Beierlorzer im Interview„Respekt steht über allem“

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  • Im anderen Gespräch darf sich der Prominente das Thema aussuchen, nur sein eigenes Metier ist tabu.
  • Der neue FC-Trainer und Oberstudienrat Achim Beierlorzer sprach mit Jens Meifert über Erziehung.
  • Diese und weitere Folgen unserer besonderen Gesprächsreihe lesen Sie in den kommenden Wochen mit Rundschau PLUS

Herr Beierlorzer, Sie haben acht Geschwister, drei eigene Kinder, da sollte Ihnen einen Fußballmannschaft keine Sorgen machen, oder?

Stimmt, die Nackenhaare stellen sich mir nicht auf. Auch, weil ich eine gewisse Erfahrung im Trainerjob habe. Eine Mannschaft hat immer unterschiedliche Typen, verschiedene Charaktere, aber die Teams sind sich auch ähnlich: Sie haben alle das Ziel, erfolgreich Fußball zu spielen.

Würden Sie sagen, dass Sie ihre Spieler ein Stück weit erziehen müssen?

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Erziehung ist nicht der richtige Begriff, auch wenn einige Spieler noch sehr jung sind. Die Charaktere sind längst geformt, das passiert früher, aber man kann einiges vorleben: Werte. Da bin ich schnell bei meiner Familie und dem, was mir mitgegeben wurde. Mein Vater hat das Geld verdient, war Alleinverdiener, meine Mutter hat sich um die Familie gekümmert, das war normal zu dieser Zeit. Ich habe großen Respekt vor ihrer Leistung: Sie haben neun Kinder großgezogen und jedem von uns den Werdegang ermöglicht, den er sich gewünscht hat – teils sogar ein Studium. Mir reicht schon die Verantwortung für drei Kinder (lacht). Übrigens: Ich war der jüngste, mich haben auch meine Geschwister mit erzogen. Wir hatten eine sensationelle Kindheit auf dem Land, in einem 3000-Seelen-Dorf.

Zur Person

Achim Beierlorzer (51) wurde in Erlangen als jüngster von neun Geschwistern geboren. Sein Bruder Bertram spielt bei Bayern München höherklassiger als Achim, der unter anderem für die SpVgg Fürth kickte.

2014 legte der Franke die Trainerausbildung mit der Bestnote 1,0 ab. Den Schuldienst hat der Gymnasiallehrer für Mathematik und Sport längst verlassen. Mit seiner Frau hat er drei Kinder im Alter von 16, 20 und 24 Jahren.

Als Trainer stand Beierlorzer zuletzt im Dienst von Zweitligist Jahn Regensburg. Mit dem 1.FC Köln will er in der ersten Liga bestehen. Zum kniffligen Auftaktprogramm in der Bundesliga sagt er schmunzelnd: „Es ist wirklich sehr schwer. Alles Erstligisten.“ (mft)

Sie sind mit drei TV-Programmen groß geworden, ihre Spieler haben Instagram, Facebook und Medien rund um die Uhr.

Natürlich, daran muss ich denken, und mich auch in diese Lebenswelt reinfühlen. Die Zeiten ändern sich, ist doch klar.

Sportethos vermittelt Werte wie Ehrgeiz und Kampfgeist. Was bedeutet Zusammenhalt für Sie?

Ganz wichtig. Dass jeder jedem hilft, dass man zusammensteht, das kommt von meinen Eltern. Das Haus, in dem ich groß geworden bin, haben sie mit Freunden und der Familie gebaut. Auf dem Dorf ist es wichtig, füreinander einzustehen. Bis heute ist es in der Familie so, dass wir aufeinander achten, dass wir helfen, wenn es jemandem nicht gut. Egal, ob emotional oder finanziell oder mit anpacken.

Sie sind Lehrer für Mathematik und Sport. Ist das als Trainer eigentlich hilfreich?

Auf jeden Fall. Weil es immer um die Vermittlung von Inhalten geht. Das ist schon ähnlich. Und es gibt Rituale, die sind in der Erziehung wichtig. Die haben meine Frau und ich auch als Eltern gepflegt.

Sagen Sie mal ein Beispiel.

Dass die Kinder abends erzählen, was sie am Tag Schönes erlebt haben. ,Was hat mir heute am besten gefallen?“, das war die Frage an die Kinder, schon als sie ganz klein waren. Und dann gab es vor dem Zubettgehen noch ein kleines Gebet. Das war unser Ritual, und das hat den Kindern gefallen. Ich fand es extrem positiv, vor allem, weil man als Eltern denkt, man weiß was die jetzt sagen. Ganz oft haben sie was ganz anderes erzählt, als man erwartet hat. Es ist also auch ein Weg, um die Kinder besser kennenzulernen.

Die Reihe

Seit vielen Jahren pflegt die Rundschau die Interview-Reihe Das „andere Gespräch“. Richard David Precht hat über Goldfische gesprochen, Dompropst Gerd Bachner über Bergsteigen. Auch in diesem Jahr haben wir sieben spannende Begegnungen gehabt. Neben FC-Trainer Achim Beierlorzer sind dabei: Nanette Jacomijn Snoep, die Leiterin des Rautenstrauch-Joest-Museums, der Rewe-Chef Lionel Souque und Flughafen-Chef Johan Vanneste.

Welche Themen die Partner im Sommer in den Mittelpunkt rücken, wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Spannendes hat Umweltministerin Ursula Heinen-Eßer angekündigt. Miljö-Sänger Mike Kremer, haben wir in einem besonderen Lokal getroffen, und die Chefin der Kölner Verkehrs-Betriebe, Ingrid Haaks, wird im Gespräch richtig Gas geben. Achim Beierlorzer hatte sich mehr als eine Stunde Zeit genommen – am Ende ging es kurz um Fußball. (mft)

Was ist noch wichtig?

Respekt. Der steht über allem, dass ich meine Kinder ernst nehme und achtsam bin. Das heißt nicht, dass ich immer nur ja sage und alles toll ist. Oft ist ein Nein extrem wichtig. Da sind wir wieder bei Führung und Offenheit und Kommunikation. Dieser Spruch, solange Du deine Füße unter meinen Tisch stellst...“ das ist das Allerschlimmste. Ich muss schon begründen, warum mein Zwölfjähriger nicht erst um Mitternacht zu Hause sein darf. Das ist meine Aufgabe. Im Verein ist es das gleiche: Es ist nicht schlimm, wenn ein Spieler nicht das gleiche denkt wie ich. Aber er muss meine Meinung kennen – auch um zu wissen, was er besser machen kann und um meine Entscheidungen nachvollziehen zu können. Denn natürlich macht es mir auch keinen Spaß, wenn ich 23 Spieler habe und zu drei von Ihnen sagen muss: Du darfst nicht mitfahren. Das ist schon hart.

Kann Achim Beierlorzer auch ausflippen und laut werden?

Klar, durchaus. Ich ruhe in mir und ich habe eine klare Meinung. Aber wir sprachen über Respekt, das ist keine Einbahnstraße. Natürlich wird auch schon mal eine Grenze überschritten, von den Kindern oder auch von Spielern. Und dann ist man enttäuscht, das muss man klären. Oder wenn ich merke, dass jemand nicht ehrlich mit mir ist, dann bekommt er das ganz klar gesagt. Mit solchen Menschen möchte ich dann nichts mehr zu tun haben. Dazu brauche ich aber nicht laut zu werden.

Viele Lehrer schieben Frust, fühlen sich ausgebrannt und oft auch überfordert. Ging Ihnen das auch so?

Nein, überhaupt nicht. Auch wenn ich zum 1. August nicht mehr Beamter bin (lacht). Ich könnte immer noch als Angestellter weiter als Lehrer tätig sein, den Beruf mag ich sehr. Ich bin genauso gerne Trainer. Wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, dann ist das großartig.

Ihre Frau ist auch Lehrerin und zwar an einer Grundschule. Hat Ihnen das die Erziehung der Kinder erleichtert?

Wir waren vor allem zeitlich flexibler, das ist schon ein Vorteil. Wir konnten uns nachmittags um die Kinder kümmern, und während des Referendariats dann abends arbeiten. Da waren wir auch sehr konsequent. Kennen Sie das Buch ,Jedes Kind kann schlafen lernen“?

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Ja, ich kenne es. Berühmt berüchtigt unter Eltern...

.. wir hatten’s auch. Da steht drin, dass Du dein Kind auch mal 40 Sekunden weinen lassen sollst, wenn sonst alles gut ist. 40 Sekunden! Meine Frau und ich haben auf dem Sofa gesessen und uns gegenseitig die Hand gehalten. Aber es hat funktioniert.

Wie nah dürfen Ihre Spieler ihnen sein?

Wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen, da ist Nähe wichtig. Die Spieler sollen mir nah sein und dürfen auch viel über mich wissen. Und es ist mir völlig egal, ob sie mich duzen oder siezen. Das ist keine Frage von Autorität, das Trainer-Du ist super. Ich will auch viel über meine Spieler wissen, über ihre Familien und das ganze Umfeld. Aber ich bin kein Kumpeltyp, der mit den Jungs um die Häuser zieht.

Wie bekommen Sie mit, ob ein Spieler Liebeskummer hat oder die Mutter krank ist?

Wir fragen es ab, ganz einfach. Wir haben eine Whats-App-Gruppe und da fragen wir jeden Tag: Wie geht es dir? Bist Du gestresst? Dabei geht es vor allem um die Trainingssteuerung, aber auch um die Gemütslage. Und da braucht es Offenheit, nur so kann ich einen Spieler richtig bewerten.

Können Sie mit dem Begriff Autorität etwas anfangen?

Schwierig. Damit hat man sich früher Respekt verschafft, mit Angst letztlich. Ich hatte selbst den ein oder anderen Lehrer, vor dem ich regelrecht Angst hatte. Natürlich bist Du da nie zu spät gekommen, aber der richtige Weg ist das nicht. Viel besser ist es doch, wenn ein Mensch von sich aus sagt: Das will ich so.

Muss sich Achim Beierlorzer auch mal selbst erziehen?

Ich versuche immer, mir den Spiegel vorzuhalten, klar, zu reflektieren, was ich mache. Und ich versuche immer, positiv zu denken. Das Glas ist bei mir immer halbvoll, was soll ich mit einem halb leeren?

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