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Neu in JülichEuropas schnellster Quantencomputer „Jupsi“ soll die Welt umkrempeln

Lesezeit 4 Minuten

Jülichs neuer Quantencomputer „Jupsi“ 

Jülich – Es ist eine technische Revolution: Quantencomputer – Millionen Mal schneller als der beste Superrechner. Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erwarten Erkenntnissprünge und Lösungen für zahlreiche Probleme und praktische Anwendungen. Mit einem Druck auf einen dicken roten Knopf gab NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Montag den Startschuss für den einzigartigen Quantencomputer am Forschungszentrum Jülich (FZJ). Virtuell wurde er dabei unterstützt von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Forschung und Innovation.

Wüst hatte zuvor das rheinische Revier als „Heimat der Zukunft“ beschworen und die Chancen der neuen Technologie für NRW, Deutschland und Europa hell ausgeleuchtet. Er kündigte zudem an, die Vorreiterstellung Jülichs weiter auszubauen und in NRW ein „Kompetenz-Zentrum für Quanten-Computing“ einzurichten.

Große Erwartungen an die Quantentechnologie in Jülich

Auf den Namen „Jupsi“ (Juelich Pioneer for Spin Interference) tauften die Forscher ihre neue Maschine. Jülich ist damit der erste Standort in Europa mit einem System der neuesten Generation der kanadischen Firma D-Wave Systems. Als erster Quantencomputer auf dem Globus wird er laut Forschungszentrum an einen konventionellen Superrechner angeschlossen. Erst diese Kombination ermögliche den Einsatz für zahllose künftige Anwendungen.

Mit Milliardensummen unterstützt die Bundesregierung diese „Schlüsseltechnologie der Zukunft“, so Stark-Watzinger. „Quantentechnologien können für einen großen Sprung nach vorne sorgen“, ist sie überzeugt. Ziel sei es, in diesem Bereich eine weltweit führende Rolle einzunehmen und technologisch unabhängig zu werden.

Was die Leistungsfähigkeit angeht, verhalten sich Quantencomputer im Vergleich zu herkömmlichen Rechnern ungefähr wie Düsenjets zu Zeppelinen. Sie sollen Klimamodelle und Wettervorhersagen erstellen, Hirnforschung, Astrophysik, Wettervorhersagen und Natursimulationen revolutionieren. Sie könnten hoch komplizierte Logistikketten optimieren oder Milliarden Zahlungsströme in Echtzeit steuern.

Der Weltformel auf der Spur

Routenplanung, Fabrikationssteuerung oder Verschlüsselung der Kommunikation – für zahllose Anwendungen erhoffen sich Industrie und Wissenschaft Lösungen. Manche Physiker hoffen sogar, mit Quantencomputern sämtliche Prozesse der Natur simulieren zu können, inklusive der Entstehung des Universums und des Lebens – und so der Weltformel auf die Spur zu kommen. Zwar ist das ein Blick in die Sterne, sicher aber ist: Quantencomputer werden unsere Welt verändern – in Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft und Alltag.

Der kleinstmögliche Baustein

Als Quant wird in der Physik der kleinstmögliche und unteilbare Baustein der Natur beschrieben – wie ein Pixel in digitalen Fotos. Das kann ein Lichtteilchen sein, ein Photon ohne Masse. Oder Materie, also ein Elementarteilchen. Angelehnt an den Begriff Bit für die kleinste digitale Datenmenge wird dieses Quant als Qubit bezeichnet und ist die Grundrecheneinheit in Quantencomputern. Schon in den 1980er-Jahren haben Physiker überlegt, ob man die seltsamen Gesetze der Quantenwelt für neuartige Computer nutzen könnte. (EB)

Ein solcher Computer speichert Informationen nicht in Form von Bits, die nur zwei mögliche Zustände annehmen können, nämlich Null und Eins. Die Systeme verwenden stattdessen sogenannte Qubits als Informationseinheiten. Diese können gleichzeitig in beiden Zuständen sein, also Eins und Null – oder in unendlich vielen Zuständen dazwischen. Man kann sich das am Beispiel einer Münze verdeutlichen. Bei einem Bit liegt entweder Kopf oder Zahl oben. Ein Qubit dagegen wäre eine in die Luft geworfene, rotierende Münze – man kann nicht sagen, ob Kopf oder Zahl oben ist. Und das macht den Quantencomputer deutlich effizienter.

Extreme Kälte gegen Zerfall

Was die Sache noch komplizierter macht: Qubits sind extrem empfindlich. Jede kleinste Störung lässt sie zerfallen. Da sie so instabil sind, müssen sie extrem gekühlt und gegen sämtliche äußeren Einflüsse abgeschirmt werden. Daher wurde in Jülich eigens ein neues Gebäude errichtet, dessen Fundament auf speziellen Schwingungsdämpfern liegt. Hier soll Ende des Jahres ein zweiter Quantencomputer des französischen Herstellers Pasqal einziehen.

Noch werde es Jahre dauern, bis die Technologie ausgereift ist, räumen die Jülicher Experten ein. So lange Quantencomputer aufwendig bis in die Nähe des absoluten Nullpunkts gekühlt werden müssen, dürfte eine breite Anwendung Utopie bleiben. Beim Startschuss von „Jupsi“ war man sich aber einig: „Wir befinden uns am Vorabend einer Quantenrevolution.“