„Aus erzieherischen Gründen“Kind erstickt in Sack — erneuter Prozess vor Ende

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Beginn eines Prozesses in Frankfurt (Oder) im Landgericht.

Der Angeklagten wird vorgeworfen, im Jahr 1988 einen vier Jahre alten Jungen in einen Sack gesteckt zu haben, wo das Kind an seinem Erbrochenen erstickt war. (Symbolbild)

Der Tod eines Vierjährigen erschüttert auch nach Jahrzehnten. Zum zweiten Mal muss eine mutmaßliche Sektenführerin wegen Mordes vor Gericht.

Nach sechs Monaten Verhandlungsdauer steht der Mordprozess gegen eine heute 76 Jahre alte mutmaßliche Sektenführerin vor dem Ende. Der Angeklagten wird vorgeworfen, im Jahr 1988 einen vier Jahre alten Jungen in einen Sack gesteckt zu haben, wo das Kind an seinem Erbrochenen erstickt war. Schon Ende der Woche könnte am Landgericht Frankfurt das Urteil fallen.

Psychiatrisches Gutachten geht erneut von uneingeschränkter Schuldfähigkeit aus

Bereits im September 2020 hatte das Landgericht Hanau eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen gegen die Frau verhängt. Doch der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil im Zuge der Revision und verwies die Sache zur Neuverhandlung nach Frankfurt.

Für den neuen Prozess wurde ein weiteres psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, das ebenso wie die vorangegangene Expertise von einer uneingeschränkten Schuld- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten ausgeht. Die Staatsanwaltschaft, deren Vertreterin bereits am Mittwoch plädieren soll, ist deshalb davon überzeugt, dass das Urteil der Hanauer Schwurgerichtskammer zutreffend war.

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Angeklagte sah Jungen als „Reinkarnation Hitlers“

Die Angeklagte hatte sich in dem Prozess umfassend zu dem Mordvorwurf geäußert und eine Tötungsabsicht bestritten. Sie habe das Kind zuvor öfters aus erzieherischen Gründen in den Sack gesteckt und es dadurch nicht töten wollen. Dem ersten Urteil zufolge betrachtete sie jedoch den Jungen unter anderem als „Reinkarnation Hitlers“.

Die Frankfurter Richter vernahmen seit Anfang Mai mehrere ehemalige Mitglieder der Sekte sowie deren Kinder. Jahrzehntelang waren Polizei und Staatsanwaltschaft von einem Unfall ausgegangen, bis Sektenaussteiger 2015 ein neues Licht auf den Fall warfen und es schließlich zum ersten Prozess vor dem Landgericht Hanau kam.

Urteil könnte diesen Freitag verkündet werden

Laut dem ursprünglichen Anklagesatz, der auch zu Beginn des zweiten Verfahrens verlesen worden war, soll die heute 76-Jährige den Jungen in den Mittagsstunden des 17. August 1988 „aus niedrigen Beweggründen und grausam“ getötet haben. Der Vierjährige befand sich demnach in ihrer alleinigen Obhut.

Sollten Staatsanwaltschaft und Verteidigung am Mittwoch ihre Schlussvorträge halten, könnte bereits an diesem Freitag das Urteil verkündet werden. (dpa)

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