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Verkehrschaos drohtBahn plant Vollsperrung wichtiger Kölner Hauptstraßen

7 min
Diese Brücke über die Luxemburger Straße in Köln muss ausgetauscht werden.

Diese Brücke über die Luxemburger Straße in Köln muss ausgetauscht werden.

Vier zentrale Verkehrsadern müssen 2028 monatelang dicht machen - die Luxemburger, Venloer, Vogelsanger und Zülpicher Straße. Während die Deutsche Bahn Brücken saniert, fehlen noch Konzepte für Umleitungen.

In der letzten Woche der Sommerferien ist es auf der Luxemburger Straße recht ruhig. Selbst im abendlichen Berufsverkehr fahren hier nur wenige Autos. Das wird ab der kommenden Woche ganz anders aussehen. Dann reiht sich wieder Stoßstange an Stoßstange. Vor allem Pendlerinnen und Pendler aus dem Umland nutzen die Hauptverkehrsstraße, um aus der Innenstadt wieder nach Hause zu kommen. Das ist ohnehin schon eine Herausforderung, doch in der Zukunft wird es nicht besser – ganz im Gegenteil. Die Deutsche Bahn AG plant im Jahr 2028 umfassende Sanierungsarbeiten, und davon sind nicht nur die Bahnstrecken selbst betroffen: Zentrale Verkehrsadern wie die Luxemburger Straße müssen auch für den Straßenverkehr komplett gesperrt werden, wahrscheinlich Monate lang.

Sanierungsarbeiten sollen im Sommer 2028 starten

„Bei den Planungen für die anstehenden Baumaßnahmen betrachten wir vier Brücken gleichzeitig“, erklärt ein Bahnsprecher gegenüber der Rundschau: „Venloer Straße, Vogelsanger Straße, Zülpicher Straße und Luxemburger Straße“. Routen, die zeitweise ausfallen werden. Konkrete Angaben, wann welche Straße gesperrt wird, gibt es aber nicht. Nur soviel steht aus Sicht der Bahn fest: Von Juli 2028 bis Dezember 2029 finden die Sanierungsarbeiten statt, dann wird die linksrheinische Bahnstrecke zwischen Köln, Bonn, Koblenz und Mainz massiv betroffen sein, denn zwischen dem Kölner Hauptbahnhof und dem zentralen Bahnhof Köln-Süd sollen 17 Monate lang keine Züge fahren.

Grundsätzlich wusste ich von den Maßnahmen zum Brückenbau, aber nicht, welche umfangreichen Sperrungen für den Autoverkehr damit einhergehen werden.
Roman Suthold, ADAC Nordrhein

Alleine das hat bereits für politische Diskussionen gesorgt. Mehrere Abgeordnete der Grünen aus dem Rheinland hatten sich in einem offenen Brief an die Deutsche Bahn gewandt und gefordert, „sämtliche Alternativen zu dieser langen Sperrung erneut und ernsthaft zu prüfen“. Vertreter der Partei aus dem Rhein-Erft-Kreis sprachen sich unter anderem für einen leistungsfähigen und schnellen Schienenersatzverkehr mit durchgehenden Bussen ins Kölner Zentrum aus. Ansonsten drohten viele Pendlerinnen und Pendler auf das Auto umzusteigen, was die Straßen zusätzlich belaste.

Übliches Bauverfahren kann nicht angewendet werden

Die Planungen sind aufwendig, denn die betroffenen Brücken sind denkmalgeschützt. Auf einer Projektseite der Bahn im Internet heißt es, dass dort, wo es räumlich möglich ist, neue Brückenbauwerke über Monate hinweg nahe ihres künftigen Standortes errichtet werden. Wenn sie dann fertig sind, werden sie üblicherweise unter kurzer Sperrzeit „gesamthaft eingeschoben“. Diese Vorgehensweise sei im Fall der vier „Kölner Brücken“ aber nicht möglich: „Hierzu sind inmitten der Kölner Innenstadt nicht genügend Baustelleneinrichtungs- und Montageflächen vorhanden. Die Brücken müssen daher unter Vollsperrung am tatsächlichen Standort errichtet werden.“

Die neuen Brücken sollen unter anderem auf 4,50 Meter Durchfahrtshöhe erweitert werden, so ein Bahnsprecher auf Nachfrage: „Zum Vorteil der LKW und Passanten“. Ein Verkehrskonzept werde gerade von der DB InfraGO und Go Rheinland sowie allen beteiligten Eisenbahn-Verkehrsunternehmen geprüft: „Ziel ist, die Menschen so nah wie möglich an den Knoten Köln zu bringen und Umleitungen über die Stadtbahnen der KVB und andere Umleitungsverkehre zu organisieren.“ Auch die Stadt Köln sei in die Abstimmungen involviert. In Abhängigkeit von neuen Erkenntnissen oder Rahmenbedingungen könnten sich die Planungen noch verändern.

Bei der Kölner Stadtverwaltung weiß man von einer „Involvierung“ in die Planungen anscheinend wenig. „Die Maßnahme ist dem zuständigen Dezernat natürlich zwar grundsätzlich bekannt“, heißt es von einer Sprecherin auf Anfrage: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es aber noch keine konkreten Pläne.“ Die Bahn AG müsse als Bauherrin im Vorfeld ein Verkehrskonzept erstellen. Dazu wiederum gibt es aus der Pressestelle der Bahn keine konkreteren Angaben.

Zu den Bauvorhaben gibt es jedoch schon Webseiten im Internet, die zumindest grob beschreiben, was auf Bürgerinnen und Bürger zukommen wird. Rund um den Bahnhof Köln-Süd geht es um die Luxemburger Straße und die Zülpicher Straße, in Neustadt Nord um Venloer und Vogelsanger Straße. Alle vier werden „zeitweise voll gesperrt werden müssen“, ist dort dokumentiert. Eine gleichzeitige Sperrung beider Straßen im jeweiligen Gebiet werde aber nicht erfolgen. Zudem wolle man Fuß- und Radverkehre „soweit möglich aufrechterhalten“. Hier heißt es dann sogar: „Abstimmungen mit der Stadt Köln haben bereits stattgefunden.“

Was verwirrend klingt, wird neben Bahnkunden also auch alle anderen Verkehrsarten betreffen. Wenn Hauptachsen gesperrt sind, wird sich der Autoverkehr auf die verbliebenen Straßen wie die Aachener Straße oder den Militärring verlagern. Das bedeutet große Umwege und voraussichtlich viel längere Fahrtzeiten wegen Staus. Und ein Ausweichen auf die Bahn wird wegen der Bauarbeiten nicht möglich sein – nicht einmal auf die Stadtbahnlinien der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Schließlich fahren die teilweise unter den Brücken durch, die saniert werden müssen.

KVB kennen noch kein Konzept für Verkehrsführung

KVB-Sprecher Matthias Pesch erklärte auf Anfrage, dass man in die großen Planungen der Deutschen Bahn eingebunden sei, aber noch keine Details kenne: „Ein Konzept zur Verkehrsführung während der Bauarbeiten gibt es bislang nicht.“ Betroffen wären die Stadtbahnlinien 18 und 9. Man wisse bisher weder, wie und in welchem Umfang gesperrt werde, noch ob die Linien getrennt werden müssten. Ein Ersatzverkehr mit Bussen wäre eine Kraftanstrengung, da sich die Verkehre verlagern würden und die Busse dann auch im Stau stünden. Man habe an die Bahn den Wunsch adressiert, etwa mit temporären Masten, Einhausungen oder eingleisigen Abschnitten den Stadtbahnbetrieb aufrechterhalten zu können. „Wir würden es begrüßen, wenn die Arbeiten ähnlich abgewickelt werden könnten wie beim Austausch der sogenannten Idiotenbrücke, bei dem mit zwei Wochenenden Sperrung die Auswirkungen minimal gehalten werden konnten“, so Pesch.

Dass die Linie 18 droht unterbrochen zu werden, dürfte für Pendler besonders ärgerlich sein, wäre sie doch eine Alternative während der Sperrungen des Bahnverkehrs. Und für Radfahrer und Fußgänger zeichnet auch noch nicht ansatzweise ab, welche Umwege ihnen womöglich zugemutet werden.

Koordinierungsgruppe für Baustellen ohne Information

Für Roman Suthold vom ADAC Nordrhein sind die entsprechenden Recherchen eine Überraschung: „Grundsätzlich wusste ich von den Maßnahmen zum Brückenbau, aber nicht, welche umfangreichen Sperrungen für den Autoverkehr damit einhergehen werden.“ Das ist auch deshalb verwunderlich, weil der Automobilclub an einer Koordinierungsgruppe für größere Bauvorhaben beteiligt ist, in der sich die Stadtverwaltung mit verschiedenen Institutionen auch auf mittel- und langfristige Beeinträchtigungen vorbereitet. Dort sei das bisher kein Thema gewesen, so Suthold: „Die Bahn AG hat dort keine einzige Maßnahme angemeldet, auch diese sehr umfangreiche nicht.“ Und der Leiter der Abteilung Verkehr und Umwelt beim ADAC Nordrhein ist darüber offensichtlich sehr verärgert, wenn er sagt: „Wir haben doch nicht umsonst eine solche Koordinierungsgruppe!“

Die Bahn AG falle, so Suthold, häufiger damit auf, dass sie aus Berlin zentrale Vorgaben mache und bei der Abstimmung mit den betroffenen Kommunen „sehr zurückhaltend“ sei. Von anderen Beteiligten fordere der Konzern stets umfassende Informationen, damit er seine Fahrpläne umstellen könne: „Selbst scheint er das aber nicht wirklich ernst zu nehmen.“ Dabei mache bei einer Baustellenplanung Kommunikation meist 50 Prozent der Planungen aus: „Wenn man Ausweichrouten identifiziert und klar kommuniziert, können größere Probleme meist vermieden werden.“ Dafür müssten aber alle zusammenarbeiten, so Roman Suthold: „Die Bahn-Zentrale in Berlin ist dagegen eine Black Box.“

IHK spricht von Herausforderung für die Kölner Wirtschaft

Nun dauert es noch ein wenig bis zum Baubeginn im Jahr 2028. Deshalb zeigt sich der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Kölner Stadtrat, Lino Hammer (Grüne), auf Anfrage noch vergleichsweise entspannt. Die Baumaßnahmen der Bahn in Köln-Süd und Ehrenfeld seien unausweichlich und würden spürbare Verbesserungen mit sich bringen, betont Hammer. So werde am Südbahnhof endlich Barrierefreiheit erreicht, die Bahnsteige würden mit Aufzügen angebunden. Eine „komplette, zeitlich begrenzte Sperrung“ sei „besser und kalkulierbarer als eine Sanierung, die sich über viele Jahre zieht“, so Hammer: „Wir erwarten, dass die Beteiligten der Deutschen Bahn, Go Rheinland, KVB und Stadtverwaltung nachvollziehbare Umleitungen für alle Verkehrsteilnehmenden vorlegen. Dabei darf der Fuß- und Radverkehr nicht vernachlässigt werden.“

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) spricht Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein unterdessen von einer „enormen Herausforderung für die Kölner Wirtschaft“. Die zeitweisen Vollsperrungen würden auch Lieferverkehre, Beschäftigte und Kunden treffen, betont Vetterlein. Der IHK sei „natürlich bewusst, dass solche Arbeiten für die langfristige Erhaltung der Infrastruktur unvermeidbar sind“. Bahn und Stadt müssten aber frühzeitig ein umfassendes und belastbares Verkehrskonzept entwickeln und vorlegen, das die betroffenen Nutzergruppen berücksichtigt: „Es ist für uns unverzichtbar, dass die Wirtschaft frühzeitig eingebunden wird.“ Bisher aber fehlen solche Konzepte. Die Planungen der Bahn AG dauern noch an, sie müssen teilweise auch noch genehmigt werden. Erst wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird sich herausstellen, welche Ideen die Verkehrsplaner haben, um einen Kollaps auf den Straßen zu vermeiden und das Einpendeln irgendwie auch in der fast eineinhalb Jahre dauernden Sperrphase ab 2028 zu ermöglichen.