Rheinenergie arbeitet an StabilisierungWarum das Risiko von Stromausfällen steigt

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Symbolbild.

Köln – Ohne Strom läuft nicht viel in unserer modernen Welt. Ob Heizung, Licht, elektrische Geräte oder Internet – ein Großteil unserer Zivilisation ist komplett von elektrischer Energie abhängig. Doch was wäre, wenn der Strom flächendeckend ausfällt und das über längere Zeit?

Diese Frage stellen sich die wenigsten – dabei ist die Sorge vor dem „Schwarzfall“, die die Energieversorger schon lange umtreibt, berechtigt. Was nur wenige wissen: Am 8. Januar 2021 hat es um ein Haar einen größeren Blackout im europäischen Stromnetz gegeben. Nach einem Problem in Kroatien kam es zu einer Kettenreaktion, in deren Folge das größte zusammenhängende Stromnetz der Welt aufgetrennt werden musste. Im nordwesteuropäischen Netzteil, der auch Deutschland umfasst, fehlte Leistung, die Frequenz sackte rapide ab.

Die Versorgung drohte zu kollabieren, in Kliniken sprangen Notstromaggregate an. Nur mit Mühe konnte das System durch Abschaltung von Industriebetrieben in Frankreich und Italien stabilisiert werden. Es war der gravierendste Zwischenfall seit 2006.

Energiewende macht die Sache kompliziert

Fachleute erwarten, dass sich solche Ereignisse in Zukunft häufen werden. „Und wenn der Strom tatsächlich einmal flächendeckend ausfallen sollte, wird es künftig viel schwieriger, die Netze wieder hochzufahren“, sagt Frank Borchardt (54), Experte für Netztechnik und Netzbetrieb beim Verband der Elektrotechnik (VDE) in Berlin.

Grund für die zunehmende Komplexität im Stromnetz ist die Energiewende. Während früher nur wenige Großkraftwerke, die vergleichsweise einfach zu steuern waren, den Strom einspeisten, kommen heute immer mehr kleine Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen hinzu. „Der Aufwand, die wachsende Zahl der Stromerzeuger zu koordinieren, nimmt ständig zu“, betont Borchardt.

Stromausfälle in Europa

2005 tobte im November ein Schneesturm im Münsterland. Unter der Schneelast brachen 50 Hochspannungsmasten zusammen (Foto). Rund 250 000 Menschen waren teils tagelang ohne Strom, in den  Kreisen Steinfurt und Borken wurde   Katastrophenalarm ausgerufen. Grund des Materialversagens war spröder Stahl.

Im Emsland kam es am 4. November 2006 zu einer Störung, die  ab 22:10 Uhr zu einem größeren Stromausfall in Europa führte. Teile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien waren  bis zu zwei Stunden ohne Strom, betroffen waren rund zehn Millionen Haushalte. Ursache war die geplante Abschaltung einer Hochspannungsleitung über der Ems für die Überführung des   auf der Meyer-Werft gebaute n Kreuzfahrtschiffs „Norwegian Pearl“. Mangelhafte Planung und   Kommunikation führten zu einer Kettenreaktion im Stromnetz.

2015fiel am 31. März in weiten Teilen der Türkei fast acht Stunden lang der Strom aus. In   Istanbul standen die U-Bahnen still,   Fabriken stellten die Produktion ein. Fast 30 Städte waren betroffen. (fu)

Um der Herausforderung zu begegnen und die Digitalisierung der Energiewende voranzutreiben, setzt die Energiewirtschaft auf eine Branchenlösung. Sie will die 450-Megahertz-Frequenzen des ehemaligen C-Mobilfunknetzes nutzen, um eine autarke, krisenfeste Kommunikationsplattform für die Steuerung des deutschen Stromnetzes aufzubauen. Das 450-MHz-Netz wird mit Notstromversorgung ausgestattet, damit es anders als herkömmliche Datenleitungen aus Kupfer oder Glasfaser auch bei Stromausfall funktioniert.

Neues Funknetz geplant

In den Niederlanden und in Österreich gibt es so ein System längst. In Deutschland soll es bis Ende 2025 etabliert werden, Pilotversuche laufen. Auch die Kölner Rheinenergie ist dabei. Gemeinsam mit vielen anderen Versorgern und Netzbetreibern, darunter E.ON, Stadtwerke Düsseldorf und Bonn-Netz GmbH, will sie sich an einer neuen Gesellschaft beteiligen, die das deutsche 450-MHz-Funknetz aufbauen möchte: die „450 Connect GmbH“ mit Sitz in Köln.

Die Bundesregierung hat im November 2020 festgelegt, dass die 450-MHz-Frequenzen für die nächsten 20 Jahre vorrangig an die Energie- und Wasserwirtschaft vergeben werden. Auf die Ausschreibung der Bundesnetzagentur konnten sich Bewerber bis 18. Dezember melden, der der Zuschlag soll noch im März erfolgen. Die Frequenzen werden bundesweit an ein einzelnes Unternehmen vergeben. Auch die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – wie Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste – erhoben Anspruch auf das 450-MHz-Netz. Der Bund gab der Energie- und Wasserbranche den Vorzug, um die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur zu sichern. Nicht benötigte Kapazitäten soll sie den BOS zur Verfügung stellen.

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Wegen der Zunahme erneuerbarer Energien und „dem gleichzeitigen Ausstieg aus der konventionellen Stromerzeugung, die eine wesentliche Basis der Netzstabilität bildet, steigen die Herausforderungen für die Netzbetreiber, das Stromnetz weiterhin stabil zu halten und die zuverlässige Versorgung sicherzustellen“, bestätigte ein Sprecher der Rheinenergie. Das 450-MHz-Netz werde „das Rückgrat der künftigen Kommunikation“ im Netzbereich sein. Damit es nicht zappenduster wird. Oder lange duster bleibt.

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