Kölner EnergieforscherGas reicht für kommenden Winter – Engpässe ab 2023/2024

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Gasumlage Symbol

Bürger und Industrie müssen weiter Gas sparen.

Köln – Obwohl seit Anfang September kein russisches Gas mehr durch Nord Stream 1 nach Deutschland strömt, sind die deutschen Gasspeicher stärker gefüllt als geplant. Auch haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck andere Lieferanten gewinnen können und so die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen reduziert. Ihnen gleich getan habe es andere Regierungschefs in Europa.

Reicht das Gas für den kommenden Winter?

Für einen normalen Winter gibt es bei der Fortsetzung der aktuellen Sparbemühungen genug Gas in Europa, hat das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität zu Köln ermittelt. Die Forscher unterstellen in einer Studie auch, dass die russischen Lieferungen ausbleiben, andererseits die angekündigten schwimmenden Flüssiggasterminals in Deutschland, den Niederlanden und Italien aber pünktlich in Betrieb genommen würden.

„Lokal könnte es dennoch zu Engpässen in der Versorgung kommen, da das europäische Gasverbundnetz dann möglicherweise nicht in der Lage wäre, die Gasmengen gleichmäßig über alle Länder zu verteilen“, sagt Eren Çam, Manager am EWI. Auch müssten die Gasspeicher auf das historische Minimum von 13 Prozent entleert werden. Deshalb empfehlen die Experten weiteres Sparen.

Wie sieht es im nächsten Winter aus?

Sollte dauerhaft kein russisches Gas nach Europa kommen, bringt laut EWI auch der geplante Zubau an Flüssiggas-Importterminals 2023/2024 noch keine Entspannung. „Die niedrigen Füllstände der Gasspeicher am Ende des kommenden Winters würden eine Wiederbefüllung bis zum Beginn des Winters vor große Herausforderungen stellen“, sagt David Schlund, Senior Research Associate am EWI. Denn eine neue EU-Regulierung sieht die Befüllung der Speicher bis zum 1. November 2023 auf 90 Prozent vor. Deshalb sei das Sparen von zusätzlichem Gas wichtig, so Çam.

Wo soll das Gas herkommen, wenn aus Russland dauerhaft weniger Gas kommt?

Je weniger Gas die EU künftig aus Russland importiert, desto stärker wäre sie auf den Import von Flüssig-Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) angewiesen, so das EWI in einer anderen Studie. Pipelinegebundene Importe aus Norwegen, Nordafrika und Aserbaidschan in die EU lassen sich demnach nur noch in begrenztem Umfang steigern. Die USA könnten 2030 bis zu 136 Milliarden Kubikmeter Erdgas in Form von LNG nach Europa liefern.

Das würde etwa 90 Prozent der Gasimporte aus Russland des Jahres 2021 entsprechen und rund 40 Prozent in einem Szenario mit hoher Gasnachfrage in der EU von 348 Milliarden Kubikmeter im Jahre 2030 abdecken. Zweitwichtigste LNG-Quelle wäre Katar mit 23 Milliarden Kubikmetern. Knapp 100 Milliarden Kubikmeter Gas könnten aus Norwegen und 31 Milliarden Kubikmeter aus Afrika sowie 60 Milliarden Kubikmeter aus anderen Quellen kommen.

Bei einer unterstellten niedrigen Nachfrage von 287 Milliarden Kubikmeter kämen laut EWI wohl 107 Milliarden davon den USA. Auch Kanada baut seine Verflüssigungsanlagen aus, liefert aber wohl überwiegend LNG nach Asien.

Können die USA so viel Flüssiggas liefern?

Wenn sie die Kapazität der Verflüssigungsanlagen massiv ausbauen. Laut der EWI-Studie könnten die weltweiten Kapazitäten gegenüber heute um bis zu zwei Drittel auf mehr als 1050 Milliarden Kubikmeter pro Jahr wachsen, mehr als ein Drittel davon in den USA.

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Da aber die Erdgasnachfrage in Europa vor dem Hintergrund von Klimaschutzanstrengungen und Emissionszielen mittel- bis langfristig abnehmen sollte, bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten, ob diese Investitionen tatsächlich realisiert werden: „Der Bau von Verflüssigungskapazitäten ist aufwendig und teuer. Investoren warten daher üblicherweise auf längerfristige Zusicherungen“, sagt Çam. Regasifizierungsanlagen dagegen gäbe es in diesem Szenario laut EWI genug in Europa.

Wie entwickelt sich das Gaspreis in den kommenden Jahren?

Wesentlicher Hebel für den Gaspreis ist laut EWI die Reduktion der Gasnachfrage. Ginge die in der EU bis 2030 um 20 Prozent gegenüber 2021 zurück, könnten sich Großhandelspreise auf dem Niveau von 2018 und damit bei einem Wert von 18 Euro pro Megawattstunde einstellen. Bliebe die Nachfrage in der EU auf dem Niveau von 2021 ohne Gashandel mit Russland, könnten die Gaspreise 2030 oberhalb des Niveaus von 2021 von 54 Euro je Megawattstunde liegen.

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