Karneval in KölnHat die Bühne auf dem Hohenstaufenring eine Zukunft?

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Neun Mann auf der Bühne, vier Feiernde davor: So sah es an Weiberfastnacht um 10.30 Uhr vor der Bühne aus.

Neun Mann auf der Bühne, vier Feiernde davor: So sah es an Weiberfastnacht um 10.30 Uhr vor der Bühne aus.

Das neue Angebot zog wetterbedingt nur wenige Feiernde an. Eine zweite Auflage scheint ersten Erkenntnissen zufolge aber möglich.

Sie war ein weiterer Versuch, den Massendrang auf der Zülpicher Straße im Kwartier Latäng zu entzerren. Platziert am nördlichen Zugang zu der Feiermeile, sollte die Bühne am Hohenstaufenring jugendliche Feiernde auf dem Weg zur Zülpi abfangen. Abfangen, wohlgemerkt, nicht anziehen. Damit nicht noch mehr feiernde junge Menschen kommen als eh schon. Zusätzlich angezogen wurden feierwillige Jugendlichen sicherlich nicht durch die Bühne. Aber es blieben auch nur wenige auf ihrem Weg zur Zülpicher Straße stehen. Dennoch, Joachim Zöller, Präsident der Karnevalsgesellschaft „Die Grosse von 1823“, die die Bühne organisiert und bespielt hat, zieht im Kern eine positive Bilanz. Unter gewissen Voraussetzungen kann er sich vorstellen, das Konzept weiter zu führen.

Dieses Weiberfastnacht fand in einem Ausnahmezustand statt. Allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. War der Elfte im Elften und die Wieverfastelovende der Vorjahre auf der Zülpicher Straße von immer größer werdenden Menschenmassen und immer mehr ausufernden Exzessen gekennzeichnet – ausgenommen die Pandemiezeit – hat der Dauerregen am vergangenen Donnerstag das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen. Es war im Verhältnis wenig los im Kwartier Latäng. Das hatte sicherlich auch Auswirkungen auf die „Entzerrungsbühne“. Dennoch, leer war es natürlich nicht auf der Zülpi. Und von denen, die kamen, blieben kaum welche an der Bühne hängen oder gingen gar gezielt zu ihr. Wie die Rundschau berichtete, kämpfte die Moderatorin tapfer gegen die Leere an. Ihre anfängliche Prognose, „In ein paar Stunden sieht das hier anders aus, dann wird alles voll sein“, sollte sich nicht bewahrheiten.

Die Bühne auf dem Hohenstaufenring am Donnerstagnachmittag.

Die Bühne auf dem Hohenstaufenring am Donnerstagnachmittag.

Zwar gelang es der ein oder anderen Band, wie beispielsweise „Stadtrand“ oder der „Rhythmussportgruppe“, 50 bis 100 Zuhörer zu binden. Doch als die Auftritte beendet waren, zog das Publikum weiter. Der angeheuerte DJ als Pausenfüller konnte sie nicht halten. Jede Band musste aufs Neue um Aufmerksamkeit buhlen. Dabei war es Teil des Konzepts, nicht solche kölschen Top-Acts wie Kasalla oder Querbeat zu buchen, die aus dem Stegreif ihre Fangemeinde zu sich gezogen hätten.

Von Entzerrung kann also bei der Premiere der Bühne keine Rede sein. Dennoch, Joachim Zöller zeigt sich am Tag danach zufrieden: „Es war insgesamt sehr ruhig“, sagt er zu dem geringen Andrang an der Bühne.     „Aber die, die da waren, haben das Programm gut angenommen.“ Dadurch habe sich gezeigt: „Die Jugend kann Karneval feiern“, entgegnet er der Grundsatzkritik, dem Klientel der Zülpicher Straße gehe es nur um den Exzess.

Ein paar Mal möchte ich schon noch darüber schlafen. Doch wenn es die Politik auch so sieht wie ich, dann kann ich mir schon vorstellen, dass wir das wieder anbieten.
Professor Joachim Zöller, „Die Grosse von 1823“

Auch habe er von erfahrenen Veranstaltern zurückgespiegelt bekommen, es sei alles „gut geplant und durchdacht“ gewesen. Somit fällt sein Fazit aus: „Am Ende des Tages ist es gut gelaufen.“

Das klingt schon wie ein deutliches Ja zur Zukunft der Bühne. Ganz so weit will Zöller noch nicht gehen. „Ein paar Mal möchte ich schon noch darüber schlafen“, sagt er. „Doch wenn es die Politik auch so sieht wie ich, dann kann ich mir schon vorstellen, dass wir das wieder anbieten.“ Das Angebot verknüpft er aber mit einer klaren Forderung: „Dann aber bitte nicht erst wieder fünf Wochen vorher“, spricht er das enge Zeitfenster an, das für die Premiere blieb. Nebst der deutlichen Kritik, die es für das Konzept gab, habe der Zeitfaktor den Stress für ihn deutlich erhöht.

Zu einem der wichtigsten Kritiker der Bühne am Hohenstaufenring zählte und zählt Matthias Eiting, Sprecher der Gastwirte auf der Schaafenstraße, der Straße, in der die queere Szene feiert. Für die Schaafenstraße hatte die Bühne deutliche Auswirkungen. Der Zugang vom Hohenstaufenring war während des Bühnenprogramms vollständig gesperrt. Eine Reaktion auf die große Sorge der Szene, durch die Bühne angezogen könnten sich alkoholisierte Jugendliche auf der Schaafenstraße durch homophobes Verhalten profilieren wollen.

Schaafenstraßen-Wirt: Bühne gehört auf den Hohenzollernring

Für Eiting ist diese Vollsperrung aber ein Fehler. Zwar kam durch sie von den Ringen keiner rein. Aber wer von der anderen Seite der Schaafenstraße vielleicht auf dem Weg zum Kwartier Latäng war, kam eben auch nicht mehr raus. „So entstehen Rückstaus, das ist etwas, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben“, sagt Eiting. Für ihn ist das Sicherheitskonzept dadurch gescheitert.   Und einmal mehr sieht sich der Gastwirt darin bestätigt, dass der Standort der Bühne der falsche ist. Damit kritisiert Eiting nicht grundsätzlich die Idee der Entzerrung. Doch seiner Meinung nach müsste die Bühne zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz stehen. „Dort gehört sie hin“, daran hält der Gastronom auch nach der Premiere fest.

Könnte einer Fortsetzung der Bühne auch daran scheitern, dass Bands nach dem ersten Versuch kein Interesse mehr haben, dort aufzutreten? Gegen einen leeren Platz anzuspielen, ist nichts, was sich Musiker wünschen. Jedoch: Für ein „super unterstützenswertes Projekt“ hält die Band Rhythmussportgruppe die Bühne. Bei besserem Wetter könne die Idee aufgehen, sagt Gitarrist Niklas Dahlheimer. „Von der Organisation war alles sehr gut, von der Technik haben sie dort das Beste vom Besten aufgestellt.“ Im Kontrast zu den Auswüchsen auf der Zülpicher Straße könne so ein Angebot auch deeskalierend wirken, ist er überzeugt.

Auf den Zuspruch der Musiker können die Organisatoren von „Die Grosse von 1823“ also hoffen. Den von Politik und Verwaltung wollen sie aber auch haben. „Die Verwaltung wird sich mit den Akteuren nach Karneval zusammen setzen und gemeinsam beraten, was und wie an Formaten für den 11.11. in Frage kommen könnte“, sagt Alexander Vogel, Sprecher von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.


Gibt es Alternativen, um die Zülpicher Straße zu entlasten?

Für den größten Teil der beteiligten Akteure steht schon lange fest: Es muss ein attraktives Angebot her, um den Jugendlichen zu zeigen, dass Karneval mehr ist, als ein hemmungsloses Besäufnis auf einer völlig überfüllten Straße.

14 weitere mögliche Standorte hatte die Verwaltung neben der Uniwiese bereits 2022 als Entlastungsfläche geprüft. Die Poller Wiesen waren dabei, die Deutzer Werft, der Neumarkt oder der Parkplatz am Südstadion. Für alle Standorte fand die Stadt Gegenargumente: mal die Verkehrsanbindung, mal Sicherheitsaspekte, mal kollidierten die Pläne mit den Aufbauten für den Rosenmontagszug.

Die Entlastungsfläche auf der Uniwiese blieb an Weiberfastnacht weitestgehend leer.

Die Entlastungsfläche auf der Uniwiese blieb an Weiberfastnacht weitestgehend leer.

Vor allem aber hieß es damals von der Stadt: „Die Verwaltung und ihre Sicherheitspartner sind sich in der Bewertung einig, dass eine Ausgleichsfläche für das Kwartier Latäng in unmittelbarer Nähe liegen muss.“ Eine Fläche irgendwo anders in der Stadt – und sei sie noch so attraktiv – schaffe keine Abhilfe. Tausende Jugendliche strömen Jahr für Jahr ins Kwartier Latäng, weil dort alle ihre Freunde sind und weil jede Menge Beiträge in den sozialen Medien unmissverständlich deutlich machen: Hier, rund um die Zülpicher Straße, ist der „Place to be“.

Eine neue Feiermeile von heute auf morgen zu etablieren, ist aus Sicht vieler Beteiligter schlicht nicht möglich. Und selbst wenn es ein schleichender Prozess sein soll – wie soll dieser aussehen? Die Uniwiese, auf der an Weiberfastnacht auf 55.000 Quadratmeter wetterbedingt nur wenige Menschen feierten, wird also auch in den kommenden Jahren wichtig sein für das Sicherheitskonzept der Stadt.

Die Naturschützer des BUND, die vor allem die Auswüchse auf der Uniwiese verhindern wollen, brachten noch im Januar wiederholt die Nord-Süd-Fahrt als Entlastungsfläche ins Spiel. Der Vorwurf: die Verwaltung habe den Vorschlag bis heute nicht ernsthaft geprüft. Dass die Fläche sich für eine Veranstaltung eignet, hat das Festival „Straßenland“ bereits gezeigt. Das Problem mit der Entfernung zum Univiertel bleibt aber. (sim)

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