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Interview

Vorstandschef Wüerst tritt ab
„Kreissparkasse Köln war für mich ein Glücksfall“

7 min
Alexander Wüerst in der Schalterhalle der Kreissparkasse Köln in der Zentrale am Kölner Neumarkt.

Alexander Wüerst in der Schalterhalle der Kreissparkasse Köln in der Zentrale am Kölner Neumarkt. 

Ende des Jahres ist für Alexander Würst Schluss. Nach fast 45 Jahren bei dem Institut und 20 Jahren als Vorstandschef tritt Wüerst in den Ruhesand 

Herr Wüerst, wie laufen denn die Geschäfte in Ihrem letzten Jahr als Vorstandschef der Kreissparkasse Köln?

Gut. Trotz eines nicht ganz unproblematischen konjunkturellen und geopolitischen Umfeldes sind wir zufrieden. Unser Darlehensgeschäft ist etwas besser als im Vorjahr. In der Baufinanzierung sind wir in den ersten neun Monaten des Jahres sogar deutlich über Vorjahr. Besonders gut läuft die Ersparnisbildung. Sowohl die Einlagen haben zugelegt als auch die Wertpapieranlagen unserer Kunden. Unser Ergebnis wird gleichwohl etwas niedriger ausfallen als im Vorjahr. Das liegt einfach daran, dass die letzten beiden Jahre hervorragend und die bislang besten in der Geschichte der Kreissparkasse waren. Das laufende Jahr wird wohl das drittbeste.

Wie sieht es bei den Unternehmenskunden aus?

Das ist immer noch ein Geschäft mit angezogener Handbremse. Die Investitionsneigung der Unternehmer ist sehr überschaubar. Das liegt auch daran, dass geplanten Reformen wie etwa der Bürokratieabbau und auch die Investitionsförderung etwas Zeit brauchen, bis sie umgesetzt werden. Derzeit sehen wir im Grunde nur Ersatzinvestitionen. Und bei Immobilien spüren wir zwar eine große Nachfrage, es wird aber wenig neu gebaut, weil Grundstücke fehlen, die Baupreise angezogen sind und auch die Finanzierung teurer geworden ist. Im Unternehmenskreditgeschäft sehen wir auch wieder erste Wertberichtigungen, bei Privatkunden haben wir jedoch weiterhin praktisch keine Kreditausfälle.

Hätten Sie sich nicht lieber mit einem Rekord verabschiedet?

(lacht) Nein, nein. Für uns ist viel wichtiger, auf gutem Niveau stabil zu bleiben. Wir haben ein auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit angelegtes Geschäftsmodell und werden ein Ergebnis erzielen, mit dem wir sehr gut leben können. Wir können damit das Eigenkapital stärken, und wir können weiterwachsen. Ich übergebe, so meine ich, die Kreissparkasse in einer guten Verfassung.

Wachstum bei Ihrer Bilanzsumme bedeutet Aufsicht durch die Europäische Zentralbank.

Ja. Alle Zahlen deuten darauf hin, dass wir am 31. Dezember mit unserer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro liegen werden, ab der die EZB uns beaufsichtigen wird. Wir haben uns seit Jahren darauf vorbereitet, und wir sind gut gerüstet.

Sie waren jetzt also ein ganzes Berufsleben in der Sparkasse. Haben Sie das jemals bereut?

Nein! Es war für mich im Grunde ein Glücksfall, dass ich zu einer Sparkasse gekommen bin. Von meinem Naturell bin ich eher ein regionaler Typ. Ich hatte nie das Bedürfnis, mich in der weiten Welt beruflich weiterzuentwickeln. Diese Sparkasse war für mich genau die richtige berufliche Heimat. Wir sind groß, wir sind breit aufgestellt und können unseren Kundinnen und Kunden als Vollbank alle finanzwirtschaftlichen Produkte anbieten.

Sie sind immer mal wieder für die eine oder andere Posten gehandelt worden.

Wenn es hieß, dass man für diese oder jene Position offenbar infrage kommt, habe ich das als Ausdruck der Wertschätzung empfunden. Ich hatte jedoch nie das Bedürfnis, Köln den Rücken zu kehren.

Was macht denn Sparkasse aus?

Wir sind als größte kommunale Sparkasse regional und ein Vollsortimenter. Wir bieten alle Bankprodukte einschließlich des Wertpapiergeschäftes. Im Verbund haben wir die Deutsche Leasing, mit der Deka einen Fondsanbieter, einen Factoringanbieter für das Spezialgeschäft für Firmenkunden, und wir haben über die Landesbanken die Möglichkeit, auch Firmen ins Ausland zu begleiten. Und ich finde, das ist eine sehr gute Mischung. Darüber hinaus fühlen wir uns der Region verpflichtet, den Menschen, die hier leben, den Unternehmen, die Arbeitsplätze bereitstellen und für Wohlstand sorgen, als auch den Kreisen und Kommunen als unseren Trägern. Wir unterstützen und fördern die regionale Entwicklung mit vielfältigen finanzwirtschaftlichen Maßnahmen als auch über unsere Stiftungen. Unser Ziel ist hierbei, mit zu einer prosperierenden und lebenswerten Region beizutragen.

Sparkassen hat man aber auch immer mal wieder nachgesagt, ein bisschen verstaubt zu sein.

Das hat man uns nachgesagt, aber das entspricht nicht der Realität. Als das Onlinebanking aufkam, haben einige schon das Ende der Sparkassen prophezeit. Das Gegenteil ist aber eingetreten. In den nächsten Wochen wird beispielsweise die Sparkassen-Finanzapp 20 Millionen Nutzer haben. Da sind wir Marktführer. Bei Digitalisierungsthemen sind wir wohl nicht die ersten. Wir haben uns den Themen jedoch nie verschlossen. Und dort, wo wir glauben, dass Digitalisierung unser Geschäftsmodell sinnvoll unterstützt und ergänzt, nutzen wir sie auch. Und wenn wir etwas anpacken, dann wollen wir das auch gut machen. So hat die Sparkassen-App viele Vergleichstests gewonnen, und wir waren die ersten, die Apple Pay ermöglicht haben. Etwas weiter in die Vergangenheit zurückgeblickt, waren wir die ersten, die einen Geldautomaten mit der Firma Nixdorf entwickelt haben. So verbinden wir Regionalität mit Modernität.

Finden Sie noch ausreichend Nachwuchs?

Ja. Aktuell bieten wir 150 Ausbildungsplätze an - und diese jungen Mitarbeitenden bekommen wir auch. Daneben haben wir auch ausgebildete Bankkaufleute, Mitarbeitende mit Studienabschluss oder andere Spezialisten eingestellt. Wir gelten als attraktiver Arbeitgeber und stellen eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit fest. Bei der letzten Umfrage erzielten wir sogar den besten Wert, den wir je hatten.

In Ihrer Zeit im Vorstand musste das Institut auch durch eine Reihe von Krisen. Welche war die Schlimmste?

Am schlimmsten empfand ich die Corona-Pandemie, weil sie die Gesellschaft so breit erfasst hat. Es gab eine große Unsicherheit, wie schlimm es wohl werden würde. Die Geschäfte der Sparkasse hat Corona hingegen nicht so hart getroffen. Als eine weitere Krise möchte ich die Zeit der Negativzins-Phase bezeichnen. Zinsen zu zahlen, wenn man Geld anlegen wollte, und Zinsen zu erhalten, wenn man einen Kredit aufnahm, stellte alles bisher Gelernte auf den Kopf. Es fühlte sich falsch an. Die Negativzins-Phase war betriebswirtschaftlich für uns die schwerste Zeit.

Da gab es noch die Lehman-Pleite und in der Folge die Finanzmarktkrise.

Die Krise hat viele zum Umdenken angeregt, plötzlich war wieder die Solidität, die Sicherheit und Stabilität der Sparkasse gesucht. Wir hatten während dieser Phase stark steigende Einlagenzuwächse zu verzeichnen. Und während sich manche Banken aus Unternehmensfinanzierungen zurückzogen, haben wir weiterhin die Unternehmen in unserer Region mit Krediten versorgt. Am 1. Januar 2008 wurde ich Landesobmann der rheinischen Sparkassen, und Michael Breuer wurde Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes. Kurze Zeit später war dann der Höhepunkt der WestLB-Krise. Da haben wir in nächtelangen Verhandlungen mit dem Land, mit dem Bund, mit der BaFin und der Bundesbank darum gerungen, wie man die Bank noch stabilisieren und wie man sie abwickeln könne. Letztendlich konnten wir mit Garantien das Institut ohne Verkaufsdruck geordnet abwickeln und so einige Milliarden an Verlusten vermeiden.

Wie muss die Sparkasse auf KI reagieren?

KI hilft uns, besser zu werden. Natürlich nutzen wir auch Chatbots. Auch die fachliche Vorbereitung einer Beratung wird schneller und besser werden durch die technischen Möglichkeiten. Wenn wir uns vorstellen, dass die KI durch Avatare auch noch vermenschlicht werden kann, kommen wir in eine neue Dimension. Was die KI jedoch nicht leisten kann, sind Emotionen, die sind nicht automatisierbar. Das bleibt das Alleinstellungsmerkmal der persönlichen Beratung von Mensch zu Mensch.

Das heißt auch, es gibt weiter Filialen bei Ihnen. Haben Sie jetzt die richtige Größe?

Aktuell ja. Mit unseren 92 Filialen, 64 Haltepunkten der Mobilen Filiale sowie 75 SB-Stellen sind wir flächendeckend gut aufgestellt in unserem Geschäftsgebiet.

Können Sie sich in Zukunft eine Sparkasse ohne Filialen vorstellen?

Nein! Wir werden vielleicht noch Veränderungen in unserem Geschäftsstellennetz erleben. Jedoch eine regionale Sparkasse ganz ohne Filialen kann ich mir nicht vorstellen. Ich wage die Prognose, dass wir auch in Zukunft mindestens mit jeweils einer Filiale in unseren 45 Kommunen vertreten sein werden.

Was war denn die Entscheidung, die Sie lieber anders getroffen hätten?

Unter den bedeutenden Entscheidungen fällt mir glücklicherweise keine ein, die ich heute anders treffen würde. Es gab jedoch Personalentscheidungen oder auch Kreditentscheidungen, bei denen ich hinterher schlauer war. Jedoch wenn man viele Entscheidungen trifft, gibt es auch immer Entscheidungen, die nicht aufgehen.