Interview mit Flughafenchef Köln/Bonn„Bin zuversichtlich, dass wir die Wartezeiten in den Griff bekommen“

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Thilo Schmid, seit März Flughafenchef, steht in Köln/Bonn in der Check-In-Halle

Thilo Schmid ist seit März Flughafenchef

Lange Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle will der Flughafen unter anderem mit vorab buchbaren Kontrollzeiten vermeiden, sagte Flughafen-Chef Thilo Schmid im Rundschau-Gespräch.

Im Sommer hat es erhebliche Wartezeiten vor den Sicherheitskontrollen am Flughafen Köln/Bonn gegeben. Wird es an Weihnachten wieder lange Wartezeiten geben?

Ich bin zuversichtlich, dass wir die Wartezeiten in den Griff bekommen. Zum einen ist das Verkehrsvolumen, das wir an Weihnachten erwarten, deutlich geringer als im Sommer. Ich weiß auch, dass der Dienstleister, der die Kontrollen ja im Auftrag der Bundespolizei durchführt, Lücken beim Personal schließen konnte.

Was kann der Flughafen zur Verbesserung der Abläufe tun?

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Wir haben zwei Stellschrauben. Es gibt ein neues Flughafen-Kontrollzentrum, in dem wir die wichtigsten Abläufe am Airport unter einem Dach steuern. Wir haben jetzt auch die Möglichkeiten geschaffen, dass Fluggäste einen festen Termin für die Sicherheitskontrolle vorab buchen können. So wollen wir perspektivisch auch erreichen, dass sich das Eintreffen der Passagiere am Flughafen normalisiert. Ein Problem im Sommer war, dass Reisende bereits vier oder fünf Stunden vor dem Abflug an den Sicherheitskontrollen in der Schlange standen, während andere, die mit weniger Vorlauf angekommen sind, nicht rechtzeitig durch kamen und zum Teil auch den Flieger verpasst haben.

Denken Sie an weitere Veränderungen etwa im Sinne des Frankfurter Modells, bei dem der Flughafen die Sicherheitskontrollen organisiert?

Unsere aktuellen Maßnahmen sollen schon zu Verbesserungen im kommenden Jahr führen. Wir stimmen uns dabei auch eng mit der Bundespolizei ab. Ich würde es extrem begrüßen, wenn dann auch wieder ein zweiter Dienstleister zum Einsatz kommt wie in den letzten drei Monaten des Sommerflugplans. Das Frankfurter Modell ist eher eine mittel- bis langfristige Perspektive. Es haben dazu erste Gespräche von interessierten Flughäfen – darunter sind auch wir – mit dem Bundesinnenministerium stattgefunden. Das wird jetzt im ersten Quartal intensiviert.

Worum geht es dabei im Kern?

Es gibt zwei Themenblöcke. Der erste ist der bestehende Dienstleistungsvertrag. In Köln/Bonn hat die Firma Securitas die Ausschreibung für die Sicherheitskontrollen gewonnen und einen Vertrag bis Mitte 2026. Hier ist dann im Detail zu prüfen, zu welchen Bedingungen der Flughafen Vertragspartner sein kann und welche Verantwortung er konkret übernimmt. Zweitens geht es um die eingesetzten Geräte. Da möchten wir in Zukunft die Freiheit haben, möglichst schnell sehr moderne CT-Technik anzuschaffen. Diese Geräte durchleuchten ein Handgepäckstück komplett mit allen elektronischen Geräten und Flüssigkeiten, die jetzt noch ausgepackt und in den Wannen gelegt werden müssen.

Wird es im Sommer wieder Zustände geben wie im Sommer dieses Jahres?

So einen Sommer können und wollen wir uns nicht noch einmal leisten. Alle eingeleiteten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, aber klar ist auch: Es wird auch im kommenden Sommer darum gehen, dass der Dienstleister die richtige Anzahl der Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar hat.

Sie haben zuletzt gesagt, dass sie die Ziele für dieses Jahr erreichen werden. Wie sieht es denn im kommenden Jahr aus?

Wir gehen von einem Verkehrswachstum von voraussichtlich 8,8 Millionen Passagiere auf 9,5 Millionen aus. In der Fracht erwarten wir eher gleichbleibende Zahlen im Bereich von einer Million Tonnen. Unsere Schätzung ist hier konservativ wegen des Ukrainekriegs, auch wenn wir relativ wenig Fracht aus Russland bekommen haben. Getroffen haben uns die Lockdowns in China, wodurch der Verkehr deutlich reduziert wurde. Auch mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im kommende Jahr bleiben gewisse Unsicherheiten.

Von den gut 12 Millionen Passagieren vor Corona sind Sie damit aber noch entfernt. Wird vielleicht in Zukunft weniger geflogen, weil Geschäftstreffen virtuell stattfinden?

Wir und allen anderen Flughäfen sind sehr zuversichtlich, was den kommenden Sommer betrifft. Die Lust auf Urlaubsreisen ist sehr hoch. Schon jetzt haben die und Reisen zu Verwandten und Freunden ein höheres Niveau als 2019. Der innerdeutsche Verkehr und der Städteverkehr haben allerdings nur etwa 30 bis 40 Prozent des Volumens vor Corona. Und ich bin sehr skeptisch, dass diese Verkehre noch einmal die alten Höhen erreichen. Insgesamt wird es sicherlich einige Jahre dauern, bis wir wieder bei den Passagierzahlen von gut 12 Millionen ankommen.

Bedeuten mehr Passagiere auch mehr Flüge und weitere Destinationen oder steigt die Auslastung der Flugzeuge?

Die Auslastung ist im laufenden Jahr sehr hoch und höher als 2019. Es wird mehr Flüge geben im Sommer, weil neue Destinationen angesteuert werden oder Ziele öfter angeflogen werden.

Mehr Flüge – das dürfte die Anwohner nicht begeistern. Vor allem dann nicht, wenn sie nachts stattfinden sollten. Wie verteilen sich die Flüge denn über den Tag?

In der Corona-Zeit haben sich die Frachtflüge in der Nacht ausgeweitet, weil sich Lieferketten verändert haben. Zwischen 23 abends und 3 Uhr morgens sind vor allem Frachter unterwegs. Hier arbeiten wir teils schon an der Kapazitätsgrenze von 30 Flügen pro Stunde. Da kann nichts mehr dazukommen. Neue Flüge müssen sich auf freie Zeiten vor allem am Tag verteilen.

Das Geschäftsmodell mit Flügen rund um die Uhr wird von der Politik immer wieder zur Debatte gestellt. Vor allem geht es hier um den Passagierflug. Die aktuelle Genehmigung läuft 2030 aus. Wie ist da ihr Gefühl?

Wir haben eine unbefristete Genehmigung für den Betrieb an 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Diese Genehmigung hat aber zahlreiche Einschränkungen in der Nacht, die den Lärmschutz betreffen, so dürfen etwa bestimmte An- und Abflugflugrouten nachts nicht geflogen werden. Diese Einschränkungen laufen 2030 aus. Sie stammen aus einer Zeit als es noch kein Lärmschutzgesetz zum Schutz der Bevölkerung gab. Das gibt es inzwischen und das gilt auch für uns, wenn die Einschränkungen auslaufen. Im Kern haben wir dann die gleiche Situation wie heute. Unabhängig davon bleibt der Lärmschutz auch in Zukunft eins der wichtigsten strategischen Themen für uns.

Die Politik könnte weitere Einschränkungen vornehmen?

Das ist eine Frage des politischen Willens. Natürlich kann die Politik Veränderungen vornehmen. Ein 24-Stunden-Betrieb ist aber für den Flughafen essenziell.

Hoffen Sie noch auf Interkontinental-Verbindungen?

Wir sehen durchaus Chancen auf Interkontinentalflüge. Airlines etwa in den USA setzen etwa auf kleinere Maschinen mit großer Reichweite, mit denen sie dann auch Langstreckenverbindungen betreiben wollen abseits der großen Drehkreuze. Da kommt auch Köln/Bonn in Frage. Zunächst konzentrieren wir uns darauf, durch eine hohe Qualität unsere Attraktivität weiter zu steigern und beim Verkehr wieder das Vor-Corona-Niveau zu erreichen.

Wie wird sich der Luftverkehr perspektivisch entwickeln? Teurerer Brennstoff, vor allem durch synthetisches Kerosin, könnte doch dazu führen, dass sich weniger Menschen das Fliegen leisten können.

Nachhaltiger Synthetischer Flugkraftstoff, der in Köln bereits verfügbar ist, wird zunächst eine Rolle bei Beimischungen spielen, auch weil er derzeit etwa vier bis fünf Mal so teuer ist wie konventionelles Kerosin auf Erdölbasis. Bis nur noch synthetisches Kerosin eingesetzt wird, dürfte der Preis aber deutlich gefallen sein. Dieses Ziel verfolgt in meinen Augen die EU, indem sie die Airlines zu einer Beimischung verpflichtet - auch mit steigende Quoten. So bekommen die Hersteller einen Anreiz für Investitionen in die Produktion.  Flugreisen sind bereits deutlich teurer geworden, dennoch zieht die Nachfrage stark an, vor allem in Urlaubsländern mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis wie die Türkei oder Ägypten, Tunesien oder Marokko. Stark bleiben Griechenland, Spanien und Portugal. Auch langfristig – so ist die Einschätzung der Wissenschaft – sparen die Menschen an vielem, aber nicht am Urlaub.

Wie entwickelt sich die Vermietung von Shops oder Gastronomieflächen am Flughafen?

Im Sommer war das noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Es wird aber von Monat zu Monat besser. Im Sommer kommt mit Setur ein neuer Betreiber von Duty-Free-Shops an den Flughafen. Ich bin optimistisch, dass wir auf der Luftseite alle Flächen vermietet bekommen, auf der Landseite ist es etwas schwieriger. Da geht es uns wie großen Shopping-Zentren und wir müssen überlegen, ob wir hier klassischen Einzelhandel oder Gastronomie unterbringen. Es können auch Flächen für Ausstellungen genutzt werden wie im Sommer oder Prozessflächen entstehen, etwa für neue Eingänge. Und auch im Terminal 2 können wir uns neue Konzepte vorstellen, zum Beispiel im Bereich Dienstleistungen. Hier können weitere Büros entstehen wie auch das der Arbeitsagentur.

Sie haben am Flughafen ein neues Hotel und freie Flächen. An anderen Airports wie in Frankfurt ist eine Stadt für sich entstanden. Wollen Sie auch in diese Richtung gehen?

Die Airport-City ist ein wichtiger Baustein in unserer Strategie. Die wollen wir definitiv entwickeln. Die Frage ist eher wann und wie. Wir haben dabei eine Idee und Gebäude im Kopf, die wir uns vorstellen können. Die Entwicklung in den letzten zwei Jahren war aber nicht so, dass wir über große Investitionen nachdenken konnten. Das ändert sich hoffentlich mit dem Abschluss in diesem Jahr, sodass wir Projekte voranbringen können.

Sie haben von Problemen berichtet, dass Unternehmen am Flughafen sich schwer damit tun, Personal zu finden. Wie sieht das denn bei Ihnen aus?

Die schwierige Arbeitsmarktsituation beschäftigt auch uns. Wenn wir früher Flugzeuglader gesucht haben, dann hatten wird Bewerber ohne Ende. Von zehn die letztlich in Frage kamen, konnten wir drei als neue Mitarbeitende gewinnen. Heute gewinnen wir von 100 drei. Wir haben das Glück, dass wir in der Pandemie die Mitarbeitenden an Bord gehalten haben mit unserem Frachtgeschäft als Grundauslastung und die Zeit mit Kurzarbeit überbrückt haben. Und wir haben auch in den letzten zwölf Monaten 150 neue Mitarbeitende einstellen können und konnten so Lücken schließen– mit einem riesigen Aufwand. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagenturfür die Bodenverkehrsdienste 5000 potenzielle Mitarbeitende angeschrieben. Dann haben wir 400 Gespräche geführt, nach denen wir 50 einen Vertrag angeboten haben. Davon sind noch 20 im Unternehmen. Einige haben sich in der Zeit der nötigen Sicherheitsüberprüfungen anders orientiert, andere sind während einer einwöchigen Vorbereitungszeit abgesprungen, einige danach.

Heute bewerben wir uns bei den Kandidaten. Wir sind in den sozialen Netzwerken unterwegs, haben Online-Recruiter als Headhunter, sind auf Messen und Konferenzen oder ermutigen unsere Mitarbeitenden, für uns zu werben. Und natürlich tun wir viel, um unsere Beschäftigten zu halten.


Zur Person

Flughafen-Chef Thilo Schmid

Flughafen-Chef Thilo Schmid

Thilo Schmid ist seit März Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Köln/Bonn. Seine 20-jährige Karriere im Luftverkehr hatte er im Lufthansa-Konzern begonnen. 2012 wechselte er zum Flughafen Düsseldorf, wo er unter anderem als Geschäftsführer im Cargo- und auch im Passagierbereich tätig war. Im November 2021 hatte ihn der Aufsichtsrat des Flughafens Köln/Bonn einstimmig bestellt. (raz) 

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