Welche Aussagekraft haben die Ergebnisse in den Kommunen und Landkreisen in Nordrhein-Westfalen? Welche Rückschlüsse können die Parteien für sich ziehen? Fragen an einen Bonner Politologen
Bonner Politologe mit Wahlanalyse„Gelb-rote Karte für die SPD“

Düsseldorf: Sarah Philipp und Achim Post, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, geben im Johannes-Rau-Haus, der Parteizentrale, ein Statement zu den Kommunalwahlen ab.
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Wie viel Bundes- und Landespolitik stecken in dem Kommunalwahlergebnis? Was sind die Gründe für den weiteren Niedergang der SPD und wie kann die Zusammenarbeit in den von immer mehr Parteien besetzten Kommunalparlamenten gelingen? Fragen an den Bonner Politologen Prof. Dr. Volker Kronenberg.
War es „nur“ eine Kommunalwahl oder ein Stimmungsbarometer für Bund und Land?
Beides. Wenn an Rhein und Ruhr 13 Millionen Menschen über die Politik vor Ort abstimmen, dann hat auch die Politik im Bund und Land darauf Einfluss. Man kann das nicht trennen.
Und was sagt das Ergebnis über die Stimmung im größten Bundesland aus?
Die CDU ist als klarer Sieger hervorgegangen und signifikant besser als bei der Bundestagswahl. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Partei stehen mit ihrer Politik im Land sehr gut da, was der Wähler offenbar honoriert hat.
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Von der guten Koalitionsarbeit im Düsseldorfer Landtag konnten die Grünen aber nicht profitieren.
Das liegt vor allem daran, dass die Zukunftsthemen wie Energie- und Verkehrswende, mit denen die Grünen vor fünf Jahren noch so punkteten, diesmal nicht im Vordergrund standen. Und wenn doch, dann haben diese Themen viel stärker polarisiert als bei der letzten Wahl. Im Gegensatz zur schwarz-roten Koalition im Bund, funktioniert die schwarz-grüne Landesregierung sehr gut. Vor allem, weil sie sich daran hält, was im Koalitionsvertrag beschlossen worden ist.

Prof. Dr. Volker Kronenberg
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Und die SPD?
Das Ergebnis ist eine gelb-rote Karte. Die SPD sollte sich davor hüten, das schlechteste Ergebnis in Nordrhein-Westfalen, der früheren Herzkammer der Sozialdemokratie, schön zu reden. Die Partei muss sich endlich ernsthafte Gedanken machen, wie sie das Ruder herumreißen kann. Ich habe die Sorge, dass die Sozialdemokraten noch nicht begriffen haben, in welcher gefährlichen Abwärtsspirale sie sich befinden. Die Partei muss sich programmatisch neu aufstellen.
Aber erklärt das, weshalb SPD-Stammwähler ihre Stimme der AfD geben?
Die Menschen im Ruhrgebiet sind frustriert und haben die Politik der nicht eingelösten Versprechungen satt. Da geht es um Armutsmigration, um soziale Gerechtigkeit. Wer bekommt was, wie viel und wie lange. Wenn die bürgerlichen Parteien das nicht begreifen, dann wählen sie die Partei, die den etablierten maximal wehtut. Und das ist die AfD, auch wenn diese Partei realpolitisch keine Lösungen hat. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die AfD bei den Stichwahlen in Hagen, Duisburg und Gelsenkirchen einen Oberbürgermeister wird stellen können. Die anderen Parteien werden sich da zusammentun. Aber die Verdreifachung ihres Wahlergebnisses muss alle anderen Parteien aufrütteln, zumal die AfD ja nicht überall in NRW angetreten ist.
Was muss sich ändern?
Verlässlichkeit bei der Umsetzung der Ziele im Koalitionsvertrag. Die Wähler möchten eine konsequente Migrationspolitik mit klaren Regeln, zu denen gehört auch Härte. Auch das Sondervermögen, wenn es klug und effizient eingesetzt wird, kann den Umschwung bringen, ebenso wie die Altschuldenlösung für überschuldete Kommunen.
FDP und BSW sind weiter im Abwärtstrend?
Die Liberalen stehen immer noch unter dem Schock des desolaten Abschneidens bei der Bundestagswahl im Februar. Die Partei muss sich neu sortieren und aufstellen. Ich bin aber überzeugt, dass die liberale Idee und die Freiheitlichkeit ihrer Programmatik ihre Berechtigung hat und wieder eine Rolle spielen kann. Was das BSW angeht, scheint die Luft raus zu sein. Das Bündnis ist mit internen Querelen beschäftigt. Zudem wirkt Sahra Wagenknecht gegen die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek doch reichlich bieder, während die Linke vom „Heidi-Hype“ spürbar profitiert.
In den nächsten Wochen werden sich die Räte in den Städten und Gemeinden konstituieren. In Köln sitzen künftig elf Parteien und Gruppierungen im Stadtrat. Wie ist da eine effektive und konstruktive Arbeit möglich? Immerhin sind das ja alles ehrenamtliche Politiker.
Das kann am besten gelingen, wenn sich die Ratsmitglieder in ihrer Geschäftsordnung auf Spielregeln einigen, was zum Beispiel die Redezeit angeht. Auch bei der Vorbereitung der Sitzungen kann sicherlich die Effizienz gesteigert werden. Künstliche Intelligenz kann sicher auch im positiven Sinne genutzt werden.
Mit dem starken Stimmenzuwachs für die AfD bei der Kommunalwahl in NRW dürfte die politische Arbeit vor Ort zwischen strikter Abgrenzung und Mehrheiten-Findung laut Experten schwieriger werden. Wie sehen Sie das?
Die Diskussion um den Umgang mit der AfD wird an Intensität zunehmen. Wie begegnet man dieser radikalen, in Teilen extremistischen Partei? Sicherlich nicht durch ein höchst riskantes, demokratiepolitisch kontraproduktives Verbotsverfahren – sondern durch inhaltliche Arbeit: Problemlösungskompetenz muss sich mit Glaubwürdigkeits- und Persönlichkeitsfaktor verbinden.