umgeschrieben werden muss, weil der Klub, der sich einst die Wortmarke „Vizekusen“ schützen ließ, nicht „beim nächsten Mal“ sondern tatsächlich „in diesem Jahr“ „Deutscher Meister“ werden kann.

„Es werden nicht viele Menschen Deutscher Meister“, hielt Jonas Hofmann fest, „aber wir hätten uns das verdient. Die Schale am Ende der Saison hochzuhalten würde uns „Alles„ bedeuten. Dann fließen vielleicht auch Tränen und man lässt seinen Emotionen freien Lauf. Aber es ist noch nicht durch, wir müssen 90 Minuten noch einiges dafür tun“.

Am liebsten aus eigener Kraft und nicht schon am Sonntag auf der Couch, sollten die Bayern und Stuttgart in ihren Heimspielen gegen Köln und Frankfurt patzen. Ich hoffe, wir können es selbst entscheiden. Gerade, wenn fast alle das erste Mal Deutscher Meister werden, dann willst du das nicht irgendwie auf der Couch mittags bei einem Wasser, einen Tag, bevor du selbst spielst. Da kannst du auch gar nicht so die Emotionen rauslassen. Deshalb drücke ich Bayern und Stuttgart die Daumen“, sagte Hofmann und drückte die sehr spezielle Situation der Leverkusener vor dem historischen Moment auf ungewöhnliche Weise und selbstbewusst aus.

Voraussichtliche Aufstellungen

Bayer 04: Hradecky; Kossounou, Tah, Hincapie; Frimpong, Xhaka, Andrich, Grimaldo; Hofmann, Wirtz, Boniface.

Bremen: Zetterer; Malatini, Groß, Veljkovic; Weiser, Lynen, Agu; Schmid, Bittencourt; Woltemade, Ducksch.


Kein Public Viewing, keine große Party

Die große Meistersause muss warten. Für den Fall, dass Bayer Leverkusen am Sonntag FC Bayern München nach elf Titeln in Serie als deutscher Fußball-Meister ablöst, ist wegen des Rückspiels gegen West Ham United am Donnerstag keine größere Party geplant. Um den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte am 29. Spieltag perfekt zu machen, benötigt der Spitzenreiter gegen Werder Bremen einen Sieg oder einen Punkt, sollten die Verfolger Bayern München und VfB Stuttgart am Samstag nur Unentschieden spielen. Verlieren beide am Samstag, wäre Leverkusen bereits vorzeitig Meister.

Zwar wird die Mannschaft die gewonnene Meisterschaft spontan feiern, aber eher in kleinerem Rahmen. Ein Public Viewing für Fans, die am Sonntag nicht ins Stadion kommen, wird es in der Stadt nicht geben. Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) wird in der BayArena mitfiebern. „Jetzt heißt es, Daumen drücken. Vielleicht erfüllt sich Bayer 04 Leverkusen mit seiner Werkself am Sonntag den großen Traum. Ein Fest für den Verein, die Stadt und vor allem die Fans. Daher wird am Sonntag in ganz Leverkusen mit Sicherheit mitgefiebert“, sagte Richrath. (dpa)

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