Er wollte seine Kette mit einem Kreuz nicht ablegen. Das führte in einem Kölner Gastrobetrieb zum Streit - und schließlich zum Jobverlust.
Streit in Kölner Gastro um KreuzKölner Aushilfskraft verliert Job wegen Kreuz-Kette

Diese Kreuzkette wurde zum Streitthema.
Copyright: Meike Böschemeyer
Der 17-jährige Matteo trägt ein goldenes Kreuz an einer Kette um den Hals. Es ist, wie er selbst sagt, Ausdruck seines Glaubens. Weil er die Kette auch bei der Arbeit sichtbar tragen wollte, berichtet er der Kölnischen Rundschau, habe er seinen Nebenjob in der Gastronomie verloren.
Doch von vorn: Matteo, der momentan sein duales Abitur macht, hat nach eigenen Angaben im Dezember 2024 im „Wartesaal“ am Hauptbahnhof als Aushilfe auf Mini-Job-Basis begonnen. Er servierte bei Veranstaltungen Sekt auf dem Tablett oder Kölsch im Kranz. Ab Januar wurde er dann auch im „Haus am See“ am Decksteiner Weiher eingesetzt, denn beide Gastronomiebetriebe haben denselben Betreiber. Der 17-Jährige brachte Getränke oder Essen an die Tische und räumte das schmutzige Geschirr ab. Der Dresscode: blaue Hose, weiße Schuhe und ein weißes, langärmliges Hemd. Dazu trug Matteo wie jeden Tag sein goldenes Kreuz an einer Kette.
Ein neuer Vorgesetzter sprach mich immer wieder auf die Kette an, er wollte wissen, warum ich religiös bin. Er hat gesagt, dass das seiner Meinung nach alles Quatsch wäre.
Zum ersten Mal sei seine Kette mit dem Kreuz im März zum Thema geworden, so der 17-Jährige, der jeden Sonntag den katholischen Gottesdienst in einer Sülzer Kirche besucht. „Ein neuer Vorgesetzter sprach mich immer wieder auf die Kette an, er wollte wissen, warum ich religiös bin. Er hat gesagt, dass das seiner Meinung nach alles Quatsch wäre“, berichtet Matteo im Gespräch mit der Rundschau. Er sollte das Kreuz unter seinem Hemd verdecken. „Ein, zweimal hat er selbst danach gegriffen und es in meinen Kragen reingesteckt“, sagt der 17-Jährige. Er selbst habe es nie absichtlich aus dem Hemd herausgeholt, es habe eben mal über und mal unter dem Kragen gebaumelt. „Provoziert habe ich nie.“
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Jobverlust nach Einsatz bei Hochzeitsfeier
Eskaliert sei das ganze dann bei einer Hochzeitsfeier im „Haus am See“ Ende September: Geschäftsführerin Anna-Lena Liedtke habe zu ihm gesagt, er solle bitte den obersten Knopf zu machen und das Kreuz verdecken, berichtet der 17-Jährige. „Sie sagte, es sei ihre Entscheidung, wie ich auszusehen habe, während ich dort arbeite. Ich habe ihr gesagt, dass ich sehr gläubig bin, dass mir das wichtig ist und dass ich das Kreuz gerne draußen behalten würde.“ Darauf sei sie nicht eingegangen, Matteo sei vor die Wahl gestellt worden: Er solle die Kette ins Hemd stecken oder er könne Feierabend machen. Der 17-Jährige entschied sich, zu gehen. Die Chefin soll zum Abschied gesagt haben: „Du bist jetzt nicht nur hier gekündigt, sondern auch beim Wartesaal.“
Zwei Zeugen bestätigen die Schilderungen des jungen Mannes. „Ich bin zurückgekommen vom Tischdecken holen, und dann habe ich mitbekommen wie sie gesagt hat, entweder kannst du deine Kette verstecken oder ablegen, sonst kannst du nach Hause gehen“, berichtet ein weiterer Mitarbeitender des Lokals. „Daraufhin ist Matteo nach Hause gegangen.“ Nach Aussage des 17-Jährigen wurde er noch am selben Abend aus den Whatsapp-Gruppen des „Haus am See“ und des Wartesaals entfernt, in denen Absprachen mit dem Personal kommuniziert wurden.
Haus am See: Vorfall hatte nichts mit dem Kreuz als Symbol zu tun
Andreas Feldgen ist Geschäftsführer des „Haus am See“ am Decksteiner Weiher. Er spricht von falschen Behauptungen: Der Anhänger der Kette sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer Diskussion gewesen. „Der Kellner trug bei Dienstantritt eine grobgliedrige, große Goldkette über seinem Hemd, sodass der zuständige Veranstaltungsleiter ihn aufforderte, die Kette bitte unter seinem Hemd zu tragen, da er nicht bei einem Musikvideo oder auf einer Rapperparty arbeite“, beschreibt Feldgen den Vorfall in seinem Gastronomiebetrieb. „Das sich daraus ergebene Erscheinungsbild passt nicht zum Dresscode unseres Hauses.“ Auch mit einem Basecap oder ähnlichem arbeite sein Personal nicht. Als Geschäftsführerin Anna-Lena Liedtke ihm mitgeteilt habe, dass er so nicht arbeiten könne, habe der 17-Jährige daraufhin seinen Dienst beendet. „Es ist nicht richtig, dass er von uns gekündigt wurde, er hat für sich entschlossen, weitere Dienste nicht anzunehmen“, sagt Andreas Feldgen gegenüber der Rundschau.
Auch Geschäftsführerin Liedtke spricht von einem für alle geltenden „Dresscode für Bankettveranstaltungen“, dem die Kette nicht entsprochen habe. „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Anweisung nichts mit dem Kreuz als Symbol zu tun hatte, sondern ausschließlich mit der Einhaltung unseres Dresscodes“, so Liedtke. Aussage steht also gegen Aussage. Der besteht laut Schulungsunterlagen für die Servicekräfte im „Haus am See“ jedoch nur aus weißen Schuhen, blauen Jeans und weißer Bluse, zusammengebundenen Haaren und getrimmten Bart. Von Schmuck oder Ketten ist in der 20-seitigen Serviceschulung nicht die Rede.
Arbeitsrechtler: Gerichte entscheiden immer im Einzelfall
Für den Kölner Arbeitsrechtler Dr. Stefan Witschen ist das Streitthema um religiöse Symbole im Arbeitsalltag kein unbekanntes. „Religion am Arbeitsplatz beschäftigt die Gerichte seit Jahren immer wieder, von Europäischen Gerichten über das Bundesverfassungsgericht bis zum Kölner Arbeitsgericht“, sagt Witschen, der als Privatdozent an der Universität Köln arbeitet, in diesem Wintersemester aber an der Uni Kiel unterrichtet. „Oft geht es dabei um das Tragen eines islamischen Kopftuchs, aber es gab auch schon Fälle, in denen ein Kreuz an einer Kette zum Streitthema wurde.“
Eine pauschale Rechtsprechung gebe es nicht. „Die Gerichte entscheiden immer im Einzelfall“, erklärt der Jurist. Stets gehe es um die Abwägung der verschiedenen Interessen, zudem mache es einen Unterschied, ob es sich um einen privaten, staatlichen oder kirchlichen Arbeitgeber handele und um welche Arbeit es konkret gehe. In Deutschland werde die Religionsfreiheit auch am Arbeitsplatz rechtlich gewährleistet und seien Diskriminierungen untersagt. „Oft stellen sich die Gerichte daher schützend vor die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“
Anders sieht es zum Beispiel aus, wenn religiöse Symbole bei der Arbeit Hygienevorschriften verletzen oder ein Verletzungsrisiko darstellen. „Ein Kompromiss kann dann zum Beispiel ein Kreuz als Pin zum Anstecken statt an einer Kette sein“, so der Experte. Der Arbeitgeber dürfe zwar einen Dresscode bei der Arbeit vorschreiben. „Vor Gericht müsste er aber darlegen, dass das religiös motivierte Tragen einer Kreuzkette damit nicht vereinbar ist und konkrete Nachteile für ihn hat. Das dürfte meistens schwierig werden“, so Witschen.
