Neunkirchen-Seelscheid – Ein BMW Mini ist auf Werbetour durch Deutschland. Angetrieben wird er von synthetischem Kraftstoff. Eine Station: Eine Kuttenkeuler-Tankstelle in Neunkirchen-Seelscheid. „Ich will, dass es diese und die weiteren Tankstellen auch in zehn Jahren noch gibt“, sagt Kuttenkeuler-Geschäftsführer Carsten Müller. Das Unternehmen betreibt 65 Stationen in der Region unter dem Logo des bft, dem Bundesverband freier und unabhängiger Tankstellen. 2760 freie Stationen gehören Vereinsmitgliedern. Bundesweit gibt insgesamt gut 14 000 Tankstellen – ein eingeführter Vertriebsweg für Antriebsenergie für Autos, Busse und Lkw, betont Müller. Bedroht sieht er den durch eine Fixierung auf Elektroautos.
Was ist synthetischer Treibstoff?
Bei dem auch E-Fuel genannten Treibstoff werden die chemischen Moleküle nachgebaut, aus denen fossile Kraftstoffe bestehen. Dazu braucht man CO2 und Wasser sowie Strom. Kommt der aus erneuerbaren Energien werden E-Fuels klimaneutral, nicht CO2 -neutral. Sie setzen also kein zusätzliches CO2 frei, sondern das, was zu ihrer Herstellung verwendet wurde. E-Fuels aus erneuerbare Energien sind noch Mangelwaren. Allenfalls Versuchs- und Pilotanlagen existieren. Auch der Kraftstoff für das Demonstrationsauto wird noch mit konventionellem Strom erzeugt. CAC in Chemnitz stellt ihn her in einer der wenigen Anlagen, die über das Pilotstadium herausgewachsen sind.
Wie werden E-Fuels hergestellt?
E-Fuels benötigen Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird. Auf der Methanol-Route wird er unter anderem durch Kohlenstoffbeigabe zu Methanol synthetisiert. Daraus wird dann Treibstoff gewonnen. Ein zweiter Weg ist die Fischer-Tropsch-Route, die in den 1920er Jahren entwickelt wurde. Vor allem im Zweiten Weltkrieg wurden so aus Kohle zunächst Synthesegas und dann flüssige Treib- und Schmierstoffe erzeugt. Hier wird aus Wasserstoff und Kohlenstoff „Renewable Crude“, also ein Rohöl-ähnliches Produkt, das in Raffinerien zu Benzin, Diesel, Kerosin oder Wachs für die Industrie weiterverarbeitet wird. Das CO2 sollte aus klimaneutralen Quellen kommen, etwa der Atmosphäre entzogen werden. Denkbare Quelle, über die Shell bei einer geplanten Anlage der Rheinland-Raffinerie nachdenkt, ist aber auch Biomasse oder CO2 , das bei industriellen Prozessen entsteht und aufgefangen wird.
Welche Vorteile bieten die E-Fuels?
E-Fuels sind leicht zu transportieren, können in den bestehenden Stationen getankt und in den aktuellen Motoren verwendet werden. Das beweisen auch der Kölner Motorenbauer Deutz und der Kolbenring- und Zylinderlaufbuchsenspezialist Federal Mogul in Burscheid. E-Fuels können mit den herkömmlichen Kraftstoffen gemischt werden. Die werden so umweltfreundlicher, solange es noch nicht genug E-Fuels für eine vollständige Versorgung gibt. Im Verbrennungsprozess emittieren E-Fuels weniger Feinstaub und Stickstoffoxide, stellen Jan Hildebrand und andere in einem aktuellen Aufsatz in der Fachzeitschrift „et“ heraus
Welchen Nachteil hat der Stromsprit?
E-Fuels werden noch nicht im industriellen Maßstab hergestellt. Und bis eine Komplettversorgung möglich ist, vergehe noch einige Zeit, stellen Hildebrand und die Mitautoren heraus. Beispiel Flugverkehr: 11,8 Milliarden Liter Kerosin hat die deutsche Luftverkehrswirtschaft verbraucht. Größere Demonstrationsvorhaben wollen ihre E-Fuel-Erzeugung von zunächst 10 Millionen Liter auf 100 Millionen Liter pro Jahr steigern. Hildebrand und den Co-Autoren erscheint die von der Bundesregierung avisierte Quote des Verbrauchs im Luftverkehr von zwei Prozent bis 2030 aber erreichbar. Für eine Vollversorgung mit synthetischem Kerosin wären 270 Terawattstunden erneuerbaren Stroms nötig.
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Das wäre die komplette Erzeugung in Deutschland im Jahr 2019. Neben den 10,8 Millionen Tonnen Kerosin wurden aber noch knapp 18 Millionen Tonnen Benzin und 37,8 Millionen Tonnen Diesel 2019 in Deutschland verbraucht. Und E-Fuels sind teuer. Für Kerosin liegen sie bei über zwei Euro pro Liter, das ist etwa fünf Mal so viel wie für konventionelles Kerosin. Da sei ihr Einsatz vor allem da eine Option, wo es keine alternativen erneuerbare Treibstoffe gebe, so Hildebrand . Das wären etwa Interkontinentalfüge. Mittelfristig hält Müller Literpreise von einem Euro für für möglich.
Woher soll der Strom für die E-Fuels kommen?
Müller und weitere Befürworter setzen auf das wind- und vor allem sonnenreiche Ausland. Solaranlagen in der Sahara könnten etwa locker den Energiebedarf decken. Eine E-Fuel-Anlage mit eine Jahreskapazität von zunächst 130 000 Liter im Jahre 2022, die bis 2026 auf auf rund 550 Millionen Liter pro Jahr gesteigert werden soll, bauen Porsche und Siemens etwa in Südchile. Sonnenenergie lasse sich in E-Fuels speichern und transportieren, so Müller – auch das mit etablierten Techniken.
E-Auto oder Verbrenner mit E-Fuels?
Müller will zumindest ein sowohl als auch. Ohne die etablierte Technik mit Verbrennern, die dann klimaneutral mit E-Fuels betrieben würden, kann er sich vorstellen, wie steigende Mobiltätswünsche weltweit befriedigt werden können. Immerhin 1,3 Milliarden Fahrzeuge gebe es jetzt schon. Sollten die alle batterie-elektrisch angetrieben werden, sei der Strombedarf kaum zu decken. „Ich plädiere für Technologieoffenheit“, sagt Müller von Kuttenkeuler, der E-Fuels derzeit durch die Politik benachteiligt sieht. Bei den EU-Zielen zum CO2 -Ausstoß könnten die klimaneutralen E-Fuels nicht angerechnet werden. Es kommt ja CO2 aus dem Auspuff. Doch müsse berücksichtigt werden, dass das schon vorher in der Atmosphäre oder in Biomasse war. Für E-Autos gibt es dagegen Boni bei der Berechnung der Flottenverbräuche, für die die Hersteller Strafen zahlen müssen, wenn sie über dem Grenzwert liegen. Dabei falle bei der Stromerzeugung CO2 an. Dies müsse steuerlich berücksichtigt werden und nicht nur das CO2 , das aus dem Auspuff kommt. E-Fuels brauchten bessere Rahmenbedingungen. Sie seien heute noch nicht einmal als Kraftstoff anerkannt, so Müller. Da müsse anders werden. Noch können von E-Fuels allenfalls in einer Beimischung von bis zu 20 Prozent in konventionellen Kraftstoffen verkauft werden.