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Cold Case aus Köln vor GerichtFügte sich Opfer schwere Verletzungen selbst zu?

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Köln: Ein Schild weist auf das Landgericht in Köln hin.

Köln: Ein Schild weist auf das Landgericht in Köln hin.

In einem Cold Case von 2011 bekräftigt ein Rechtsmediziner vor Gericht seine Einschätzung. Angeklagt ist trotzdem ein 61-jähriger Pole. Der komplexe Fall wirft viele Fragen auf.

Im aktuell vor dem Landgericht verhandelten Prozess um einen Cold Case aus dem Jahr 2011, in dem es um einen 45-Jährigen geht, der auf dem Sofa in seiner Vingster Wohnung verblutet war, hat der rechtsmedizinische Sachverständige am Dienstag seine damalige Auffassung bekräftigt. Demnach habe in dem Fall vieles auf selbst beigebrachte Verletzungen hingedeutet. „Die Verletzungen entsprechen den in der Fachliteratur dokumentierten Fällen von Selbstverletzungen“, sagte der Rechtsmediziner am Dienstag vor der 20. Großen Strafkammer am Landgericht. Lediglich eine Schnittwunde am äußeren Handgelenk war so tief, dass eine Sehne durchtrennt und eine Vene eröffnet worden war, aus der das Opfer dann „eine erhebliche Menge Blut verloren hat“, so der Rechtsmediziner. Angeklagt in dem Fall ist ein 61-Jähriger aus Polen, dem die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge zur Last legt. Er soll, nachdem er dem mit mehr als drei Promille alkoholisierten 45-Jährigen die Schnitte zugefügt habe, die Wohnung verlassen und den 45-Jährigem seinem Schicksal überlassen haben. Der 61-Jährige schweigt bislang zu dem Vorwurf.

Haftbefehl gegen 61-Jährigen erlassen

Auch aufgrund der rechtsmedizinischen Einschätzung waren damals die Ermittlungen zu dem Fall eingestellt worden, bis sich die „Cold Case“-Abteilung der Polizei den Fall noch mal zur Brust nahm. Anhand ergänzender Gutachten sowie einem Gerichtsurteil gegen den Angeklagten, der wegen einer gleich gelagerten Tat bereits vor gut zehn Jahren schuldig gesprochen worden war, konnten die „Cold Case“-Ermittler den Fall ausreichend aufwärmen, um ihn von der Staatsanwaltschaft in eine Anklageschrift zu gießen zu lassen. Im Mai 2025 erging dann Haftbefehl gegen den 61-Jährigen, der seither in Untersuchungshaft sitzt. Die Todesursache konnte der Rechtsmediziner nicht eindeutig benennen. Vielmehr hätten mehrere Faktoren zum Tod des 45-Jährigen geführt, der der Starktrinkerszene angehörte, wie dessen Schwester bereits im Zeugenstand mitgeteilt hatte: So habe das Opfer ein geschädigtes Herz gehabt und sei mit mehr als drei Promille sehr stark alkoholisiert gewesen: „Das ist eine Alkoholmenge, da würden die meisten hier im Saal direkt auf der Intensivstation landen“, zeigte sich der Sachverständige überzeugt.

Zudem habe der 45-Jährige eine erhebliche Menge Blut verloren. Bei besserem gesundheitlichen Zustand, so der Rechtsmediziner, hätte an der tiefen Wunde am Handgelenk mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutgerinnung stattgefunden, die die Blutung gestoppt hätte. In seiner damaligen Situation habe das Opfer dem Ausbluten nicht viel entgegenzusetzen gehabt. „Der Blutverlust und der Alkohol bei der vorliegenden Herzschädigung erklärt den Todeseintritt aber durchaus schlüssig“, sagte der Rechtsmediziner. Welche der „drei Ursachen führend“ war, das konnte der Experte nicht sagen: „Alle drei Ursachen war todesrelevant.“ Fraglich blieb aus seiner Sicht nur, ob der Mann hätte gerettet werden können, wenn ihm früher ärztliche Hilfe zuteil geworden wäre. Sicher zeigte sich der Mediziner aber dahingehend, dass das Opfer bewusstlos gewesen sei, als ihm die Schnitte zugefügt wurden.

Darauf deuteten die gleichmäßigen, oberflächlichen Schnitte hin: „Wenn jemand bei Bewusstsein geschnitten wird, zieht der die Hand weg. Und dann hat man unterschiedliche tiefe Schnitte, die wir hier — bis auf den einen — nicht vorliegen haben.“

Der Prozess in dem komplexen Fall wird fortgesetzt.