Portrait des neuen FC-TrainersSteffen Baumgart – Bessermacher und Energiebündel

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Der neue Trainer Steffen Baumgart

Köln – Der 16. September 2018 war ein herrlicher Spätsommertag. Die Sonne stand über Müngersdorf, alles war angerichtet für ein besonderes Fußballspiel. Das bekamen die 50 000 Zuschauer im voll besetzten Rheinenergiestadion tatsächlich auch geboten. Zu ihrem Leidwesen trug die Hauptverantwortung allerdings nicht der 1. FC Köln, der damals noch von Markus Anfang trainiert wurde.

Für Spektakel hatte allen voran der SC Paderborn gesorgt, der am Ende eines wilden Zweitliga-Spiels mit 5:3 triumphierte. Der Sieg bei den favorisierten Kölnern war ein vorläufiger Höhepunkt in der Trainerkarriere des Steffen Baumgart. Am Ende der Saison 2018/19 ließ er mit dem zweiten Paderborner Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte einen noch weitaus größeren Coup folgen.

Im Sommer 2021 kehrt der gebürtige Rostocker nach Köln zurück, und zwar erst einmal dauerhaft. Denn wie die Geißböcke am Dienstag bestätigten, übernimmt Baumgart zum 1. Juli den Trainerposten bei dem zwei Spieltage vor Saisonende in akuter Abstiegsgefahr schwebenden Bundesliga-Siebzehnten.

Der bis 2023 geschlossene Vertrag gilt ligaunabhängig. Er ist ein wichtiger Erfolg, auch für den in die Kritik geratenen Sportchef Horst Heldt. Schließlich hatte sich der FC im Werben um den begehrten Fußballlehrer gegen mehrere Konkurrenten durchgesetzt. Der Hamburger SV, Hannover 96 und zuletzt auch Schalke 04 sollen ebenfalls um die Unterschrift des scheidenden Paderborner Coaches gekämpft haben.

Freude über die Wunschlösung

Den Zuschlag aber erhielten die Kölner, und entsprechend groß ist ihre Freude darüber, dass die Wunschlösung für die Nachfolge von Markus Gisdol beziehungsweise „Feuerwehrmann“ Friedhelm Funkel realisiert werden konnte. „Es freut uns sehr, dass sich Steffen Baumgart für den 1. FC Köln entschieden hat“, erklärte Horst Heldt, der seinem baldigen Trainer „herausragende Arbeit“ in Paderborn attestierte.

In der Tat blickt der 49-Jährige auf eine erfolgreiche, teils sogar rauschhafte Zeit in Ostwestfalen zurück. Trotz überschaubarer finanzieller Mittel war Baumgart mit rasantem Offensivfußball der nicht für möglich gehaltene Durchmarsch von der dritten in die erste Liga gelungen. Zwar folgte in der vergangenen Saison der direkte Wiederabstieg als chancenloses Schlusslicht, doch in Paderborn vertraute man Baumgart auch in sportlich schwierigen Phasen.

Als sich in der laufenden Spielzeit jedoch abzeichnete, dass es für den SCP über Zweitliga-Mittelmaß nicht hinausgehen würde, entschloss sich Steffen Baumgart, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. „Nach mehr als vier Jahren in Paderborn war es für mich jetzt Zeit für eine Veränderung“, befand der Coach, der die folgenden Verhandlungen mit dem FC als „vertrauensvoll und offen“ lobte. „Ich freue mich auf meine neue Herausforderung in Köln, die ich gemeinsam mit dem gesamten Verein, der Mannschaft und allen Fans ab der nächsten Saison voller Energie angehen werde.“

Ein echtes Temperamentbündel

Jene Aktivität und Dynamik ist längst zum Markenzeichen geworden des temperamentvollen Kraftbündels, das gerne auch bei kühlen Temperaturen im T-Shirt an der Seitenlinie entlangtigert. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Steffen Baumgart als erster Vereinsoffizieller in der Bundesliga mit einer Gelben Karte verwarnt worden ist. „Er ist ein emotionaler Leader, der sehr gut zum FC passt“, zeigt sich Horst Heldt überzeugt.

Der Kölner Sportchef schätzt Baumgart auch als Bessermacher. „Er hat bewiesen, dass er Spieler egal welchen Alters weiterentwickeln und besser machen kann. Damit ist er der richtige Mann für den Weg, den wir in den nächsten Jahren gehen müssen.“

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Beeindruckt waren die Kölner Verantwortlichen nach den Gesprächen mit Baumgart auch von dessen Menschenfänger-Qualitäten, mit denen der Trainer mitreißen und begeistern kann. Und die ab Sommer rund um das Geißbockheim für eine neue Aufbruchstimmung sorgen sollen.

Der Fußball des früheren Erst- und Zweitliga-Mittelstürmers, der am Wochenende mit Paderborn hochspektakulär 8:3 bei Erzgebirge Aue gewann, soll auch beim FC mutig und selbstbestimmend sein. Was aber nicht bedeutet, dass die Kölner Mannschaft wie unter dem letztlich gescheiterten Markus Anfang mit offenem Visier drauflos stürmen soll. Mutig und selbstbestimmend zu agieren, sei schließlich auch aus einer defensiveren Ausrichtung heraus möglich, heißt es beim FC.

Verhandlungen wurden auch mit dem früheren Kölner Erfolgscoach Peter Stöger (Austria Wien), Edin Terzic (Borussia Dortmund), Thorsten Fink, Bruno Labbadia (beide vereinslos) sowie zwei weiteren Trainern geführt. Zum Topfavoriten hatte sich intern allerdings recht früh Steffen Baumgart herauskristallisiert. Ob sein langjähriger Assistent Daniel Scherning (37) mit nach Köln kommt, ist indes noch nicht geklärt.

Zeitleiste - der lange Weg von Rostock nach Köln

  • Der gebürtige Rostocker (* 5. Januar 1972) startet beim Zweitligisten Dynamo Schwerin und wechselt nach einem Wende-Intermezzo bei der SpVg Aurich 1994 zu Hansa Rostock.
  • Der kampfstarke Stürmer steigt mit Hansa und Energie Cottbus (Foto) in die Bundesliga auf, erzielt in 225 Spielen 29 Tore. 142 Zweitligaspiele (36 Tore) u.a. für Union Berlin kommen dazu.
  • Wegen seines Einsatzwillens ist er überall Publikumsliebling. Nach dem Karriereende 2008 in Magdeburg gelingt ihm beim Oberligisten Germania Schöneiche der Übergang zum Trainer.
  • Sein erstes Engagement als Cheftrainer endet im März 2010 mit der Entlassung beim 1. FC Magdeburg. Auch beim SSV Köpenick (2015) und beim Berliner AK (2016) geht er vorzeitig.
  • 2015 erwirbt er die Fußballlehrerlizenz und übernimmt im April 2017 den abstiegsbedrohten Drittligisten SC Paderborn, der die Klasse nur wegen des Lizenzentzugs von München 1860 hält.
  • Es folgt der Durchmarsch in die Bundesliga, den der Trainer mit seinen Kindern bejubelt. Sein Team begeistert mit Offensivgeist, steigt aber 2020 als Letzter ab. 
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