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Interview

Kölner Comedian Laura Brümmer
„Wenn eine Verbindung zum Publikum entsteht, ist es das beste Gefühl der Welt“

Lesezeit 9 Minuten
Provoziert auch in ihren Auftritten eher ungern: Laura Brümmer

Provoziert auch in ihren Auftritten eher ungern: Laura Brümmer

Laura Brümmer gilt als vielversprechende Vertreterin einer neuen Comedy-Generation. Bernd Imgrund sprach mit ihr über Hauptrollen, Selbstüberschätzung und den Wunsch nach einer eigenen Show.

In einer tabellarischen Biografie von Ihnen ist zu lesen, Auto fahren sei Ihr Lieblingssport.

Das ist mir neu! Ich fahre gar nicht soviel Auto, aber ich habe schon einige Sachen über mich gelesen, die mich überrascht haben.

Zum Beispiel?

Mein Jahreseinkommen liege bei 500.000 Euro.

Dabei sind es nur 400.000?

So ungefähr. Ich hatte das wohl mal in einem Interview im Scherz gesagt, und dann pflanzt sich das im Internet einfach fort.

Sagen Sie häufig Dinge, an die Sie sich später nicht mehr erinnern?

Ich bilde mir ein, mich meistens zu erinnern. Aber vielleicht ist da noch jemand, der aus mir spricht?

Wer könnte das sein?

Eine böse Zwillingsschwester vielleicht. Die behauptet, ich würde gern Auto fahren, und dann muss ich das ausbaden.

Aber im Musical Tarzan haben Sie wirklich mitgespielt?

Ja, ich war Jane und ein Affe.

Quasi die weibliche und die tierische Hauptrolle. Waren das lustige Proben?

Wir haben einen Affen-Movement-Workshop gemacht. Das kann man kaum beschreiben: neun Erwachsene in einem Raum, die sich verhalten wie Affen. Ich bin sehr froh, dass niemand reingekommen ist.

Was lernt man da?

Du bewegst dich die ganze Zeit leicht in der Hocke, die Schultern nach vorne und das Becken raus. Viel Gehüpfe, auf den Händen laufen, sehr anstrengend. Weil ich so unsportlich bin, bin ich danach in unserer Künstlerwohnung die Treppe runtergefallen. Mein Bein hat einfach nachgegeben.

Haben Sie auch Affenlaute geübt?

Zur Vorbereitung haben wir uns Affenvideos angesehen. Nach einer Weile haben wir uns als Gruppe wie Affen verhalten. Es war wirklich verstörend.

Wäre die echte Cheeta am Ende stolz auf Sie gewesen?

Vielleicht hätte sie mich angenommen. Als Schwester. Man weiß es nicht. Statt Lianen hatten wir Seile, an einem hing ich am Ende über Kopf. Also ich habe mich festgehalten und die Beine oben um das Seil geschlungen.

Wie beim Stangentanz.

Haben Sie das jetzt echt gesagt? Jetzt wird's schmuddelig. Aber es stimmt tatsächlich ein bisschen. Das war Poledance im Affenkostüm, hatte allerdings wenig mit Erotik zu tun. Sehr wenig.

Haben Sie schon zu Schulzeiten performt?

Ja. Immer. Ich habe früh Geschichten geschrieben und wollte Autorin werden. Als ich Acht war, habe ich meiner Mutter eine Eintrittskarte verkauft, die sie an unserer Wohnzimmertür einlösen musste. Mit einer Freundin habe ich dann die Geschichte erzählt und vorgeführt.

Worum ging es da?

Ein Pferdeabenteuer, es ging um Peggy.

Peggy soll zum Pferdemetzger, und Sie retten die Arme?

Nein, es ging um eine Entführung. Aber ich habe die Geschichte nie fertig geschrieben. Ich wusste nicht, wie man ein Ende schreibt. Weiß ich immer noch nicht.

Was könnte das psychologisch bedeuten?

Spannende Frage. Vielleicht hoffe ich, dass das Leben alles übernimmt und ich gar nicht so viele Entscheidungen treffen muss.

Weil Sie Angst haben vor dem Ende?

Wow, jetzt wird es knifflig. Wie schnell wir von Poledancing zum Ende des Lebens gerutscht sind!

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Auftritt vor einem fremden Publikum?

Das war „Die Reise nach Rio“ in der Grundschule, ein Musical, ich habe die Lotta gespielt. Ich habe die Seefahrer in Empfang genommen, und dann haben wir Seemannslieder gesungen. Das war so eine Hauptrollensituation, von der ich ein bisschen überfordert war. Aber zugleich fand ich es auch ziemlich toll. Ich wusste, hier gehör ich hin!

Was reizt Sie daran, alle Augen auf sich zu spüren?

Tja, was eigentlich? Total irre, dass man das will. Irgendwer hat mal gesagt: Wer in der Schule einen Vortrag halten muss, hat Todesangst. Und die, denen das gefällt, landen auf der Bühne. Ich erzähle einfach gern Geschichten.

Man denkt, man stirbt?

Ja, jedes Mal aufs Neue. Aber wenn eine Verbindung zum Publikum entsteht, ist es das beste Gefühl der Welt. Das Klatschen, Lachen oder Jubeln der Leute ist die Belohnung.

„Comedy ist eine Kunstform“, steht auf Ihrer Website. Worin besteht die Kunst der Comedy?

Ich beobachte dasselbe wie jeder andere. Aber ich sehe den Witz darin. Ich sehe einen irren Humor in Dingen, die andere vielleicht anstrengend oder traurig finden. Und ich versuche das so umzusetzen, dass das Publikum denkt: Ja, stimmt, das ist eigentlich total witzig.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich stand mal vor einem überbuchten Flieger, zwei Leute mussten draußen bleiben. Total nervig, aber ich dachte plötzlich, ich bin Teil eines sozialen Experiments. Jeder beobachtet jeden, einige durften schon boarden, andere müssen noch fürchten, nicht mitzukommen. Eine skurrile Situation, zumal um 6 Uhr morgens.

Wie ist das Verhältnis von Humor zur jeweiligen Weltlage?

Wir brauchen Leichtigkeit und Lachen. Und ab und zu einen unbeschwerteren Blick auf die Welt, wenigstens für einen Abend. Sonst kann man sich ja auch einfach ins Bett legen und sagen, ich steh nie mehr auf.

Wann kommen Ihnen die Ideen für Ihre Gags?

In der Dusche und vorm Einschlafen.

Gehen Sie permanent als Comedyprofi durch die Welt?

„Profi“ würde ich mich sowieso nicht nennen. Ich fühle mich nicht so. Mein Soloprogramm heißt nicht umsonst „Hochgestapelt“. Ich habe ein krasses Impostor-Syndrom und immer Schiss, dass ich erwischt werde.

Weil Sie vermeintlich gar nichts draufhaben?

Genau. Im Musicalbereich bin ich eine verlorene Schauspielerin, die so ein bisschen singt und mittelprächtig tanzt. Und auf der Comedybühne bin ich die Musicaldarstellerin, die nur ein paar Witze erzählt. Das heißt, ich muss nie etwas richtig können.

Man kann das auch als gute Voraussetzung ansehen. Wer sich zu toll findet, ist selten lustig.

Das stimmt. Übersteigertes Selbstbewusstsein ist selten schön anzusehen, oder?

Menschen wie Trump oder Musk spritzt es aus jeder Pore.

Das ekelt mich schon ein bisschen an! Wer glaubt, immer Recht zu haben, mit dem stimmt was nicht.

Wie geht man an einem Schlechte-Laune-Tag auf eine Comedybühne?

Wenn man lächelt, egal ob man das fühlt oder nicht, werden Glückshormone ausgeschüttet. Wir könnten jetzt einfach hier sitzen und uns einen Stift quer in den Mund stecken. Allein dadurch, dass unsere Mundwinkel nach oben gezogen werden, würde es uns besser gehen.

Ich werde das mal ausprobieren, später.

Ich habe einen Schalter, den lege ich um, bevor ich auf die Bühne gehe. Die Menschen im Publikum haben ein Ticket gekauft, die möchten unterhalten werden, und denen darf total egal sein, ob ich einen schlechten Tag hatte. Hatten sie selbst ja vielleicht auch.

Warum sprechen Sie neben Kölsch auch Sächsisch und Wienerisch?

Weil ich mir während der Schauspielausbildung sehr viele Videos angeguckt und versucht habe, Akzente und Dialekte zu imitieren.

Wie reagieren die Leute auf welchen Dialekt?

Wienerisch hat etwas Erhabenes. Sächsisch finden alle lustig außer die Sachsen. Deswegen versuche ich das da auch zu vermeiden.

Sie passen sich an?

Viele dort fühlen sich verarscht, wenn man ihren Dialekt nachmacht. Das ist ja nicht das Ziel. Wenn ich hingegen jemanden höre, der versucht Kölsch zu sprechen, finde ich das immer süß. Man will damit ja eine Verbindung schaffen.

Gibt es unterschiedliches Publikum, unterschiedliches Lachen?

In Köln fühle ich mich natürlich extrem wohl, weil das meine Mundart, meine Humorfarbe ist. In manchen Regionen lachen die Leute eher nach innen. Aber ich habe eigentlich überall Spaß.

Treten Sie zuweilen vor älterem Publikum auf?

Andauernd. Ich fahre viel durchs Land und versuche, überall zu spielen. Wenn du vor deiner eigenen Generation stehst, kannst du mit Schlagwörtern oder Memes spielen, die jeder sofort versteht. Manchmal kommen aber auch Leute nach der Show und sagen, dass ich sie an ihre Tochter erinnere. Das finde ich auch schön.

Wo liegt die Grenze Ihres Comedy-Humors?

Je heikler das Thema, desto besser muss der Joke sein. Man darf sich nicht über Leid lustig machen, ich mache auch keine Witze über Gewalt gegen Frauen. Ist zwar möglich, aber ich will eigentlich gar nicht anecken. Provokation gehört nicht zu meinem Stil. Ich brauche keine extremen Themen, sondern will vor allem eine lustige Geschichte erzählen sei es vom letzten Kirchgang oder von der Zahnreinigung, bei der ich fast erstickt bin.

Politische Witze schließen Sie aus?

Mache ich selten. Ich habe am Abend der Wahl gespielt, als, vorsichtig formuliert, nicht gerade die kunstfreundlichsten Parteien gewonnen haben. Da habe ich gesagt, ich freue mich, jetzt hier zu sein, solange ich das noch darf.

Wer ist lustiger: Merz oder Scholz?

Merz. Bei Olaf wartet man wahnsinnig lang, bis er überhaupt etwas sagt. Der ist ja so ein Mäuschen. Über den Merz hingegen kann man auch mal lachen.

Die Anstalt oder die Tagesshow?

Die Anstalt. Find ich irgendwie spannender, auch lustiger.

Carolin Kebekus oder Anke Engelke?

Boah, das ist fies. Ich liebe sie beide. Aber der Schauspielaspekt bei Anke ist schon ganz groß!

Teddy Teclebrhan oder Max Giermann?

Bei LOL bin ich manchmal fast erstickt an meinem eigenen Lachen. Bei beiden. Aber sagen wir: Max Giermann beeindruckt mich schauspielerisch und in seiner Detailversessenheit noch ein bisschen mehr.

In Köln moderieren Sie die Reihe „Gloria singt“. Was passiert da?

Das ist eine riesen Karaoke-Mitsingparty, bei der man einfach Spaß hat.

Im Untertitel ist von den „besten Songs aller Zeiten“ die Rede.

Songs, die jede und jeder kennt und mitsingen kann. Abba, Blondie, Queen und auch deutsche Songs oder was Kölsches.

Und welche Musik hören Sie persönlich gern?

Genau das! (lacht) Und Musicals.

Woran merkt man, dass Sie ein echtes kölsches Mädchen sind?

An der Lebensfreude, würde ich sagen. An diesem „Et hät noch immer joot jejange“. Vielleicht suche ich ja auch deswegen kein Ende. Weil ich mir denke, es kommt schon alles wie es soll. Es wird schon alles gut.

Am 2. Mai werden Sie 30. Was soll denn mal aus Ihnen werden?

(lacht) Als würde ich hier mit meinen Eltern sitzen! Also, wenn es richtig gut läuft, werde ich einfach ein glücklicher Mensch. Und da bin ich mit dem beruflichen Witzeerzählen ganz gut beraten. Wenn alles klappt, haben die Leute einen schönen Abend mit mir und bessere Laune als vorher.

Haben Sie in fünf Jahren Ihre eigene Show?

Ja, klar, ich hoffe, Sie kommen vorbei.

Auf jeden Fall!