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Was wäre wenn?Was geschieht, wenn ein Angriff auf Deutschland droht

13 min
Soldaten der Bundeswehr bei einer Übung

Soldaten der Bundeswehr bei einer Übung

Kriegsschiffe laufen aus, Kampfjets steigen auf. Der Bundestag ruft den Spannungsfall aus. Und nun? 14 Antworten auf die Frage, was sich für die Menschen im Land alles verändern würde.

Es ist ein Szenario, das die Nato seit Jahren wieder und wieder theoretisch durchspielt. An der weißrussischen Grenze zu Polen und dem Baltikum sowie in der russischen Exklave Kaliningrad kommt es zu einer massiven Truppenkonzentration. Die Parallelen zum Jahreswechsel 2021/22 sind offenkundig. Damals hatte Russland nach einem Manöver Zehntausende Soldaten an der Grenze zur Ukraine belassen und im Februar mit dem Großangriff auf die Ukraine begonnen.

In einem solchen Fall konsultieren sich die Nato-Staaten, wie es Artikel 4 des Bündnisvertrages vorsieht. Dann versetzt Deutschland die Bundeswehr in erhöhte Bereitschaft. Die USA und andere Länder verlegen Truppen und Ausrüstung in die Bundesrepublik. Kriegsschiffe der Bundeswehr laufen in die Ostsee aus, die Luftwaffe schickt mehr Kampfjets ins Baltikum, wo es immer häufiger zu Zwischenfällen mit russischen Flugzeugen kommt. Die Lage ist angespannt.

In Deutschland nehmen Anschläge und Sabotageakte auf kritische Infrastruktur zu. Heimatschutzeinheiten der Bundeswehr rücken aus, um wichtige Objekte militärisch zu schützen. Die Zahl der mutmaßlich von Russland provozierten „Zwischenfälle“ steigt kontinuierlich. Der Bundestag erklärt daraufhin den Spannungsfall. Er ist die Vorstufe des Verteidigungsfalls. Wenn das geschieht, ändern sich für die Bürger Deutschlands grundlegende Dinge.

14 Antworten auf einige der wichtigsten Fragen, die sich für diesen Fall ergeben, gestellt zuletzt auch in dem Buch „Deutschland im Ernstfall“ von den Sicherheitsfachleuten Ferdinand Gehringer und Johannes Steger.

1. Was sind Spannungs- und Verteidigungsfall?

Wenn der Bundestag den Spannungsfall ausruft, werden die Notstandsgesetze in Deutschland aktiviert. Das sind Gesetze, die im Wesentlichen dafür sorgen sollen, dass der Staat handlungsfähig bleibt und die Bevölkerung trotz Krisenlage versorgt wird. Sie regeln, wie der Staat sowohl auf zivile als auch auf militärische Ressourcen, Infrastruktur und Personal zugreifen kann.

Ein Großteil der Gesetzestexte wurde im Kalten Krieg verfasst, ist aber nach wie vor gültig. Sie enthalten jede Menge Sonderregelungen für den Krisenfall, etwa wie Unternehmen verpflichtet werden können, zuerst für lebenswichtige Bereiche wie Gesundheit, Ernährung oder Energie zu produzieren, oder wie der Individualverkehr zugunsten des Militärs beschränkt werden kann.

Der Verteidigungsfall, also der Kriegsfall, tritt ein, wenn Deutschland mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht. Auch er muss vom Bundestag festgestellt werden.

2. Müssen jetzt alle zu den Waffen?

Bereits wenn sich Deutschland im Spannungsfall befindet, wird die – bisher noch ausgesetzte – Wehrpflicht automatisch aktiviert. In diesem Fall können laut Wehrpflichtgesetz Männer nicht nur bis zum 45., sondern bis zum 60. Lebensjahr eingezogen werden. Wenn sie den Militärdienst aus Gewissensgründen ablehnen, müssen sie einen Ersatzdienst leisten. Dazu sind alle verpflichtet. Dem kann man auch nicht entgehen, indem man schnell das Land verlässt. In einer Krisenlage kann die Bundesregierung ein Ausreiseverbot erlassen.

Für Frauen gilt die Wehrpflicht bis jetzt nicht. Im Verteidigungsfall können aber „Frauen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 55. Lebensjahr" zum Dienst in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder in der Gesundheitsversorgung verwundeter Soldaten verpflichtet werden. Das deutsche Grundgesetz ist hier eindeutig. Eine Totalverweigerung ist nicht möglich. Jeder muss im Verteidigungsfall seinen Beitrag leisten, ob militärisch oder zivil.

3. Muss ich noch arbeiten gehen?

Auch im Spannungs- oder Verteidigungsfall gilt die Arbeitspflicht. Ausgenommen sind Personen, die zum Wehr- oder Ersatzdienst und zu anderen Diensten verpflichtet werden. Wer arbeiten geht, darf indes nicht davon ausgehen, seiner üblichen Tätigkeit nachgehen zu können. Es besteht die Möglichkeit, dass einem im Ernstfall andere Aufgaben zugewiesen werden.

So gibt es in Deutschland das Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung. Es ermöglicht dem Staat, in den Arbeitsmarkt einzugreifen, um die Funktionsfähigkeit wichtiger Bereiche zu erhalten. Das kann vor allem in der medizinischen Versorgung, der Infrastruktur, der Landwirtschaft, der Energie- und der Wasserversorgung oder bei logistischen Dienstleistungen angewendet werden.

Beispiele wären Fachkräfte in Kraftwerken (Kohle, Gas, Kernenergie, erneuerbare Anlagen), die weiterarbeiten müssten, damit die Stromversorgung gesichert bliebe. Oder Personen aus anderen Branchen müssten in die Lebensmittellogistik wechseln, um die Versorgung der Bevölkerung (Kühlketten, Lagerung, Transport) sicherzustellen.

4. Ist die Gesundheitsversorgung sicher?

Im Spannungsfall geht alles weitgehend seinen normalen Gang. Dann wird noch nicht gekämpft. Im Verteidigungsfall aber kann es in der Gesundheitsversorgung zu erheblichen Einschränkungen und Priorisierungen kommen. Dann hat die Versorgung von Verwundeten, aber auch von Kriegsgefangenen Vorrang. Die Bundeswehr rechnet im Ernstfall mit bis zu tausend Verwundeten – pro Tag. Davon sind, den Annahmen gemäß, rund ein Drittel Intensivpatienten, ein Fünftel besonders pflegebedürftig und gut die Hälfte leichter verletzt.

Dies würde nicht nur die Kapazitäten der fünf Militärkrankenhäuser in Deutschland bei weitem übersteigen, sondern mutmaßlich auch die zivilen Kliniken an die Belastungsgrenze bringen. Die Behandlung von Verwundeten, von Kriegsverletzungen und akuten Notfällen hat oberste Priorität. Auch niedergelassene Ärzte können vom Staat zur Versorgung herangezogen werden.

Das bedeutet, dass planbare oder nicht lebensbedrohliche Arztbesuche deutlich verzögert oder ausgesetzt werden können. Das kann dazu führen, dass Hausarztpraxen geschlossen oder zusammengelegt werden, weil die Ärzte etwa in einem mobilen Lazarett oder in einer Notklinik helfen müssen.

5. Bekomme ich noch Medikamente?

Es gibt in der Kleinstadt Blankenburg im Harz (Sachsen-Anhalt) ein riesiges unterirdisches Militärdepot. Dort sind Unmengen von Verbandsmaterial, Medikamenten, medizinischem Gerät und Notfallreserven gelagert. Doch selbst das wird in Anbetracht der erwartbaren Verwundetenzahlen im Kriegsfall nicht lange reichen.

Für die Allgemeinbevölkerung gibt es indes keine breit aufgestellte Notfallreserve für Medikamente. Wie bei der Bundeswehr existieren zwar auch hier Vorräte. Doch wie lange sie reichen, ist unklar. Die Versorgung mit Arzneimitteln ist von funktionierenden Lieferketten und kurzfristiger Verfügbarkeit abhängig. Apotheken und Kliniken arbeiten meist nach dem Just-in-time-Prinzip. Sie haben für gewöhnlich nur geringe Vorräte.

Viele Medikamente werden zudem in Asien produziert. Schon in der jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt, wozu diese Abhängigkeit führen kann. So war es etwa im Winter 2022/23 zu einem Engpass bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder aus China und Indien gekommen.

6. Haben wir genug Blutkonserven?

Im Verteidigungs-, also im Kriegsfall, wird der Bedarf an Blutkonserven massiv steigen. Aber Blut muss gespendet, verarbeitet, gekühlt und rechtzeitig an den richtigen Ort gebracht werden. Es ist empfindlich, es gibt seltene und weitverbreitete Blutgruppen, weshalb eine vorausschauende Planung und eine funktionierende Transportlogistik nötig sind.

In der Ukraine zeigt sich, wie das geht: Ohne mobile Blutbanken, schnelle Blutgruppentests und regionale Reserven nahe der Front ließe sich eine medizinische Versorgung von Soldaten im Ernstfall nicht aufrechterhalten. Die Sicherstellung von Blutkonserven ist ein Beispiel für die Solidarität, die im Kriegsfall in einer Gesellschaft einsetzen müsste.

Das Blut für Verwundete muss nicht zuletzt aus Deutschland kommen, also gespendet werden, und zwar immer wieder neu, da man Blut nicht horten kann wie Weizen und Nudeln. Im Spannungsfall reicht, was gespendet wird. Im Kriegsfall sehr wahrscheinlich nicht.

7. Gibt es noch genug Lebensmittel?

Im Spannungsfall und mehr noch im Verteidigungsfall obliegt es dem deutschen Staat, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen. Das gehört zu seiner Pflicht im Rahmen der Daseinsvorsorge. Die Bürger sind allerdings nur ein Teil derer, die versorgt werden müssen. Hinzu kommen Zehntausende oder mehr Soldaten anderer Nationen, die sich im Land befinden.

So gibt es in Deutschland das Gesetz über die Sicherstellung der Grundversorgung mit Lebensmitteln in einer Versorgungskrise und die Vorsorge für eine Versorgungskrise aus dem Jahr 2017. Es gibt der Bundesregierung die Möglichkeit, im Verteidigungsfall in die Produktion und die Verteilung von Lebensmitteln einzugreifen. Das soll dafür sorgen, dass die Ernährung der Bürger gesichert ist.

Darüber hinaus bevorratet der Bund auch Lebensmittel. So werden mehrere hunderttausend Tonnen Weizen, Roggen und Hafer in der Bundesreserve Getreide für Mehl und Brot in Silos und Hallen gelagert. Alle zehn Jahre werden diese Bestände verkauft und ersetzt. Auch für andere Nahrungsmittel wie Reis, Erbsen, Linsen und sogar Kondensmilch hat der Bund Reserven angelegt.

Das alles dient dazu, Zivilisten im Ernstfall einmal am Tag eine warme Mahlzeit verabreichen zu können. Die Reserven würden dann an Einrichtungen abgegeben, die das Essen kochen und verteilen würden. Eingelagert sind sie dezentral bei privaten Unternehmen. Die Standorte sind geheim, damit es nicht zu Plünderungen oder gezielten Angriffen kommt.

8. Was gehört in den Notvorrat?

Für den Spannungs- oder Verteidigungsfall (aber auch für generelle Notlagen) sollte man einen 10-Tage-Vorrat an Lebensmitteln und Wasser bereithalten, ergänzt durch Hausapotheke, Hygieneartikel, Licht- und Kochmöglichkeiten, Dokumente und Bargeld. Man sollte ohne externe Versorgung mindestens 10 Tage überstehen können.

Zum Notvorrat gehören Grundnahrungsmittel wie Getreideprodukte (z. B. Nudeln, Reis, Haferflocken), Kartoffeln (haltbar oder getrocknet), Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen), Konserven (Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst), Dauerbrot, Knäckebrot, Zucker, Honig, Nüsse und Trockenfrüchte, alles in allem circa 2200 kcal pro Person und Tag.

Außerdem: Zwei Liter Wasser pro Person und Tag (zum Trinken und Kochen), eine Hausapotheke mit wichtigen Medikamenten (besonders Dauermedikamente für chronisch Kranke, etwa Betablocker oder ACE-Hemmer, Schmerzmittel, Wundversorgung), Desinfektionsmittel, Seife, Hygieneartikel (Toilettenpapier, Binden, Windeln), Campingkocher oder Grill mit Brennstoff, Kerzen, Taschenlampe, Batterien, Radio (möglichst mit Kurbel oder solarbetrieben), wichtige Dokumente (Ausweise, Versicherungspapiere) in wasserfester Mappe und Bargeld in kleinen Scheinen. Schließlich Notstromaggregat für einen Stromausfall, warme Kleidung und Schlafsack für einen Heizungsausfall.

9. Ist die Stromversorgung sicher?

Strom ist in modernen Gesellschaften unentbehrlich. Die Stromanlagen sind besonders kritische Infrastruktur – und dennoch oft unzureichend geschützt. Das Stromnetz ist so aufgebaut, dass nicht gleich im ganzen Land die Energieversorgung zusammenbricht, wenn irgendwo ein Umspannwerk oder ein Strommast zerstört wird. Das hat eher lokal begrenze Stromausfälle zur Folge.

Schwieriger würde es durch eine oder mehrere große Störungen, etwa den Ausfall von Kraftwerken und Stromabnehmern, was zu einem Ungleichgewicht im Gesamtnetz führen kann. Wird das Ungleichgewicht nicht schnell genug ausgeglichen, kann sich der Vorfall zu einem Blackout ausweiten, also einem großflächigen Stromausfall.

Der Schutz der Stromanlagen in einem großen Land wie Deutschland ist teuer. Seit Jahren weisen Sicherheitsfachleute darauf hin, dass viele Anlagen unzureichend gegen Sabotage oder Angriffe geschützt sind. Das zeigte sich etwa Anfang September, als es im Südosten Berlins einen mutmaßlich linksextremistisch motivierten Brandanschlag auf zwei Hochspannungsmasten gab und in rund 50.000 Haushalten für bis zu zweieinhalb Tage der Strom ausfiel.

Ohne Strom fährt die Bahn nicht mehr, ohne Strom gibt es kein Geld vom Automaten, kein digitales Bezahlen, keinen Akku fürs Handy, kein Internet, kein Fernsehen, kein Wasser aus der Leitung (weil die Pumpen stillstehen). Eine flächendeckende Mobilfunkabdeckung bei einem größeren Stromausfall wäre unmöglich. Gegensteuern könnte man mit mobilen Funkstationen, aber auch nur für begrenzte Zeit. Daher sollte jeder Haushalt einen Stromgenerator besitzen, zudem ein batterie- oder solarbetriebenes Transistorradio, um Informationen bekommen zu können.

10. Kommt noch Wasser aus der Leitung?

Viele Anlagen zur Wasserversorgung benötigen Strom und werden über das Internet gesteuert. Wasserspeicher in Hochbehältern sichern in der Regel nur für maximal zwei Tage die Versorgung ohne Pumpen. Dann müssen diese Pumpen die Speicher wieder befüllen. Wenn das Wasser fehlt, gefährdet das die Gesundheit ebenso wie die Hygiene, die Produktion von Lebensmitteln, medizinische Einrichtungen und die Brandbekämpfung.

Für den Ernstfall hält das Technische Hilfswerk mobile Wasseraufbereitungsanlagen vor. Doch deren Kapazität ist begrenzt und variiert regional. Weniger bekannt ist, dass es Notbrunnen gibt, über die die Bürger mit Wasser versorgt werden sollen. Diese Brunnen sind nicht an das zentrale Versorgungssystem angeschlossen und werden über Handpumpen und mobile Notstromaggregate betrieben. Das Wasser kommt direkt aus dem Grundwasser. Die Städte und Gemeinden müssen diese Brunnen warten und instand halten. Geregelt ist das im Wassersicherstellungsgesetz.

11. Kann ich noch Geld abheben?

Der Spannungs- oder Verteidigungsfall ist für viele Menschen psychologisch extrem belastend. Die Furcht, plötzlich nicht mehr an das eigene Geld zu gelangen oder Geld zu verlieren, kann zu Panik und Gewalt führen. Ebenso kann es zu Panikverkäufen von Aktien kommen. Das könnte zu einem Run auf Geldautomaten und zu einem Crash an den Börsen führen. Das wiederum droht das Finanzsystem ins Wanken zu bringen.

Um solche Entwicklungen zu verhindern, kann die Bundesregierung anordnen, die Börsen vorübergehend zu schließen. Das ist möglich, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten sind, die, so heißt es im Kreditwesengesetz, „schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft, insbesondere den geordneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs, erwarten lassen".

Selbst die Beschränkung von Bargeldabhebungen ist im Spannungs- und Verteidigungsfall theoretisch möglich. Das könnte dann sein, wenn die Bundesregierung einen Ansturm auf die Banken befürchtet. Da eine solche Maßnahme vermutlich jedoch für noch größere Verunsicherung sorgen würde, dürfte es sich dabei um das letzte Mittel handeln. In Griechenland etwa schloss die Regierung während der Finanzkrise 2015 für mehrere Tage die Banken sowie die Börse in Athen. Die Abhebung von Geld wurde auf 60 Euro pro Tag begrenzt.

12. Kann die Regierung Medien zwingen, bestimmte Informationen zu veröffentlichen?

Auch im Spannungs- und Verteidigungsfall gilt das deutsche Grundgesetz. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit aus öffentlich zugänglichen Quellen sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Presse, Rundfunk und Film sind geschützt. Staatliche Zensur ist verboten. Die Politiker dürfen die Medien also nicht beeinflussen, ihnen keine Themen vorgeben oder nicht veranlassen, dass sie gewisse Informationen veröffentlichen.

Unabhängig davon liegt es im Interesse von Medien, ihre Nutzer umfassend mit Informationen zu versorgen. Gerade im Spannungs- und Verteidigungsfall werden die Bürger auf Warnungen, Mitteilungen oder Anweisungen staatlicher Behörden angewiesen sein. Die Medien dienen hierfür als Mittler.

Schwieriger ist die Lage bei sicherheitsrelevanten Informationen, etwa Truppenverlegungen oder Lageberichten. Es liegt im Interesse der Regierung (und des sich verteidigenden Landes), dass solche Informationen nicht veröffentlicht werden. Die Regierung könnte versuchen, dies zu untersagen. Die Frage ist, ob solche Regelungen vor einem Gericht Bestand hätten.

13. Kann die Regierung das Internet abschalten?

Den einen Knopf für das Internet gibt es nicht. Es existiert auch keine zentrale Instanz irgendwo in der Welt, die das Netz steuert oder kontrolliert. Das World Wide Web besteht aus vielen Netzwerken. Server, Knotenpunkte und Betreiber arbeiten unabhängig. Fällt ein Teil aus, arbeiten andere weiter.

Die Frage lautet zudem, warum die Bundesregierung das Netz abstellen sollte. Sie dürfte wenig Interesse daran haben, die Kommunikationsmittel und Informationswege der Bürger zu beschränken. Denn es geht nicht nur um die Vermittlung wichtiger Informationen, sondern auch darum, dass die Menschen in Kontakt bleiben können – auch auf die Gefahr hin, dass gegnerische Propaganda, Falschinformationen und Deepfakes verbreitet werden.

14. Kann ich noch Ferien machen?

Im Prinzip kann man das, sofern man in sicherheitspolitisch angespannter Lage noch Lust auf Ferien verspürt. Allerdings könnte es unterwegs schwierig werden. Schienenwege und Straßen werden zumindest vorübergehend von der Bundeswehr und anderen Streitkräften der Nato belegt sein. Es gibt bestimmte Bahntrassen, die für den militärischen Schwerlastverkehr ausgelegt sind. Sie dürften phasenweise für den zivilen Verkehr ebenso gesperrt sein, wie bestimmte Autobahnen. So sind vor allem die A2, die A3, die A7 und die A9 so gebaut, dass sie auch schwere Lasten wie Panzer tragen können.

Wenn man in die Ferien fliegen will, gilt auch hierfür: Theoretisch dürfte das gehen, sofern die Lufträume nicht gesperrt oder eingeschränkt sind. Das könnte im Spannungsfall, mehr noch im Verteidigungsfall aber möglich sein. Dann hat der militärische Flugverkehr Vorrang. Zudem könnte es sein, dass die Bundeswehr und die Luftwaffen anderer Staaten die zivilen Flugplätze brauchen, weil die Militärflugplätze zerstört wurden.

Für diesen Fall gab es im Kalten Krieg Autobahnabschnitte in Norddeutschland, die schnell zu Start- und Landeplätzen umfunktioniert werden konnten. Sie sind jedoch fast alle zurückgebaut worden.

Dieser Text erschien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung. Recherchiert und zusammengetragen unter Bezugnahme und Zuhilfenahme von „Deutschland im Ernstfall" von Ferdinand Gehringer und Johannes Steger, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2025.