- Die Biathleten haben es in Zeiten der Corona-Krise vergleichsweise gut.
- Ihr Trainingsbetrieb ist nicht so stark eingeschränkt wie bei anderen Sportarten.
- Der mehrmalige Weltmeister und Fußballfan Erik Lesser sieht die Bevorzugung der Bundesligen allerdings kritisch.
- Mit ihm sprach Andreas Morbach.
Herr Lesser, wie fühlt sich das Leben als Biathlet in Corona-Zeiten an?Bei uns ist alles relativ normal. Wir haben Anfang Mai wieder mit dem Training angefangen, haben aber keinerlei Einschränkungen. Wir müssen nicht mit Mundschutz trainieren – was schon mal gut ist (lacht). Mittlerweile können wir uns auch in kleinen Grüppchen zusammentun.
Und wie geht es Ihnen als Fußballfan und Anhänger vom Zweitligisten Erzgebirge Aue beim Gedanken an den Re-Start der beiden höchsten Fußball-Ligen?
Ehrlich gesagt, hätte ich in den letzten Wochen gar keine Zeit gehabt, um Fußball zu gucken. Ich habe also gar nicht richtig bemerkt, dass keine Bundesliga ist. Aber wenn’s jetzt läuft, würde ich es mir trotzdem mal anschauen. Ich schaue nebenbei gerne Formel 1 oder Radsport, aber momentan ist in der Sportlandschaft einfach nichts im Angebot. Da ist es natürlich schön, dass die Bundesliga wieder losgeht. Allerdings – unter fairen Bedingungen wird dieser Re-Start nicht ablaufen.
Zur Person
Erick Lesser, von seinen Freunden Lessi genannt, gehört zu den erfolgreichsten deutschen Biathleten. Zu seinen größten Erfolgen zählen die Silbermedaille bei den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi und der Doppel-Weltmeistertitel in der Verfolgung und mit der Staffel bei der WM 2015 in Finnland. (gme)
Inwiefern nicht fair?
Dynamo Dresden befindet sich in einer 14-tägigen Quarantäne, kann den Spielbetrieb nicht aufnehmen. Wenn es Dresden erwischt, kann es auch irgendjemand anderen erwischen. Die Wahrscheinlichkeit ist da schon ziemlich hoch. Bei uns in der Regionalzeitung war gerade eine schöne Auflistung, welche Sportligen abgebrochen wurden, wo kein Meister gekürt wurde. Da gibt es neben dem Fußball nur die Basketball-Bundesliga der Männer, die ihre Saison noch zu Ende bringen will. Da hat König Fußball aktuell schon eine Ausnahmestellung, mit Halb- oder Komplett-Quarantäne. Und Sportler wie Thomas Röhler [deutscher Speerwerfer, Olympiasieger von 2016, d. Red.] wissen zum Teil nicht, wie sie in den Kraftraum kommen.
Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verspricht sich vom bevorstehenden Re-Start ein Milliardenpublikum weltweit. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin lobt die Bundesliga als „leuchtendes Beispiel“. Was lösen solche Statements in Ihnen aus?
In der Politik würde man von Lobbyismus sprechen. Das ist ja ein Stück weit normal. Weil verständlicherweise alle froh sind, wenn es weitergeht und die Fernsehgelder wieder fließen und wenn man bedenkt, was an Gehältern gezahlt wird und welche Budgets im Raum stehen.
Aber?
Die Fairness muss man schon im Kopf behalten. Von einem „leuchtenden Beispiel“ würde ich nicht sprechen. Die italienische und die englische Liga überlegen auch, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Also man kann für das System Bundesliga nur hoffen, dass kein Erstligist Probleme mit Corona bekommt und in Quarantäne muss. Denn dann wird der Aufschrei ganz groß sein. Wobei in zehn Jahren sowieso jeder auf die Spielzeit 2019/2020 zurückschauen und denken wird: Was für eine sinnlose Saison, egal, ob man das jetzt durchführt oder abbricht. Mal ganz abgesehen davon, dass beim Duschen jetzt auch keiner aufpassen wird, dass die Fußballer den Abstand einhalten.
Alles zu überprüfen, was jenseits der Fernsehkameras passiert, ist unmöglich. Und wohl auch nicht wünschenswert.
Ehrlich gesagt, ich hatte heute Morgen beim Bäcker auch meinen Mundschutz vergessen.
Oha, kommt man so überhaupt rein in den Laden?
Ja, das ging. Mit Abstand halten. Im privaten Bereich muss man die Abstandsregeln nicht einhalten, das kann ja jeder handlen wie er will. Aber in der Öffentlichkeit, wo man eine Vorbildfunktion hat, ist es einfach schwierig. Und um den Gedanken von vorhin noch mal aufzugreifen: Die Kanuten, die sowieso allein im Boot sitzen, haben international alle Wettkämpfe bis Ende September abgesagt oder verlegt. Und die Fußballer fangen jetzt wieder an, in der Öffentlichkeit mit Körperkontakt zu spielen. Das ist schon sehr bizarr.
Glauben Sie, dass der Ruf der Fußball-Branche durch die aktuellen Diskussionen mittel- bis langfristig Schaden nehmen wird?
Nein. Wenn Corona vorbei ist, läuft das Fußballgeschäft genau so weiter wie vorher. Einige werden Einnahmeausfälle, hohe Spielergehälter und die enormen Ablösesummen beklagen. Dann wird der Spieler eben nicht für acht Millionen Euro transferiert, sondern für fünf Millionen. Da wird es Geheule geben – aber es wird alles ganz schnell wieder zur Normalität übergehen. Genauso wie alle Unternehmen, die jetzt nach Staatshilfen schreien, in zwei Jahren wieder Boni an ihre Vorstandsmitglieder auszahlen werden. Es wird alles genau so weiterlaufen wie bisher.