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Rundschau-DebatteMuss die Union ihre Haltung zur Linkspartei ändern?

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Bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag ist Merz für eine Zweidrittelmehrheit auf die Opposition angewiesen.

Bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag ist Merz für eine Zweidrittelmehrheit auf die Opposition angewiesen. 

Seit Jahren heißt es in bei den christlich Konservativen offiziell: keine Zusammenarbeit mit der Linken. Doch Experten warnen: die Partei müsse ihren Kurs ändern. Ansonsten drohe eine AfD-Regierung.

Am 6. Mai 2025 wurde in der Union etwas aufgeweicht, das eigentlich als unantastbar gilt: bloß nicht mit der Linkspartei. Festgeschrieben ist das in einem Unvereinbarkeitsbeschluss, der auch für die AfD gilt. Aus Sicht der Union stehen die eigenen Positionen den Grundwerten der Linkspartei diametral entgegen, etwa das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, dem von den Linken angestrebten „demokratischen Sozialismus“. In einer Begründung von 2020 heißt es: „Die Linke will den Systemwechsel und solidarisiert sich dabei auch immer wieder mit linksextremen und autonomen Gruppen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.“ Doch kann sich die Union diese Haltung noch leisten?

AfD und Linke werden stärker: CDU bliebt bei ihrer Linie

Im Bundestag hat die Merz-Regierung keine Zweidrittelmehrheit. Bei wichtigen Entscheidungen muss sie entweder mit der Linkspartei abstimmen oder mit der AfD, was einen Bruch der Brandmauer bedeuten würde. Noch heikler ist die Lage in den Ländern. Gerade in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo 2026 neue Landtage gewählt werden, wird es möglicherweise nicht mehr nur um Absprachen und gemeinsame Abstimmungen gehen. Dort könnte es so weit kommen, dass keine Regierungskoalition mehr ohne AfD oder Linkspartei möglich ist.

In Sachsen-Anhalt käme die AfD nach jüngsten Erhebungen auf 39 und die CDU auf 27 Prozent. Damit wäre eine Regierungsbildung in dem Bundesland gegen die AfD nur mit einem Drei-Parteien-Bündnis unter Einschluss der Linken möglich. Ähnlich sieht es in Mecklenburg-Vorpommern aus. Auch dort wäre derzeit eine Allianz mit der Linkspartei nötig, um die AfD von der Macht fernzuhalten.

Offiziell bleibt die Union bei ihrer Linie. „Die Beschlusslage der CDU ist klar: keine Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit, weder mit der AfD noch mit der Linkspartei“, heißt es aus dem Bundesvorstand. Der Beschluss sei richtig und werde nicht infrage gestellt, teilt auch der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern mit. „Wir bejahen ihn.“ Hinter den Kulissen sind die Meinungen differenzierter. „Eine Regierungskoalition mit den Linken ist so gut wie ausgeschlossen“, sagt ein ostdeutscher CDU-Politiker, der namentlich nicht erwähnt werden möchte. Er rät seiner Partei aber dringend, in einer möglichen Minderheitsregierung die Linke mit einzubeziehen. „Sonst verlieren wir jede Gestaltungsmacht.“

Unvereinbarkeitsbeschluss: Politologe spricht von „Fessel“

Experten sehen die Union in der Zwickmühle: Bricht sie ihren eigenen Beschluss oder riskiert sie eine AfD-Landesregierung? Wenn die Union ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei nicht aufhebe und ihren „rechten Kuschelkurs“ fortsetze, „dann drohen ausgehend von den aktuellen Umfragen chaotische Verhältnisse und rechtsextreme Regierungen“, warnte der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal kürzlich im „Handelsblatt“.

Oliver Lembcke bezeichnet den Beschluss gar als „Fessel“, von der sich die Union dringend lösen müsse. „Im Konrad-Adenauer-Haus sollte man die unterschiedlichen politischen Gegebenheiten in den Bundesländern anerkennen“, sagt der Politologe von der Rhein-Ruhr-Universität im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wenn die CDU im Osten weiter Regierungsverantwortung übernehmen will, kann sie sich den Luxus eines starren Unvereinbarkeitsbeschlusses gegenüber der Linken nicht mehr leisten.“

Das Kooperationsverbot hält Lembcke aus zwei Gründen für problematisch. „Die Entscheidung der Union ist aus der Zeit gefallen, denn sie beruht auf einer Konkurrenzsituation im Parteiensystem, die heute nicht mehr besteht.“ Tatsächlich sind seit 2018, als der Beschluss auf dem CDU-Parteitag in Hamburg gefasst wurde, AfD und Linke stärker geworden, die Parteien in der Mitte schwächer. Für sie wird es zunehmend schwerer, Mehrheiten zu organisieren.

Zweites Problem, sagt Lemcke: „Unter dem Unvereinbarkeitsbeschluss leidet auch die Glaubwürdigkeit der Christdemokraten.“ In Thüringen habe man über Jahre mit Bodo Ramelow einen Ministerpräsidenten der Linkspartei stillschweigend geduldet. Hier regiert die CDU heute sogar mit dem BSW, das deutlich radikaler sei. Die gemeinsame Abstimmung vor Merz“ Kanzlerwahl komme hinzu. Man könnte das als Pragmatismus betrachten. Lemcke sieht darin einen Widerspruch zum eigenen Dogma.

Die Linke selbst zeigt sich gesprächsbereit, erwartet aber, dass die Union sich bewegt. „Wir beißen nicht, wenn man uns anspricht“, sagt Parteichefin Ines Schwerdtner unserer Redaktion. Gerne würde sie mit der CDU über bezahlbaren Wohnraum und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie sprechen.

Annäherung zu den Linken?

Für Merz ein riskantes ManöverOb eine solche Annäherung gelingen kann, ist offen. Die ideologischen Gräben haben sich zuletzt wieder vertieft, auch wegen radikaler Töne wie der Kapitalismus-Umsturz-Fantasien der linken Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek. Forscher Lembcke rät der Linkspartei deshalb, auf Landesebene konfliktträchtige Themen wie Enteignungen, Waffenlieferungen an die Ukraine oder den Nahost-Konflikt auszuklammern. Und sich auf regionale Herausforderungen wie gleichwertige Lebensverhältnisse, Renten oder Infrastruktur zu konzentrieren. „Dort könnten sich CDU und Linke tatsächlich verständigen.“

Bis zu den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ist es noch fast ein Jahr hin. Und Umfragen sind ja bekanntlich nur Momentaufnahmen. Doch der Trend ist eindeutig: Die politischen Spielräume für die Union schrumpfen. Will sie im Osten weiter regieren, muss sie ihr Verhältnis zur Linken neu definieren. Für Merz, so viel ist gewiss, wäre eine Zusammenarbeit mit den Linken parteiintern schwer zu verkaufen. Ausgerechnet er, der vor einem vermeintlichen Linksrutsch der CDU unter Angela Merkel immer gewarnt hat.