Im Streit um das Rentenpaket meldet sich jetzt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) mit einer klaren Erwartung zu Wort. Auch beim Verbrenner-Aus drängt er auf eine Entscheidung. Kann die Koalition im Jahresendpsurt diese Themen noch klären?
Verkehrsminister zum Verbrenner-Aus„Wir dürfen uns den Ast nicht absägen, auf dem wir sitzen“

Patrick Schnieder (CDU) sagt: „Der Zug fährt mit voller Kraft Richtung E-Mobilität.“
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Er war einer der überraschendsten Namen im Kabinett von Friedrich Merz. Doch der CDU-Politiker war viele Jahre einer der Verkehrsexperten der Union. Die zahlreichen Baustellen des Ressorts von Patrick Schnieder geht er mit nüchternem Blick an. Im Interview mit Rena Lehmann und Tobias Schmidt verspricht der Bundesverkehrsminister lieber weniger als zu viel. Wie schätzt er die Lage in der Union und die Zukunft der Automobilindustrie ein?
Herr Minister, Sie sind seit 16 Jahren im Bundestag. Woran liegt es, dass die Unionsfraktion zum Hort der Rebellion geworden ist?
Die Unionsfraktion ist sicherlich kein Hort der Rebellion. Aber es hat sich vielleicht etwas verändert im Selbstbewusstsein der Abgeordneten, und auch in den Fragestellungen, die wir zu entscheiden haben. Das spitzt sich zu, wir haben sehr selbstbewusste Abgeordnete, die ihre Meinung klar äußern, auch wenn sie neu im Bundestag sind. Das war früher anders.
Der Streit über das Rentenpaket hat Spreng-Potenzial für die Koalition. Bei allem Verständnis für den Frust über die Kosten: Sind die Drohungen der jungen Abgeordneten nicht überzogen?
Das sehe ich nicht, dass die Koalition da am Ende ist. Wir müssen die interne Diskussion zu einem Abschluss bringen, damit wir das Rentenpaket, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist, verabschieden können. Dazu bedarf es offensichtlich noch Gesprächen, die jetzt geführt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Rentenpaket verabschieden werden.
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Die deutsche Autobranche kriselt gewaltig, jetzt soll eine Verschiebung des sogenannten Verbrennerverbotes helfen. Geht das nicht nach hinten los? Auch VW, Mercedes und BMW verkaufen immer mehr E-Autos und brauchen Planungssicherheit.
Der Trend geht ganz klar Richtung Elektromobilität. Wir arbeiten darauf hin, der Elektromobilität zu einem Hochlauf zu verhelfen. Das wollen auch die Automobilkonzerne. Aber die Transformation verlangt viel von ihnen. Bis 2035 werden sie die Transformation nicht schaffen. Wir brauchen mehr Flexibilität und vor allem dürfen wir uns den Ast nicht absägen, auf dem wir sitzen. Die Automobilindustrie ist bei uns Leit- und Schlüsselindustrie. Wir können uns das nicht leisten, auf dem Verbrenner-Aus 2035 zu beharren und dabei vielleicht unsere wirtschaftliche Basis zu verlieren. Wir brauchen diese wirtschaftliche Kraft, um die Transformation gestalten zu können. Es ist erforderlich, dass wir mehr Flexibilität und mehr Zeit geben.
Auch nach 2035 sollen noch Hybride und Range Extender und Autos, die nur CO2-neutrale Kraftstoffe tanken können, verkauft werden dürfen, da schlägt auch Umweltminister Carsten Schneider ein. Das reicht Ihnen nicht?
Wir werden uns in der Koalition einigen müssen. Es gibt eigentlich eine Blaupause für einen Kompromiss, und die hat die Ministerpräsidentenkonferenz formuliert. Da sind übrigens fast alle Parteien vertreten. Unionsministerpräsidenten, Sozialdemokraten, ein Grüner. Die haben übereinstimmend gesagt, wie sie sich das vorstellen. Das ist in meinen Augen eine gute Grundlage für einen Kompromiss.
Wenn auch High-Tech-Verbrenner, also moderne Diesel und Benziner, erlaubt bleiben, kann man die Klimaziele im Verkehr doch gleich aufgeben und BYD und anderen chinesischen Herstellern die Zukunft überlassen.
Nein, der Zug fährt mit voller Kraft Richtung E-Mobilität. Aber schauen Sie sich die Entwicklungen in China an, schauen Sie sich die Entwicklungen in den USA an, das ist nicht alles E-Mobilität, was dort stattfindet. Der Verbrenner wird überall in der Welt noch eine Zukunft haben. Wir sind das Land, das die Technologie hat, die ganz vorne mit dabei ist, und wir würden uns aller Kompetenzen beschneiden, wenn wir Diesel und Benziner verbieten. Wir müssen technologieoffen sein. Das Verbrenner-Verbot ist deshalb der falsche Weg. Auch in der Verbrennertechnologie steckt Potenzial für Weiterentwicklung.
Braucht es eine offizielle deutsche Position vor dem 10. Dezember, wenn Frau von der Leyen Ihre Pläne vorlegen will?
Die Europäer warten auf eine Positionierung Deutschlands. Ich glaube, dass die Mehrheit uns folgen wird, wenn wir mehr Flexibilität zeigen. Das Schlechteste wäre es, wenn wir uns enthalten. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, mit der SPD zu einer gemeinsamen Position zu kommen, und sollten uns rasch einigen.
Stichwort E-Mobilität: Bis zu 6000 Euro Kaufanreize für Haushalte bis zu einem Bruttoverdienst von 45.000 Euro, 550 Millionen stehen für's kommende Jahr bereit: Ist das gut und notwendig oder Steuergeldverschwendung?
Wir haben ja eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Förderung der E-Mobilität geschaffen und gerade die Befreiung von der Kfz-Steuer bis 2035 verlängert. Auch den Ausbau der Ladeinfrastruktur treiben wir voran. Und nun sind auch Kaufanreize in Planung, und das begrüße ich.
In Frankreich fördert der Staat schon seit Jahren auch das Leasen von E-Autos für Haushalte mit schmalem Geldbeutel. Kommt das endlich auch bei uns?
Wir denken in der Bundesregierung intensiv darüber nach und schauen uns die Optionen an. Ich sehe Frankreich durchaus als mögliches Vorbild. Wenn wir es zielgerichtet einsetzen, kann Social Leasing für E-Autos eine zusätzliche Option sein, ja.
Und wann wird der Ladestrom billiger als Sprit, auch für diejenigen, die kein Eigenheim mit Wallbox haben, sondern in der Stadt zur Miete wohnen?
Auch an öffentlichen Ladesäulen kann man schon günstig Strom tanken und preiswerter unterwegs sein als mit einem Verbrenner-Auto.
Aber nur, wenn man viel Zeit hat. Die öffentlichen Schnellladesäulen sind teils viel teurer.
Wir haben das auf dem Schirm und wollen das ändern, denn E-Mobilität muss in die Lebenswelt der Menschen passen. Darum arbeiten wir mit dem „Masterplan Infrastruktur“ daran: Wir werden das Installieren von Wallboxen an Mietshäusern erleichtern und haben dafür im Haushalt 2026 eine Summe von rund 500 Millionen Euro vorgesehen. Und wir erleichtern es den Kommunen, Flächen für Ladeparks auszuweisen.
Von der Technik zum Belag, also zu Straßen und Schienen: Von deren Planung bis zur Inbetriebnahme dauert es in Deutschland 14 Jahre und länger – Horror-Beispiel A20. Warum kommt Ihr Infrastruktur-Zukunftsgesetz, das für schnellere Verfahren sorgen soll, nicht vom Fleck?
Ich habe die Eckpunkte Ende September vorgelegt und zwei Wochen später den Gesetzentwurf. Er ist jetzt in der Ressort-Abstimmung. Ich hoffe, dass es bald weitergeht, dass wir die Verbände und Länder beteiligen können. An uns soll's nicht liegen. Wir würden es gerne möglichst schnell ins Kabinett bringen, noch in diesem Jahr. Aber dazu müssen alle mitspielen.
Wie genau soll das Bauen beschleunigt werden?
Da gehört die Digitalisierung der Verfahren zu. Dazu gehört, dass man Daten bündelt, auf die dann jeder auch unkompliziert zugreifen kann. Mit dem Infrastruktur-Zukunftsgesetz wollen wir national beschleunigen. Da haben wir 15, 16 Punkte vorgeschlagen, wie wir Prozesse verändern, vereinfachen, beschleunigen. Auf der europäischen Ebene ist aber das größte Potenzial für die Beschleunigung. Wir wollen auf EU-Ebene die Initiative ergreifen, um Stichtagsregelungen und das Verbandsklagerecht zu ändern.
