Verkehrsminister Andreas Scheuer scheiterte 2019 mit seinen Plänen für eine Pkw-Maut. Doch das Instrument ist angesichts maroder Straßen weiter im Gespräch.
Rundschau-Debatte des TagesBraucht es die Pkw-Maut auf Autobahnen?

ARCHIV - 25.02.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Ein Verkehrsschild weist die Autofahrer der Stadtautobahn auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin. (zu dpa: ´Schon wieder Pkw-Maut? CSU-Juristen wollen Abgabe für alle») Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Deutschlands Autobahnen und Brücken bröckeln seit Jahren vor sich hin. Sollten vor allem diejenigen für Instandhaltung und Reparatur bezahlen, die die Autobahnen benutzen? Unbedingt! Das finden Deutschlands Landkreise und rufen nach einer Pkw-Maut. Der ADAC sieht die Option dafür im Koalitionsvertrag gegeben – hielte es aber für „nicht akzeptabel“. Die wichtigsten Fragen & Antworten:
Wie viel Geld wird für die Autobahnen gebraucht?
Für Autobahnen und Bundesstraßen werden in den nächsten Jahren Investitionen von rund 12 Milliarden Euro erforderlich sein – und zwar pro Jahr. Das schätzt der ADAC. Davon jeweils rund 9 Milliarden Euro allein für Autobahnen. Die Sanierung von Brücken und Tunneln nicht mitgerechnet. Schon für den Erhalt der Pisten braucht es nach Angaben des Automobilclubs rund 5 Milliarden Euro jährlich.
Die Dimension gehe übrigens weit über das Autofahren hinaus, sagt der Präsident von Deutschlands Landkreisen, Achim Brötel, und verweist auf den „Operationsplan Deutschland“: Damit will die neue Regierung die Verteidigungsfähigkeit stärken. „Wenn unsere Verteidigungsfähigkeit aber an der nächsten Brücke endet, weil sie nicht mehr schwerlastfähig ist, dann brauchen wir an dieser Stelle gar nicht weiter zu diskutieren. Da türmt sich ein gigantisches Infrastrukturproblem vor uns auf.“
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Gibt es in Deutschland nicht längst eine Maut für die Autobahn?
Seit 20 Jahren müssen Lastwagen eine Autobahngebühr zahlen, die Einnahmen fließen aber längst nicht alle in den Streckenerhalt zurück. Die CSU wollte auch eine Pkw-Maut einführen, die deutschen Autofahrern allerdings erstattet werden sollte. Weil die sogenannte Ausländermaut gegen EU-Recht verstieß, scheiterte das Projekt im Juni 2019 krachend.
In fast allen unseren Nachbarländern gibt es eine allgemeine Autobahnmaut oder zumindest für bestimmte Strecken. Mautfrei ist man nur noch in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Luxemburg unterwegs.
Welche konkreten Vorschläge für eine Pkw-Maut gibt es?
Fachleute plädieren immer wieder für eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut: Wer viel fährt, müsse viel zahlen. Die Abrechnung könnte Kilometergenau erfolgen. Ein solcher Vorstoß aus dem Arbeitskreis der Juristen der CSU – also der Partei von Ausländermaut-Minister Andreas Scheuer – verhallte vor den Koalitionsverhandlungen.
Der Präsident des Landkreistages von Baden-Württemberg, Joachim Walter (CDU), forderte im März eine Jahresvignette in Höhe von 100 Euro nach Schweizer Vorbild (dort kostet sie umgerechnet rund 44 Euro).
Plant die Bundesregierung die Einführung einer Pkw-Maut?
Das ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen. „Für die Verkehrsträger wollen wir Finanzierungskreisläufe einführen, Einnahmen kommen dem jeweiligen Verkehrsträger zugute“, heißt es im Koalitionsvertrag verklausuliert. Mit einem „Drei-Säulen-Modell aus Haushaltsmitteln, Nutzerfinanzierung und privatem Kapital“ soll eine „verlässliche Finanzierung“ geschaffen werden, die „Auflösung des Sanierungsstaus“ wird versprochen.
Konkrete Änderungen: Die Autobahn GmbH soll Schulden machen und über die Verwendung von Einnahmen aus der Lkw-Maut verfügen dürfen. Und dann folgt noch ein Satz: „Es wird geprüft, wie sich die Autobahn GmbH dauerhaft stabil finanzieren kann.“
Das interpretiert der ADAC auf Nachfrage so: „Nicht ausgeschlossen scheint daher, dass die Prüfung einer Pkw-Maut daraus erwachsen könnte.“ Hier steckt also das Schlupfloch. Der ADAC relativiert aber: Käme ein schwarz-rotes „Ja“, dann würde eine Maut „erst in einer kommenden Legislatur relevant“.
Wäre es richtig, wenn die Pkw-Maut kommt?
Achim Brötel, Präsident von allen 294 deutschen Landkreisen, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich teile die Forderung auf Einführung einer Pkw-Maut uneingeschränkt.“ Und das kommt nicht von ungefähr: Die Landkreise sind schließlich Autobahngebiet Nummer eins. Brötels Bedingung wäre: „Das Geld, das eingenommen wird, müsste 1:1 in den Erhalt und die Reparatur des Straßen- und Autobahnnetzes gesteckt werden.“
Die Begründung des Deutschen Landkreistages (DLT): „Es geht – genauso wie beim Klimaschutz – letztlich um Generationengerechtigkeit.“ DLT-Präsident und CDU-Mann Brötel erläutert: „Beim Klimaschutz hat uns das Bundesverfassungsgericht das sogar ausdrücklich ins Stammbuch geschrieben. Wir müssen jetzt handeln und dürfen nicht alle Lasten bei unseren Kindern und Enkelkindern abladen. Genau das tun wir aber mit dem gigantischen „Sondervermögen“, das in Wirklichkeit ja nichts anderes ist als gigantische neue Schulden, die irgendwann einmal jemand mit Zins und Tilgung zurückzahlen muss.“ Er wundere sich offen gesagt, „dass das niemand kritisch hinterfragt“.
Die Pkw-Maut wäre für Brötel ein Ansatz, zu sagen: Nicht alles kann auf Pump und mit einer Hypothek auf die Zukunft finanziert werden. „Zumindest einen Teil muss auch die jetzige Generation – also die Leute, die mit ihren zumeist nicht gerade sehr kleinen und leichten Autos über die Straßen fahren – übernehmen. Das wäre ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit.“
Und was hält der ADAC von den Rufen nach einer Pkw-Maut?
Nichts. „Es waren politische Maßnahmen, dass nicht ausreichend in die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur investiert wurde, um den Qualitätsverlust zu stoppen und nächsten Generationen eine intakte staatliche Infrastruktur zu übergeben“, hält ADAC-Sprecher Andreas Hölzel zunächst mal fest.
Die Versprechen der neuen Regierung, Geld aus dem Sondervermögen und mehr Einnahmen aus der Lkw-Maut in Straßen und Brücken zu stecken, werden deswegen begrüßt – aber auch schon wieder beargwöhnt: „Signale aus dem Bundesfinanzministerium für Einsparungen im Verkehrsetat geben derzeit Anlass zur Sorge, ob der notwendige Investitionshochlauf tatsächlich umgesetzt wird.“
Aber den Autobahnfahrern über eine Maut mehr Geld abzuknöpfen? Dazu sagt Hölzl: „Angesichts der absehbaren erheblichen Zusatzbelastung der Verbraucher durch die Einführung des europäischen CO2-Preises ab dem Jahr 2027 und angesichts des hohen Abgabenniveaus des Autoverkehrs hält der ADAC momentan neue Abgaben wie eine Pkw-Maut für nicht akzeptabel.“
Die CO2-Bepreisung soll für weniger Emissionen im Verkehr sorgen, indem die Bürger auf E-Autos umsteigen. Ganz konkret erwartet der ADAC einen Aufschlag von 19 Cent pro Liter Treibstoff nach 2027.
Frage des Tages
Der Sanierungsstau auf deutschen Autobahnen führt immer wieder zu lästigen Staus und Dauerbaustellen. Die Landkreise bringen nun eine Pkw-Maut ins Gespräch, um die Kosten zu decken. Ein gangbarer Weg?
Was meinen Sie? Ist eine Pkw-Maut in Deutschland der richtige Weg? Bitte schreiben Sie uns:
Dialog@kr-redaktion.de, Kölnische Rundschau,
Leserbriefe, Postfach 102145, 50461 Köln
Zahl
243 Millionen Euro musste der Bund nach dem letzten Vorstoß für eine Pkw-Maut an die vorgesehenen Betreiber zahlen. Der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte bereits Verträge gemacht und diese nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) wieder gekündigt. Die Betreiber forderten anschließend Schadenersatz. Der EuGH hatte das von der CSU und der damaligen Bundesregierung durchgeboxte Gesetz für die Pkw-Maut gestoppt. Hintergrund war eine geplante steuerliche Entlastung deutscher Autofahrer. (dpa)