Margarita Neiteler war Ordensschwester am Krankenhaus Hohenlind. Nach dem Zweiten Weltkrieg lichtete sie Schäden rund um den Dom ab.
Ausstellung in KölnEindrucksvolle Bilder des zerstörten Köln – fotografiert von einer vielseitigen Nonne

Blick aus dem Kölner Dom auf den zerstörten Hauptbahnhof
Copyright: Rheinisches Bildarchiv Köln/ Margarita Neiteler
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die ganze Stadt zerstört, nur der Dom ragte mit seinen Spitzen aus den Trümmern heraus. Gleichwohl war die gotische Kathedrale durchaus umfangreich beschäftigt. Die Nonne Margarita Neiteler hat es sich in dieser Zeit zur Aufgabe gemacht, die Schäden am Dom fotografisch zu dokumentiert. Jetzt werden die historischen Bilder erstmals öffentlich gezeigt. Für Kurator Manfred Linke war es eine aufwändige und auch ziemlich persönliche Odyssee, überhaupt an die Fotos zu kommen.
Die katholische Ordensschwester Neiteler war 1913 in Greven geboren worden und hatte von 1938 bis in die 1960er Jahre in der Röntgenabteilung des Krankenhauses Hohenlind gearbeitet. „Ihre Kenntnisse in der Radiologie hat sie auf die dokumentarische Fotografie und vor allem auf das Nachbearbeiten im Fotolabor angewendet“, erzählt Manfred Linke, der ebenfalls aus Greven kommt. Das ist aber nicht das Einzige, was den Fotografen mit Margarita Neiteler verbindet: Sie wurde einst seine angeheiratete Schwiegertante.

Manfred Linke rahmt Bilder für die Ausstellung Finding Margarita Neiteler - Die fotografierende Nonne
Copyright: Frank Überall
Linke ist bekannt geworden durch Fotografien und künstlerische Projekte zu gesellschaftspolitischen Themen. Zum 750jährigen Jubiläum des Kölner Domes im Jahr 1998 hatte er ein Bild von einem Turm aus gemacht und eher per Zufall festgestellt, dass es ein Motiv von Neiteler gab, das 50 Jahre zuvor – ebenfalls zum Dom-Jubiläum – gemacht worden war. Deshalb habe seine Mutter zu ihm sagt: „Du musst Schwester Neiteler mal kennenlernen.“
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Blick vom Dom auf das zerstörte Köln.
Copyright: Margarita Neiteler/Rheinisches Bildarchiv Köln, RBA 064444
Als das Gespräch dann zustande kam, wollte die Nonne keine große Sache aus dem machen, was sie ihr „Ämtchen“ nannte – das Ehrenamt, die Beschädigungen des Domes für das Erzbistum fotografisch festzuhalten. „Ich habe später einen kleinen braunen Briefumschlag von ihr zugeschickt bekommen, in dem ein handschriftlicher Brief mit Hinweisen war, wo ihre Fotos sein könnten“, erinnert sich Linke. Die genannten Ansprechpartner waren aber längst verstorben.
Negative aus Glas statt auf Film
Neiteler hatte aber auch weitere Angaben zur Entstehungsgeschichte ihrer Bilder notiert und die Motive beschrieben. Das nahm Linke zum Anlass, in Archiven zu suchen – wo er bald fündig wurde. Außerdem sah er im Jahr 2023 ein Foto, das zuerst in der „Kölnischen Rundschau“ zur Besprechung eines Bildbandes aus dem Emons-Verlag veröffentlicht wurde. Es zeigte das zerstörte Köln im Blick vom Dom in Richtung Neumarkt. Als Quelle war Magarita Neiteler angegeben, als Aufbewahrungsort ihrer Bilder das Rheinische Bildarchiv. So konnte Linke seine Suche fortsetzen und wurde umfangreich fündig.
An verschiedenen Stellen sammelte er die Negative ein, die Glas statt aus Celluloid-Film waren. Er machte Abzüge und freute sich über „unfassbares Material“. Sie habe sich eindrucksvoll mit fotografischen und gestalterischen Techniken auseinandergesetzt, erläutert der Fachmann. Gespräche in den Archiven sowie mit der Familie führten schließlich zu einer umfassenden Einordnung des fotografischen Schaffens der Nonne. „Wären die Bilder zu ihren Lebzeiten der Öffentlichkeit zugänglich gewesen, wäre sie als große Fotografin gefeiert worden“, meint Linke heute. Dafür aber sei sie viel zu bescheiden gewesen.

Auch dieses Foto wird in der Ausstellung gezeigt.
Copyright: Margarita Neiteler/Rheinisches Bildarchiv Köln RBA 064453
Im Rahmen seiner Recherchen fand Manfred Linke auch Briefe, die Neiteler in der Kriegs- und Nachkriegszeit an ihren Bruder geschrieben hatte. Darin erläuterte sie nicht nur die Situation im Krankenhaus Hohenlind, sondern auch die Entstehungsgeschichte ihrer Bilder im und rund um den Dom. Dazu gehörte beispielsweise auch, dass der Dom nicht wie nahezu alle Häuser in der Stadt eingestürzt war, aber durchaus erhebliche Schäden durch die Bombardierungen der Alliierten erlitten hatte. „Die Schuttberge waren unvorstellbar“, schildert Manfred Linke. Die Ordensschwester waren gehalten, die Aufräumarbeiten im und am Dom nach ihrer Arbeit tatkräftig zu unterstützen. Schwester Neiteler machte dabei mit, zuweilen musste sie sich jedoch entschuldigen, an diesem Dienst nicht teilnehmen zu können. „Sie hat dann erklärt, dass sie nicht mit putzen könne, sie müsse sich ihrem Ämtchen widmen.“
Ihre Fotos habe die Nonne stets im Ordens-Ornat gemacht. Sie sei quer durch den Dom geklettert, um die besten Perspektiven zu bekommen – immer augestattet mit einer 13 Kilogramm schweren Ausrüstung, die unter anderem die Kamera für Großformat-Aufnahmen und ein Stativ umfasste: „Damit ist sie ohne jede Sicherung auf Gerüste geklettert.“
Regelmäßiger Zugang zum Dom
Im Gegensatz zu zeitgenössischen Berufsfotografen habe sie als Nonne regelmäßigen Zugang zum Dom gehabt, erzählt der Fotograf. Deshalb sei ihre Sammlung so einzigartig. „Diese Bilder entfalten eine Wirkung, die weit über das Dokumentarische hinausgehen“, fasst der Kurator der anstehenden Ausstellung zusammen: „Das Spiel mit Licht und Schatten, die stürzenden und nicht stürzenden Linien hat sie exzellent eingefangen.“
Auf ihrem Heimweg habe sie zuweilen auch Bilder in der Stadt gemacht, so Linke. „Da bleibt einem die Luft weg!“, entfährt es ihm: „Solche Zerstörung kennt man heute sonst nur von Fotos aus Gaza oder der Ukraine. Das zeigt, was der Krieg bewirkt, in einer Umgebung, in der wir selbst leben.“ Dadurch entstehe beim Betrachten der Bilder eine besondere Betroffenheit.
Margarita Neiteler hat zu Lebzeiten nicht mehr erfahren, dass ihre Bilder überhaupt wieder aufgetaucht sind, sie ist im Jahr 2002 verstorben. 34 der Schwarz-Weiß-Objekte hat Manfred Linke nun zusammengestellt, sie gerahmt und aufgehangen, um sie erstmals einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen.
„Finding Margarita Neiteler - Die fotografierende Nonne: Bilder von Zerstörung und Wiederaufbau des Kölner Doms, 1945-1949“, 30.11.2025 bis 18.01.2026, Michael Horbach Stiftung, Wormser Straße 23, 50677 Köln.
Geöffnet am 30.11. von 13 bis 17 Uhr, danach mittwochs-freitags 15.30-18.30 Uhr, sonntags 11-14 Uhr.
