Köln – Obdachlose, die regungslos auf der Straße liegen. Stark betrunkene Menschen, die in Hauseingänge urinieren oder Wohnungslose, die den Gästen in den Restaurants das Essen von den Tischen nehmen. Ob am Eigelstein, in der Südstadt, am Neumarkt oder Wiener Platz – jeden Tag sind diese Szenen in Köln zu sehen. Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt (Grüne), nennt es „extreme Auswüchse“.
Er fordert ein Miteinander von allen in der Gesellschaft, damit Probleme mit den oft alkoholkranken und drogensüchtigen Menschen in der Stadt angegangen werden. „Wir brauchen eine Taskforce von Fachleuten und Verantwortlichen in der Stadt“, betont Hupke.
Obdachlose in Köln: Experten aus anderen Großstädten sollen helfen
Experten aus Großstädten in ganz Europa sollten nach Köln kommen und Ratschläge geben. Die Stadtspitze würde schon zu lange zusehen und das Problem nicht ernsthaft angehen. Die Polizei allein könne das Problem nicht lösen: „Sie können keine Sozialarbeiter sein.“
Der Bürgerverein Eigelstein und weitere Interessengemeinschaften fordern einen Projektleiter „Obdachlosigkeit“ bei der Stadt Köln und mehr Geld für Sozialarbeiter. Außerdem sollten Obdachlose die Notschlafstellen auch tagsüber betreten dürfen.
Obdachlosigkeit in Köln
Hilfsangebote
Den Obdachlosen in der Stadt stehe ein vielfältiges und differenziertes Hilfssystem zur Verfügung, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. Die Angebote der acht Kölner Kontakt- und Beratungsstellen und die Sozialarbeiter würden den aktuellen Bedarf der Menschen abdecken, die bereits sind, diese Hilfe anzunehmen.
So gebe es beispielsweise den Drogenkonsumraum am Neumarkt. Damit erhielten die Konsumenten illegaler Drogen in Räumen des Gesundheitsamtes am Neumarkt ein Angebot von Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfen. Niemand könne aber gegen seinen Willen zur Annahme von Hilfsangeboten verpflichtet werden.
Belebte Plätze sind anziehend
Belebte Plätze und Einkaufsstraßen hätten gerade für Menschen in besonders prekären Lebenslagen einen „hohen Anziehungswert“. Dort könnten sie durch Flaschensammeln oder Zuwendungen von Bürgern eine Abdeckung ihrer Bedürfnisse erzielen.
Selbst wenn einzelne Personen weggeschickt würden, kämen sie in kurzer Zeit zurück, weil sie auf die Einnahmen angewiesen seien. „Auch obdachlose Menschen pflegen ihre Sozialkontakte und treffen sich aufgrund mangelnder Alternativen im öffentlichen Raum“, sagte die Sprecherin weiter.
Vier Streetworker sind täglich im Einsatz für Obdachlose. Außerdem seien Streetworker des Jugendamtes und Experten für Suchtbekämpfung auf den Straßen unterwegs. Die Stadt plane eine Ausweitung der Arbeit. (ta)
In der Südstadt sei die Situation mit Obdachlosen und Menschen aus der Trinkerszene mittlerweile „schwer zu ertragen“, wie Alice Baker von der Interessengemeinschaft Südstadt sagt. Die Menschen in der Südstadt würden seit langer Zeit mit den Obdachlosen zusammenleben, die in verschiedenen Einrichtungen dort schlafen.
Kölner Südstadt: Aggressives Betteln nimmt enorm zu
Doch mittlerweile sei das Verhältnis „gewaltig gestört“. Das aggressive Betteln nehme stark zu, es werde in Hauseingänge uriniert und Kunden das Essen von den Tischen genommen. Erst am Samstag sei auf der Severinstraße ein Obdachloser (63) vor dem Odeon-Kino verstorben.
Dies bestätigte auch die Polizei. Es gebe Eltern, die mit ihren Kindern nicht mehr auf dem Chlodwigplatz Eis essen gehen würden, weil sie dort ständig angebettelt werden. Und Hochzeiten in den Räumen am Chlodwigplatz würden beim Gang durch Kot, Urin und Gestank gewiss keine Freude machen. „Es sollte eigentlich der schönste Tag des Leben werden“, sagt Baker.
„Ich sehe Köln vor die Hunde gehen“
Sie betont, dass sie die Menschen nicht verurteilen will. Aber die Stadt benötige ein Gesamtkonzept, damit sich die dramatische Situation verbessert. „Ich liebe Köln. Aber ich sehe Köln vor die Hunde gehen“, sagt die Sprecherin weiter. „In dieser Stadt ist zu lange weggeschaut worden“, erklärt auch Geschäftsführerin Stadtmarketing Köln, Annett Polster. Die kölsche Lässigkeit und das Motto, es sei noch immer alles gut gegangen, habe das gravierende Problem möglicherweise verschärft.
Das könnte Sie auch interessieren:
Sie befürchtet, dass Touristen und Geschäftsleute der Stadt den Rücken kehren. „Es gibt Kölner, die gehen besonders mit Kindern schon jetzt nicht mehr in die Innenstadt, weil es viele verwahrloste Bereiche gibt.“