Streiks für mehr LohnDas verdienen Angestellte im öffentlichen Dienst

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Streiken für mehr Lohn: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.

Streiken für mehr Lohn: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.

Die Gewerkschaften Verdi und EVG haben am Montag weite Teile des Landes zum Stillstand gebracht. Eine Machtdemonstration für die anstehenden Verhandlungen. Doch was verdienen Angestellte im öffentlichen Dienst?

Gespenstisch leere Bahnhöfe, volle Autobahnen und Reisende, die am Boden bleiben müssen, weil auch die Flugzeuge nicht fliegen. Der Superstreik hat gestern weite Teile Deutschlands lahmgelegt. Verdi und der Beamtenbund dbb verhandeln seit Januar mit Bund und Kommunen über die Einkommen von rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Verdi und der dbb fordern vor dem Hintergrund der hohen Inflation 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Wie haben sich die Gehälter im öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren entwickelt? Die zehn Jahre vor der aktuellen wirtschaftlich schwierigen Situation seien auch für Tarifarbeit im öffentlichen Dienst erfolgreiche Jahre gewesen, schreibt die Gewerkschaft Verdi. Zwischen den Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst und den Löhnen und Gehältern in anderen Branchen bestehe aber dennoch weiterhin ein Abstand. Verdi verweist in diesem Kontext auf eine die Analyse des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung. Seit dem Jahr 2000 seien die Tarifvergütungen im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen um 59 Prozent gestiegen, in der Gesamtwirtschaft dagegen um 63,1 Prozent und in einzelnen Branchen der Privatwirtschaft sogar um bis zu 70,2 Prozent, so etwa in der Metallindustrie.

In den Jahren 2008 und 2009 habe es etwas stärkere Tarifsteigerungen gegeben. Dadurch sei der Rückstand des öffentlichen Dienstes zwar verringert, aber nicht ausgeglichen worden. Die Berechnungen basieren auf dem jährlichen Anstieg der Tarifverdienste einschließlich Pauschal- und Einmalzahlungen. Die Einkommensrückstände zur Privatwirtschaft haben mittlerweile häufig die Folge, dass der öffentliche Dienst gegenüber privaten Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte den Kürzeren zieht. Wie viel verdienen Beschäftigte im öffentlichen Sektor?

Erzieher in Kitas

Das Gehalt von Erzieherinnen und Erziehern in Kindertagesstätten schwankt je nach Bundesland, Tarifvertrag und Arbeitsvertrag stark. Am höchsten ist das durchschnittliche Bruttogehalt für Erzieher in Kitas in Rheinland-Pfalz (3458 Euro); Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern mit 2689 Euro, heißt es auf der Info-Website zum öffentlichen Dienst. In Nordrhein-Westfalen liegt das Durchschnittsgehalt bei 3361 Euro.

In der Sonderpädagogik sieht es noch einmal etwas anders aus: Dort erhält ein spezialisierter Erzieher in NRW durchschnittlich 3620 Euro brutto im Monat. Im öffentlichen Dienst werden Erzieherinnen und Erzieher häufig in den Tarifvertrag TVöD SuE (Sozial- und Erziehungsdienst) eingruppiert. Ein Erzieher in der Entgeltgruppe 8a (also ohne schwierige Tätigkeiten) bekommt bei seiner Einstellung in Stufe eins des Tarifvertrags 2829 Euro monatlich. Nach einem Jahr rutscht er in Stufe zwei (3036 Euro). Die höchste Stufe wird mit 3855 Euro brutto entlohnt.

Gehaltsunterschiede bei Anstellungen für Busfahrer

Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Abfallentsorgung im öffentlichen Dienst, also etwa bei der städtischen Müllabfuhr, wird nach Tarifvertrag TVöD-E (Entsorgung) bezahlt. Wer die Bio-, Papier und Plastikmülltonnen der Bürger entleert und sich um die fachgerechte Entsorgung kümmert, steigt in der Entgeltgruppe E5 mit 2576 Euro brutto monatlich ein. Nach einem Jahr Berufserfahrung erfolgt die Hochstufung in Stufe zwei – hier gibt es dann 2755 Euro. Das Maximalgehalt in der Entgeltgruppe E5 liegt bei 3184 Euro im Monat (Stufe 6).

Auf ihrer Website suchen die Kölner-Verkehrs-Betriebe aktuell einen Busfahrer. Hier ist von einer Bezahlung nach dem Tarifvertrag TV-N die Rede, also nach dem Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Nordrhein-Westfalen. Demnach fallen Busfahrer in die Entgeltgruppe 5, die wie folgt entlohnt wird: Als Neueinsteiger in Stufe 1 beträgt der Bruttolohn 2646 Euro monatlich. Nach drei Jahren in der ersten Stufe tritt der oder die Beschäftigte in die Stufe 2 ein, wo er oder sie 2780 Euro verdient. Nach insgesamt 17 Jahren im Beruf erreicht er oder sie Stufe 6 und verdient dann 3325 Euro im Monat. Im TV-N sind Sonderzahlungen vorgesehen. Sie betragen seit dem Kalenderjahr 2022 87,14 Prozent des durchschnittlich in den Kalendermonaten Juli, August und September gezahlten monatlichen Entgelts. 30 Tage Urlaub hat der oder die Busfahrerin bei der KVB bei einer 39-Stunden-Woche.

Und wie sieht es bei privaten Unternehmen aus? Auch bei der Schillinggruppe, die 120 eigene Linienbusse im Großraum Köln bedient, ist eine Stellenanzeige für einen Busfahrer zu finden. Das Unternehmen wurde 2014 mehrheitlich von der KVB übernommen und gehört zum Stadtwerkkonzern Köln. Wer sich dort für die Stelle als Busfahrer interessiert, dem wird eine „übertarifliche Vergütung“ angeboten. Was genau das heißt, beschreibt das Unternehmen auf seiner Website so: „Bei einer 40-Stunden-Woche liegt das Standardgehalt eines Busfahrers im Linienverkehr zwischen 2655 und 2989 Euro im Monat.“ Eine Unterordnung in Stufen ist dort nicht zu finden. Zuschläge zum Verdienst für jede Überstunde sowie Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit kommen der Website zufolge noch hinzu. Die Schillinggruppe zahle dafür einen „überdurchnittlichen Stundenlohn von 20,16 Euro, und zwar „unabhängig davon, wie lange man als Busfahrer dem Betrieb angehört.“ Weiterhin zahle das Unternehmen jeder Busfahrerin ein Weihnachtsgeld zwischen 700 und 1000 sowie ein Urlaubsgeld, das zwischen 675 und 750 Euro liegt und von der Betriebszugehörigkeit abhängt liegt.


Fragen und Antworten: Wie geht es nach dem Streiktag weiter?

Vielerorts werden die Auswirkungen des Warnstreiks auch am Dienstag noch zu spüren sein. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn etwa wird es dauern, bis die ICE- und IC-Züge wieder dort sind, wo sie gebraucht werden. Es sei daher vor allem zu Beginn des Tages weiter mit Zugausfällen zu rechnen, teilte die Bahn mit. Auch an den Flughäfen sind Auswirkungen noch am Dienstag möglich.

Wird es schon bald weitere große Streiktage geben?

Der große gemeinsame Streiktag ist eine länger geplante, aber zunächst einmalige Aktion der beteiligten Gewerkschaften. Verdi will mit dem Warnstreik pünktlich zum Start der dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst am Montag in Potsdam den Druck auf die Kommunen und den Bund erhöhen. Wenn sich beide Seiten nun in Potsdam einigen, könnte die Eisenbahngewerkschaft EVG mögliche weitere Bahnstreiks ohnehin nicht mehr im Schulterschluss mit Verdi machen. Aber angesichts der konfrontativen Situation sind weitere Ausstände auch im öffentlichen Dienst längst nicht vom Tisch.

Könnte es dann den Osterverkehr treffen?

Nach dem großangelegten Warnstreik bei der Bahn, im Nahverkehr und an Flughäfen hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Arbeitsniederlegungen vor und während der Osterfeiertage ausgeschlossen. „Das können wir klar mit einem Nein beantworten“, sagte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch am Montag auf die Frage, ob es vor oder während Ostern zu Warnstreiks kommen wird. Man wolle nicht die Reisenden bestreiken, sondern die Arbeitgeber.

Erschwert der Superstreiktag die Verhandlungen?

Die Verhandlerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, ist jedenfalls „ein bisschen sauer“, wie sie sagt. Den Gewerkschaften wirft die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen vor, so zu tun, als seien keine Kompromisse denkbar. Dabei solle nun in Potsdam ein Ergebnis gefunden werden. Allerdings sind Gewerkschaften und Arbeitgeber weit voneinander entfernt: So wollen die Gewerkschaften für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes wegen der hohen Inflation 10,5 Prozent mehr Einkommen über 12 Monate herausholen, mindestens 500 Euro mehr. Die Arbeitgeber wollen keinen Mindestbetrag – und bieten 5 Prozent mehr Lohn über 27 Monate.

Welche weiteren Szenarien sind denkbar?

Verdi-Chef Frank Werneke stellt auf Kundgebungen im ganzen Land seit Wochen Spekulationen über ein mögliches vorläufiges Scheitern an. Die möglichen Szenarien umfassen eine Einigung in Potsdam, ein Schlichtungsverfahren, eine Verabredung zu einer weiteren Runde oder auch Urabstimmung und Erzwingungsstreik.

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