Volle Kneipen?Auf was Kölner sich zum Elften im Elften einstellen können

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Symbolbild 

Als Vertreter der Stadt und des Karnevals noch vor ein paar Monaten zusammensaßen und über die anstehende Session sprachen, war die Stimmung entspannt. Das Coronavirus, so die Meinung aller Beteiligten, werde das jecke Treiben in diesem Jahr wohl kaum noch beeinträchtigen. Doch die Situation hat sich verändert. Angesichts steigender Infektionszahlen warnte Gesundheitsamtsleiter Dr. Johannes Nießen im Rundschau-Interview vor Feiern am Elften Elften. „Man sollte sich darüber klar sein, welche Konsequenzen das hat“, sagte Nießen. „Je älter man wird, desto eher würde ich die Erkrankung nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ Auch das Maskentragen auf engem Raum könne dabei eine Option sein.

Nervosität bei vielen Karnevalsvereinen

Die bevorstehende Karnevalssession droht das jecke Gemeinschaftsgefüge auf eine harte Probe zu stellen. Die jungen Menschen feiern ungehemmt, die älteren verzichten aus Sorge vor Infektionen. Gerade für den Kneipenkarneval boomt der Vorverkauf, dagegen haben die traditionellen Karnevalsvereine Schwierigkeiten, ihre Sitzungstickets loszuwerden. Die bevorstehende Karnevalssession, da ist sich Horst Müller, Mit-Inhaber einer der größten Künstler- und Karnevalsagenturen im Rheinland, sicher, „wird noch einmal ganz schwierig“. Erst die Corona-Pandemie, jetzt die kriegsbedingte Wirtschafts- und Energiekrise – selbst große Korps haben inzwischen Sorge, die Säle nicht füllen zu können (siehe Infotext auf Seite 2 dieses Artikels).

In der Arena wird der Laden brummen. Mit mehr als 30.000 Besuchern rechnet Arena-Chef Stefan Löcher vom 10. bis 12. November. Vor dem närrischen Auftakt steigt die Kundgebung „Arsch huh“ mit vermutlich rund 15.000 Besuchern. Am 11.11. startet am Vormittag das neue Format „Jecke 11“, bevor dann am Nachmittag eine Schülerparty mit DJs beginnt. „Wir werden mit dem Virus leben müssen“, sagt Löcher. Ich bin sehr dafür, vulnerable Gruppen zu schützen. „Aber es wird und darf keine Beschränkungen für Besucher mehr geben.“ Auch am Samstag, 12. November, dürften knapp 10.000 Besucher zur Party „Immer wieder kölsche Lieder“ strömen. Maske trage in der Arena kaum jemand, sagt Löcher. Die Frischluftanlage funktioniere sehr gut. Inzwischen sei zudem klar, dass auch ein starker Anstieg der Inzidenz hinnehmbar sei. „Die Menschen sind selbst in der Lage, Verantwortung zu nehmen.“

Alles zum Thema Henriette Reker

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Auf Eigenverantwortung setzt auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Die OB wollte sich auf Anfrage nicht zu der Corona-Lage am Elften im Elften äußern. Ohnehin hat die Stadtspitze genug zu tun mit dem Sicherheitskonzept für den Sessionsauftakt rund um die Zülpicher Straße. Eine externe Sicherheitsfirma ist beauftragt worden, um ein Konzept für die Masse der Feiernden zu entwickeln. Es soll Ende des Monats vorgestellt werden.

Tickets für Kölner Kneipenkarneval sind heiß begehrt

Beim Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sei das Thema Corona mit Blick auf den Karneval derzeit nicht unter den ersten zehn Punkten der Agenda, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Mathias Johnen. „Es ist eines von vielen Themen“. Vieles sei abhängig von der neuen Corona-Schutzverordnung, die mit dem Monatswechsel erwartet wird.

In den Ticketverkäufen für den Kneipenkarneval würden sich die steigenden Infektionszahlen nicht widerspiegeln, sagt IG-Gastro-Vorstand Till Riekenbrauk. „Die Tickets gehen weg wie warme Semmeln. Die Leute sind heiß.“ Auch wenn das Geschehen sich schnell ändern könne – bei den meisten Gästen habe das Virus seinen Schrecken verloren. „Viele Leute sind geimpft und genesen und sind sich dem Restrisiko bewusst“, sagt RIekenbrauk.

Nur eine Minute und 30 Sekunden hat es gedauert – da waren alle Tickets für den Elften Elften im Haus Unkelbach vergriffen. Das sei genauso zu erwarten gewesen, sagt Inhaber Alexander Manek. „Die Leute drehen durch, sie wollen raus“, sagt er. In der Kultkneipe in Sülz werde genauso gefeiert wie vor Corona. Das Virus spiele bei der Planung keine Rolle.

Sorgen der Karnevalsvereine – Ausstellung wird verschoben

50 Prozent und mehr ist der Kartenvorverkauf bei einigen Karnevalsvereinen eingebrochen. „Für einige Sitzungen hat der Verkauf zuletzt angezogen, die Situation ist aber immer noch unbefriedigend“, sagt Markus Wallpott, Präsident der Bürgergarde blau-gold und Chef der Veranstaltungsagentur „Kölner Event Werkstatt“. Gering ist die Ticketnachfrage bislang auch bei Flüstersitzungen und Formaten für ein eher älteres Publikum. „Wir liegen für unsere Flora-Veranstaltungen teils unter 50 Prozent. Für die Gürzenich-Sitzungen haben wir 70 Prozent der Karten verkauft“, sagt Dr. Joachim Wüst, Präsident der Großen Kölner.

Verschoben wird die Jubiläumsausstellung 200 Jahre Kölner Karneval, die das Festkomitee kommenden Sommer im Gürzenich präsentieren wollte. Die Schau soll voraussichtlich 2024 nachgeholt werden. Am Donnerstag will das Festkomitee seine Pläne für das Jubiläum präsentieren. Bislang dominiert das Jubiläum der finanzstarken Roten Funken, die ebenfalls 1823 gegründet wurden. Die Funken planen kommendes Jahr mehr als 60 Veranstaltungen.

Zwei Buchungstermine für die Session 2024 stehen am Donnerstag und Freitag an. Dann werden sich die Literaten, also die Programmgestalterinnen und -gestalter der Vereine, zusammensetzen und Bands verpflichten. Um den Verlauf der bevorstehenden Session abwarten zu können, haben sich die Beteiligten auf eine Kündigungsoption bis zum 31. März 2023 geeinigt. Sollte eine Sitzung nicht stattfinden, sollen keine Kosten entstehen.

1,8 Milliarden Euro sind aus dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen übrig geblieben. Der Fonds war eingerichtet worden, um Kulturschaffenden und Veranstaltern in der Corona-Pandemie zu helfen. „Wir haben vehement die Erwartung, dass die Politik den Fonds verlängert. Jetzt ist sehr viel Rücksichtnahme von allen Seiten gefragt“, sagt Horst Müller, Inhaber der Agentur „Alaaf“. Etwa 800 Millionen Euro gehen zum Jahresende zurück ans Finanzministerium, eine Milliarde Euro wird auf Drängen des Deutschen Kulturrats verwendet, um dem Kultursektor durch die Energiekrise zu helfen.

Verluste können sich viele Vereine nicht leisten. Zum Teil sind die Säle schon für die nächsten drei Jahre für Sitzungen reserviert worden. Die großen Vereine veranstalten zum Teil mehr als zehn Sitzungen, Bälle oder Partys – bislang wurde so das Vereinsleben finanziert. (tho)

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