Ärger über Lindlarer Impfstelle„Stinkesauer ungeboostert wieder nach Hause“
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Lange Warteschlange beim Impfangebot des Oberbergischen Kreises im Lindlarer Rathaus.
Copyright: Schmitz
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Lindlar – Trotz eines Termins wurden zwei unserer Leser bei der Auffrischungsimpfung wieder nach Hause geschickt, sie schilderten uns ihre Fälle, die hier in Auszügen wiedergegeben sind. Wir fragten beim Oberbergischen Kreis eine Stellungnahme ab.
1. Geschichte
Unsere Impftermine wurden per Mail bestätigt und selbst am Impftag gab es vor der Abfahrt bei einer Überprüfung der Termine keinerlei Änderungen. Mit zwei Autos machten wir uns bei einsetzendem Schneetreiben auf den Weg von Wipperfürth nach Gummersbach. Dort mussten wir auch nicht lange warten, ich und eine weitere Person wurden zur Impfung durchgewunken, meinen zwei Freunden verweigerte die Ärzteschaft die Impfung mit der Begründung, ihr zweiter Impftermin läge noch nicht mindestens sechs Monate zurück, nach längerer Diskussion korrigierte man auf fünfeinhalb Monate.
Doch lag der eine immer noch drei Tage und der andere fünf Tage über dem von wem auch immer festgesetzten Limit. Dass wir alle zweimal mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft worden waren (Wirkung lässt schon lange vor dem Erreichen einer sechsmonatigen Wartezeit nach) und einer von uns das Alter von 70 bereits überschritten hatte, spielte keine Rolle. Eine weitere Diskussion war zwecklos.
Warum haben es die Zuständigen beim Kreis nicht für nötig gehalten, die fest gebuchten und zugesagten Impftermine wenigstens abzusagen? Dann hätten sich viele die Fahrt im Schnee sparen können. Eine E-Mail hätte genügt. Die Daten waren doch bekannt.
Doch so sind wir alle in freudiger Erwartung nach Gummersbach gefahren und ein Teil von uns ist stinkesauer ungeimpft wieder nach Hause gefahren. Ich vermute, dass es vielen anderen Impfwilligen in der gesamten Woche genauso ergangen ist. Mit solch einer fatalen Impfpolitik wird das nichts mit der Bekämpfung des Virus!
2. Geschichte
Wir, 65 und 66 Jahre alt, interessieren uns eigentlich für aktuelle Politik und gesellschaftliche Zusammenhänge. So waren wir sofort von der Notwendigkeit der Impfungen gegen Covid-19 überzeugt, haben uns um einen schnellstmöglichen Impftermin bemüht und fühlten uns mit der zweifachen Astrazeneca-Dosis sicher...
Verwaltung nimmt Stellung zu der Kritik der Leser
Auf die Anfrage unserer Zeitung und den Verweis auf die in den Leserbriefen geschilderten Fällen äußert sich der Oberbergische Kreis:
„Der Oberbergische Kreis hat sich in einem Gespräch mit der niedergelassenen Ärzteschaft (KV, Hausärzteverband, Ärztekammer) auf die im folgenden geschilderte Vorgehensweise vereinbart. Zunächst wäre bei allen speziellen Impffragen der Hausarzt aufzusuchen, insbesondere auch bei besonderen Vorerkrankungen und besonders bei der Fragestellung nach einer deutlich vorgezogenen Impfung.
Der Arzt entscheidet dann in eigener Verantwortung, ob dieser die Fachempfehlungen befolgt, oder zu einer anderen Vorgehensweise kommt. In letzterem Fall würde es sich um ein sogenannten „off-label use“ handeln. Im Falle einer Schädigung des Patienten würde er sich zum aktuellen Zeitpunkt im rechtlich bedenklichen Bereich befinden und müsste selber für ggf. auftretende Folgeschäden haften.
Daher halten sich die meisten Ärzte an die von den Fachgesellschaften (z.B. Ständige Impfkommission (Stiko) und PEI) und den Zulassungsstellen vorgegebenen Informationen. Denn nur innerhalb dieses Rahmens sind die Impfstoffe erprobt und in klinischen Studien umfangreich getestet.
Die Impfstellen des Kreises können aus den oben genannten Gründen die Booster-Impfung in der Regel erst ab sechs Monaten anbieten. Zudem hält der Oberbergische Kreis sich an die Stiko- Empfehlungen, da diese eine sinnvolle und studiengeprüfte Empfehlung darstellen. In Einzelfällen kann der Hausarzt anders entscheiden und individuell beraten. Eine solche Beratung ist in den Impfstellen nicht vorgesehen.
Die vom Oberbergischen Kreis angebotenen Impfangebote stellen zudem ein unterstützendes Angebot zu den Impfungen der niedergelassenen Ärzteschaft dar, um diese zu entlasten und vor allem dort mit dem Impfmobil einzuspringen, wo aufsuchende Angebote von Nöten sind und die Erstim-pfungsrate möglichst hochgetrieben werden sollte. Mit den inzwischen fest installierten Impfstellen möchte der OBK insbesondere verlässliche Angebote für die Boosterimpfungen schaffen. Der Kreis geht dabei nach den Landesvorgaben vor und muss sich an die jeweils gültige Erlasslage halten.“
Leserbriefschreiber Jürgen Bergmeister: „Nun hat auch der OBK auf seiner Homepage die Seite mit den Anmeldungen korrigiert, so dass jetzt jede Person bereits bei der Online-Anmeldung abgewiesen wird, deren 2. Impftermin keine sechs Monate zurückliegt. Das heißt, die 6-Monatsfrist bleibt bestehen, weil die Stiko dies angeblich so vorschreibe. Das bleibt für mich bei den aktuell täglich steigenden Inzidenzen unbegreiflich und nicht nachvollziehbar.“ (r)
Anruf beim Hausarzt: „Wir sind total aus-/überlastet, der nächste Impftermin ist erst Mitte Januar möglich.“ Bis dahin fühlen wir uns 8 Wochen quasi ohne Schutz – bis zur Wirksamkeit des Boosterns ca. 12 Wochen! „Versuchen Sie es doch beim Impfmobil. Ich empfehle Ihnen, früh dort zu sein.“
Impfung aus „Haftungsgründen“ nicht möglich
Also: Am 15. November ist das Impfmobil in dem 21 Kilometer entfernten Bielstein ab 11 Uhr. Um 10.10 Uhr kommen wir dort an. Es stehen schon ca. 20 Personen in der Schlange. Es ist nasskalt und trotz warmer Schuhe und Jacken steigt die Kälte nach einer Weile hoch... Die Schlange wird immer länger – hinter uns stehen um 11 Uhr sicher über 150 Menschen, die meisten sind älter als wir, nur ein paar jüngere entdecke ich.
Es ist 11.30 Uhr und wir sind dran: „Wenn Ihre letzte Impfung nicht sechs Monate (Toleranz eventuell zwei Wochen) her ist, können wir Sie aus Haftungsgründen nicht impfen.“
„Haftungsgründe“? Davon hatten wir bisher nicht so ausdrücklich etwas gelesen oder gehört. Zu Hause angekommen entdeckt mein Mann in der Süddeutschen Zeitung, dass Söder [Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, d. Red. ] sich für eine Haftungsfreistellung der impfenden Ärzte auch fünf Monate nach der zweiten Impfung in Bayern einsetzt ... Aha, immerhin, der Söder... besser wären vier Monate ... und was machen wir jetzt in NRW?