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Interview

GIH-Chef erklärt
Kommt ein Gasheizungs-Revival oder Wärmepumpe für alle?

5 min
Eine Wärmepumpe der Firma Vaillant

Eine Wärmepumpe der Firma Vaillant

Die „Abschaffung“ des Heizungsgesetzes gehört zu den Versprechen von Kanzler Merz – der GIH-Chef erklärt im Interview, was damit nun auf Hausbesitzer und Mieter zukommt.

Was genau aus Robert Habecks Heizungsgesetz wird, ist offen. Der Chef von Deutschlands größtem Verband unabhängiger Energieberater (GIH) Stefan Bolln (SPD) erklärt im Gespräch mit Tobias Schmidt, wie die Wärmewende gelingen kann.

Herr Bolln, die Regierung hat die „Abschaffung“ von Robert Habecks „Heizungsgesetz“ vereinbart. Rettet seine Nachfolgerin Katherina Reiche die Gasheizung?

Mit dem „Heizungsgesetz“ ist das Gebäudeenergiegesetz gemeint, und darin die Anforderungen an neue Heizungsanlagen. Sie müssen zu mindestens 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese Vorgabe ist aus Sicht des GIH ein zentraler Baustein für die Wärmewende, und daran sollte Frau Reiche nicht rütteln! Die Vorgabe ist bereits technologieoffen formuliert: Neben Wärmepumpen sind auch Lösungen mit Biomasse, Solarthermie, Fernwärme und hybride Systeme zulässig.

Also kommt keine Wende bei der Wärmewende?

Noch technologieoffener zu werden hieße letztlich, wieder den Weg für fossiles Erdgas oder Heizöl freizumachen. Das wäre ein klimapolitischer Rückschritt. Wir setzen darauf, dass die Ministerin die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung ernst nimmt und sich am breiten gesellschaftlichen Konsens für mehr erneuerbare Wärme orientiert.

„Volkswirtschaftliche Bilanz fällt klar positiv aus“

Beim Neubau darf es keine Zukunft für das Heizen mit Gas geben?

Ganz klar: Im Neubau sollte der Einsatz fossiler Heizungen der Vergangenheit angehören. Neubauten lassen sich effizient mit Wärmepumpen, Nah- oder Fernwärme und anderen klimafreundlichen Systemen beheizen. Sonst schaffen wir den dekarbonisierten Gebäudebestand bis 2045 nicht. Nur in absoluten Ausnahmesituationen könnten vorübergehend hybride Systeme eine Rolle spielen. Aber grundsätzlich gilt: Neubau muss vollständig auf erneuerbare Energien setzen.

Und bei älteren Häusern?

Im Gebäudebestand ist eine starke Förderung absolut entscheidend! Die Grundförderung der Bundesförderung für effiziente Gebäude sollte bei Hüllmaßnahmen von aktuell 15 Prozent deutlich angehoben werden. Auch der Einkommensbonus, der bislang nur für Einzelmaßnahmen bei Heizungsanlagen greift, sollte auf Effizienzmaßnahmen wie Dämmung oder energetische Komplettsanierungen ausgeweitet werden. Zusätzlich braucht es eine verlässliche Förderung über die Jahre hinweg, ergänzt um günstige Kredite und Bürgschaften – gerade auch für Wohnungsbaugesellschaften und den sozialen Wohnungsbau.

Was würde all das kosten, und wer soll das bezahlen?

Die Kosten für eine Ausweitung des Einkommensbonus auf weitere Einzelmaßnahmen der Gebäudehülle liegen nach unseren Berechnungen deutlich unter einer Milliarde Euro pro Jahr. Diese Investitionen lohnen sich mehrfach: Sie stärken das Handwerk, steigern die energetische Qualität des Gebäudebestands und führen über zusätzliche Aufträge, Einkommen und Mehrwertsteuer zu staatlichen Rückflüssen. Die volkswirtschaftliche Bilanz fällt damit klar positiv aus. Für eine verbesserte Förderung der Energieberatung veranschlagen wir 100 bis 200 Millionen Euro jährlich. Diese Mittel sind gut angelegt: Jede geförderte Beratung kann zusätzliche Investitionen in energetische Maßnahmen anstoßen, die ohne diese Impulse nicht getätigt würden.

Sollte der Einbau von Wärmepumpen auch dann maximal gefördert werden, wenn man seine Gasheizung behält und weiter nutzen kann?

Nein, hier braucht es aus Sicht des GIH eine Differenzierung. Die maximale Förderung sollte ausschließlich jenen vorbehalten sein, die vollständig auf erneuerbare Heizsysteme umsteigen und dadurch unmittelbar CO2 einsparen. Wer eine fossile Heizung – etwa eine Gastherme – weiterhin betreibt, sollte nur eine reduzierte Förderung erhalten. So lässt sich nicht nur die Förderlogik stärken, sondern auch gezielter mit den vorhandenen Mitteln haushalten. Eine solche Staffelung sorgt für Fairness, Anreizwirkung und Effizienz zugleich.

Warum sollten die Leute überhaupt umsteigen, wenn die Gasheizung weiterlaufen kann?

Weil es auf lange Sicht schlicht wirtschaftlich sinnvoll ist: Die Kosten für Gas werden durch CO2-Bepreisung und Netzentgelte weiter steigen. Gleichzeitig droht langfristig eine Unsicherheit bei der Versorgung mit fossilen Energien – politisch wie strukturell. So gut wie alle Wissenschaftler sind sich einig: fossiles Öl und Gas werden langfristig teurer. Wer heute auf erneuerbare Heizsysteme umstellt, senkt seine laufenden Betriebskosten, macht sich unabhängig und steigert den Immobilienwert. Außerdem: Wenn immer mehr Menschen auf Wärmepumpen und -netze umsteigen, wird der Weiterbetrieb kleiner Gasnetze für die Versorger wirtschaftlich unattraktiv. Das führt zu höheren Anschlusskosten und könnte darauf hinauslaufen, dass das Netz irgendwann sogar wegen Unrentabilität rückgebaut wird.

„Verlässliche Zeitschiene ist zentral“

Was ist mit Hybrid-Heizungen, also Gastherme plus Wärmepumpe. Könnte das den Geldbeutel der Menschen und das Klima schonen?

Im Bestand – besonders bei unsanierten Gebäuden mit hohen Wärmeverlusten – können Hybridlösungen ein sinnvoller Zwischenschritt sein. Wichtig ist, dass der erneuerbare Anteil zum Beispiel über Wärmepumpen deutlich überwiegt. Die derzeitige Vorgabe, dass die erneuerbare Komponente mindestens 65 Prozent des Wärmebedarfs abdecken soll, ist aus Sicht des GIH richtig und wichtig. Mitunter kann es wirtschaftlich sogar sinnvoll sein, eine alte Ölheizung noch einige Jahre zu behalten, während Dämmmaßnahmen und andere Schritte vorbereitet werden. Danach kann eine kleinere, effizientere Wärmepumpe eingebaut werden, die exakt zum gesunkenen Wärmebedarf passt und somit deutlich günstiger wird. Im Neubau hingegen sollte konsequent auf vollelektrische oder vollständig erneuerbare Heizsysteme gesetzt werden.

Müsste Frau Reiche nicht langsam für Klarheit sorgen, wie sie den Heizungstausch konkret fördern will?

Unbedingt, denn der Attentismus in den Heizungskellern muss ein Ende haben! Wir rechnen im Herbst mit ersten Vorschlägen zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes – idealerweise verbunden mit einer überarbeiteten Förderstruktur. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass das Gesetz im Zuge der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie nur einmal novelliert wird – und dann wirklich zielgerichtet. Denn die EU-Richtlinie muss ohnehin bis spätestens Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Eine verlässliche Zeitschiene für alle Beteiligten ist absolut zentral: für Energieberater, Handwerker, Planende und Eigentümer.

Kurz um: Das Gerede von der Abschaffung des „Heizungsgesetzes“ muss ein Ende haben?

Exakt! Wir wünschen uns endlich Verlässlichkeit in der Energie- und Klimapolitik. Die energetische Sanierung und der Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme sind keine kurzfristigen Projekte, sondern langfristige Investitionen in die Zukunft. Dafür brauchen wir klare Leitplanken, stabile Förderbedingungen und ein ambitioniertes, aber praxistaugliches Gebäudeenergiegesetz. Als Energieberaterverband erleben wir täglich, wie entscheidend Planungssicherheit für die Akzeptanz in der Bevölkerung ist.

Worauf haben Ihre Kunden in den letzten Monaten gesetzt?

Der Kipppunkt scheint trotz aller politischen Unsicherheiten erreicht: Während früher häufig Hybridlösungen als Brückentechnologie gewählt wurden, erleben wir aktuell einen deutlichen Trend hin zu vollelektrischen Wärmepumpen. In Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es bereits seit einiger Zeit Landesverordnungen, die einen einfachen Austausch gegen fossile Heizsysteme kaum mehr zulassen. Das Gebäudeenergiegesetz wirkt dort fast bremsend. Die Akzeptanz steigt – auch, weil sich Preise für Wärmepumpen stabilisieren, das Handwerk Erfahrung gesammelt hat und sich ein echter Wettbewerb um effiziente Systeme entwickelt.