Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Henning Krautmacher über Köln
„Diese Stadt ist auch eine Katastrophe“

Lesezeit 5 Minuten
Für Henning Krautmacher war Willy Millowitsch eine Vaterfigur, der ihn im Leben und als Künstler geprägt hat.

Für Henning Krautmacher war Willy Millowitsch eine Vaterfigur, der ihn im Leben und als Künstler geprägt hat.

Hey Kölle – du bes e Jeföhl – Aber nicht immer ein gutes: Henning Krautmacher über vertane Chancen und „Plätzchen“ in dieser Stadt, die vielleicht ein Gaumenschmaus, aber nicht immer eine Augenweide sind

Wie läuft's gerade für Köln? Was funktioniert, wo geht gerade mal wieder etwas schief? Darüber sprechen wir in unserer Serie „Über Köln reden“ mit prominenten Menschen und werfen einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Abseits aller Köln-Seligkeit sprach Henning Krautmacher über die Stadt, deren Image er mitprägte.

Was ist Ihre früheste Erinnerung an Köln?

Millowitsch! Aber die Begegnung hat nicht in Köln stattgefunden. Mein Vater war bei der Marinekameradschaft im Shanty-Chor. Zu dieser Zeit konnte man Willy Millowitsch noch für Auftritte buchen, obwohl er schön ein kölscher Superstar war, den ich aus dem Fernsehen kannte. So kam er nach Leverkusen zu einem Konzert des Shanty-Chors. Ich war damals ein kleiner Junge von fünf, sechs Jahren und für mich war er von da ab der Onkel Willy. Mein Vater verstarb früh mit 57 Jahren. Der Willy hatte für mich Vorbildfunktion übernommen: als Sänger, Schauspieler, Entertainer und Mensch.

Ihr Wohnsitz ist im Umland, aber könnten Sie sich auch vorstellen in Köln zu leben?

Unbedingt. Ich lebe in einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern. Die Kinder sind aus dem Haus. Und so könnte ich mir durchaus vorstellen, eine Wohnung in Köln zu beziehen. Aber eher nicht direkt in der Innenstadt.

Das Veedel Ihrer Wahl?

Vergleichbar mit meinen jetzigen Lebensumfeld: Esch, Pesch. Eine schöne, ländliche Ecke und dennoch nah an der Innenstadt. Die Südstadt hat auch etwas sehr reizvolles, ein unfassbares Flair, gute Gastronomie und klasse Lück.

Köln und seine Selbstverliebtheit – eine gern geübte Kritik. Die Höhner haben mit einer ganzen Reihe von Liedern zu dieser Selbstverliebtheit beigetragen. Wie ist Ihr Blick aus dem „Ruhestand“ heraus darauf?

Der „Arsch huh“-Mitbegründer Karl Heinz Pütz hat uns immer vorgeworfen, wir würden diese Selbstverliebtheit unheimlich bedienen. Stimmt ja auch. Aber das hat sich mit vielen anderen Bands, die nach uns kamen, nicht verändert. Die machen das auch. Dennoch, die Höhner waren immer bemüht, auch mal kritische Zwischentöne anzuschlagen. Deshalb kommt in einem Song wie „Hey Kölle – du bes e Jeföhl“ auch die Textzeile vor: Hück häste Ecke, die sin jrau und kalt“. Vielleicht auch als Rechtfertigung.

Weil Kölle nicht immer ein gutes Jeföl ist?

Klar, diese Stadt ist auch eine Katastrophe: mit ihren vielen Baustellen, mit ihren Staus, mit ihren Pinkelecken. Mein Gott, was hier alles nicht funktioniert, was am Ende das Zehnfache kostet, was nur durch Klüngel in Bewegung kommt… Warum viele Menschen dennoch ihr Köln lieben, das hat für mich ein Lied aus dem Musical „Himmel und Kölle“ am treffendsten ausgedrückt: „Die Stadt hat Fehler, so wie ich.“

Bei einem Fehler aus Ihrer Sicht haben Sie nun die Stimme erhoben: Für den Erhalt des Großmarktes.

Der Großmarkt ist ein Mekka für jeden, der gerne kocht und ein wichtiges Warendrehkreuz für Wochenmärkte und Restaurants. Dort gibt es gute, frische und überwiegend regionale Produkte. Ich habe kein Problem damit, wenn neue Wohngebiete entwickelt werden, wie eben die Parkstadt Süd am jetzigen Standort des Großmarktes. Aber dann müssen auch Alternativen für so ein wichtiges Angebot geschaffen werden. Ende 2025 muss der Markt schließen. Die Baumaßnahme für einen Alternativstandort in Marsdorf soll aber erst 2028 starten. Dabei ist immer noch unklar, ob es überhaupt zu einem Neubau kommen wird. Dafür habe ich kein Verständnis.

Sie beschäftigen sich gerade intensiv mit Köln. Warum?

Ich denke gerade viel über die Kölner Plätze nach – vor allem über ihre Namen. Wieso heißt der der Roncalliplatz so? Viele Menschen, die mir begegnen, glauben, wegen des gleichnamigen Zirkus'. Weit gefehlt. Der Platz ist nach einem Priester Roncalli benannt, der Papst wurde. Dahinter verbirgt sich zudem noch ein Kriminalfall um seinen päpstlichen Siegelring. Solche und weitere Geschichten veröffentliche ich in einem Buch, das zum Herbst herauskommen soll. Und zu jeder Geschichte über einen Kölner Platz wird es ein passendes Plätzchen-Rezept geben. Für den Roncalli-Platz werden das Mandeln auf einem Marzipanblock sein, die wie betende Hände aussehen, gekrönt mit einer Bischofsmütze.

Kommt der Ebertplatz auch vor, und wie sieht da das Plätzchen aus?

Ein runder Cookie, auf dem eine Cannabispflanze abgebildet ist. Aber keine Sorge, es ist kein Cannabis darin verbacken (lacht). In dieser Art will ich mit einem Augenzwinkern auf Plätze aufmerksam machen, die vernachlässigt werden. Wie auch der Karl-Küpper Platz, der eigentlich gar kein Platz ist und damit dem mutigen Karnevalisten, der den Nazis die Stirn bot, überhaupt nicht gerecht wird.

Als Höhner-Frontmann waren Sie mitten drin im Karneval. Wie ist heute aus dem Ruhestand Ihr Blick auf das wilde Treiben im Karneval aus?

Ich finde es spannend, wie der Karneval sich seit einiger Zeit entwickelt. Die Schere geht ein wenig auseinander. Auf der einen Seite die jungen Bands, die den Party-Karneval prägen – absolut legitim. Auf der anderen Seite werden solche Angebote wie Flüstersitzungen immer mehr. Veranstaltungen, die etwas leiser, nachdenklicher sind. Das hat gar nichts mit dem Alter zu tun. Die leiseren Formate werden auch von vielen jüngeren Menschen besucht. Ich finde diese Seite sehr schön.